Zündendes Kabarett ohne "PC"

Guido Cantz mit "Ich will ein Kind von dir"

von Frank Becker

Foto © Stephan Pick
Der Sprudel ist weg!
 
Guido Cantz ohne „PC“ mit seinem
dreistündigen Humor-Trommelfeuer
 
Das aktuelle Kabarett-Programm „Ich will ein Kind von dir“, von Guido Cantz á jour gebracht, macht Spaß, viel Spaß. Der Kabarettist aus Köln-Porz, der mit glasklarem, wenn auch bekümmertem Blick auf die Zukunft Deutschlands kein Blatt vor den Mund nimmt, hat sich mit dem befaßt, worauf unsere soziale Gemeinschaft fußt: den Kindern – bzw. dem, was früher Hermann, Jochen oder Astrid hieß und jetzt Jimmy Blue, Cheyenne Savannah, Don Hugo oder schlicht Schantalle gerufen wird. „Babys sind alle süß – aber seht mal, was hinterher für Asis rumlaufen!“ Mit Vergnügen folgten die Besucher jüngst in der ausverkauften Lenneper Klosterkirche dem verschmitzten Blondschopf bei seinen gerne auch mal scharfen Sottisen, bei denen er Fakten und Namen nennt: fette, Juniortüten verschlingende Adipositas-Kinder, auf die ihre von der Super-Nanny vorgeführten Asi-Eltern auch noch stolz sind („Nein, Kindergeld wird nicht nach Gewicht bezahlt“), verwöhnte Blagen, die auf Reisen im Familien Van ernährungs- und unterhaltungstechnisch bis zum Breitbildfernseher auf nichts verzichten müssen („Was hatten wir denn: ein hartgekochtes Ei und ein Quartettspiel, dann war Ruhe bis Innsbruck – Das Unterhaltungsprogramm waren die vier Schachteln Lord Extra, die unsere Eltern vorne geraucht haben.“) oder Roberto Blancos Tochter („Geht überhaupt nicht – die sieht aus wie Cindy aus Marzahn, mit ner Flatrate auf der Sonnenbank“). Nein „PC“ ist dankenswerterweise nicht sein Ding, wenn er über das Dreigestirn des Werteverfalls: Lothar Matthäus, Oliver Pocher, Jörg Kachelmann herzieht, Bushido einen IQ unter Zimmertemperatur bescheinigt, Daniela Katzenberger „das Sommerloch“ und nordicwalkende („das absolut  Peinlichste auf diesem Planeten“) Hausfrauengruppen „Stockenten“ nennt.
 
Guido Cantz, Jahrgang 1971, geboren in dem Jahr in dem seine Eltern zu „Night Fever“ tanzten, ist mittlerweile selbst Vater, kann aus eigenen Erfahrungen schöpfen und jagt mit einer Menge bissiger Späße am Stück sein Publikum von einer Lachattacke zur nächsten. Er staunt über den Kinderwagen mit Extras, für fast 1.000,- €: „Mein erstes Auto hat 500 Mark gekostet!“ Und: wie kriegt man ein Kind zum Einschlafen? Steinzeitmethode Keule, heiße Milch oder Sandmännchen? Wer kann heute noch einem trauen, der nachts durch Kinderzimmerfenster einsteigt und den Kleinen Pülverchen anbietet? Vielleicht das gute alte Kinderlied? „Poof, Kindchen poof" à la Udo Lindenberg kam jedenfalls gut beim Publikum an. Die Pointen gehen ihm ganze drei Stunden lang nicht aus, wobei er das Humor-Niveau durchgehend hoch hält und auch mit seinen Zweifeln an politischen Entscheidungen viel Zustimmung erntet: „Einen Raucherbereich in einer Kneipe einrichten, ist wie einen Pinkelbreich in einem Schwimmbecken“. Warum wohl Dr. med Philipp Rösler jetzt zum Wirtschaftsminister gewählt wurde? Eine Entscheidung wie von Frauen beim Autokauf: „Wir nehmen den niedlichen kleinen Asiaten.“ Daß die FDP keine vier Prozent mehr bei den Wählern hat, stört die nicht, „dem Brüderle genügen schon zwei Promille!“ Er lobt die Ehrlichkeit der Kinder, weil sie offen sagen „Der ist blöd!“ - und praktiziert sie selbst. 
Guido Cantz schenkt ungebrochenes Vergnügen über plärrende Kleinkinder, Sprachverwilderung bei Jugendlichen: „Ey Alder, isch brauch mehr Taschengeld oder was!“, aber auch bei Erwachsenen: „Mach dat Mäh mal ei!“, über Familien-Vans und Babyphon. Glanznummern auch seine Tafelwasser-Hitparade („…aber der Sprudel ist weg!“) und die Bestellung eines labbrigen 30-cm-Brötchens bei „Subway“.Und er zeigt sich als begabter Keyboarder, Parodist deutscher Stars und Liedermacher.
 
Wer da nicht herzlich über den alltäglichen Kinderwahn(sinn) lachen kann, darf getrost aufgegeben werden. Der hat den Schuß nicht gehört.
 
Weitere Informationen unter: www.guido-cantz.de