Herbert Wehner hätte nie getwittert!

Richard Rogler mit seinem Programm „Stimmung“

von Frank Becker

Richard Rogler
Herbert Wehner hätte nie getwittert!
 
Der Grantler Richard Rogler
mit seinem Programm „Stimmung“
 
Richard Rogleres Programm „Stimmung“ ist beinahe zwei Schwangerschaften alt, zehrt also noch von den Krisen 2009 – hat aber die bewegten Zeitläufe nicht spurlos vorüberziehen lassen, sondern gekreißt. Der Mutter Merkel und dem Kriegsminister mit dem falschen Doktorhut zu verdankende ergiebige Nachwuchs birgt alleine genug Material für einen ganzen Abend. Doch Richard Rogler hat soviel im kabarettistischen  Reisegepäck, dass ihm auch ohne die Aussitz-Kanzlerin und ihre christlich-demokratischen Vasallen der ätzende Stoff nicht ausgehen würde. Zwar kam er am vergangenen Dopnnerstag in der Remscheider Klosterkirche nur langsam in Schwung, doch einmal richtig in Fahrt, lässt er Dampf ab.
 
Denn Richard Rogler leidet: an der scheinheiligen Armutsdebatte: „Arme gibt es bei uns nur, weil sie es nicht so weit geschafft haben wie die Reichen.“, der inhaltlichen Leere von Reden des Rahmen steckenden (nicht stickenden!) Kulturstaatsministers: „Herr Neumann, was machen Sie beruflich?“, an Politikern allgemein: „Parteien sind Vereine für Menschen, die auf normale Art keine Freunde finden“, an von ihren elitebewußten Eltern überforderten Kindern, die vom Ballett bis zur Junior-Uni alles machen sollen und zu allem Elend auch noch (oder deshalb?) an Allergien leiden und besonders an hilflosen Akademikern zwischen Baumarkt-Hochregalen. Wir werden ihn später weiter zitieren, denn bei Roglers bösen Kommentaren zu gesellschaftlichen Ärgernissen lohnt das. Und wenn er feststellt: „Herbert Wehner hätte nie getwittert“, möchte man ihn ans Herz ziehen.  
 
Ihm geht gegen den Strich, was auch die meisten seiner Zuhörer umtreibt. Gemeinsam mit seinem Publikum lacht er sie aus: Aqua-Jogger und Ayurveda-Patienten, die Frau des Bundespräsidenten, die ein Tattoo trägt („Stellen Sie sich mal vor, Wilhelmine Lübke hätte…“), die Kind-Ministerin Christina Schröder, die Lebenserfahrungen reklamiert, welche sie noch gar nicht haben kann, Apotheker, bei denen Drogenhandel und Beschaffungskriminalität in einer Hand liegen, die Begrüßungs-Küsser („Hand ausstrecken, Tach! Und weg. So begrüßt man sich!“), Erziehungs-Sendungen im Fernsehen und immer wieder Angela Merkel, die er nun überhaupt nicht ertragen kann. Ob es ihr Abschreiten von Ehrenformationen ist, ihr händchenpatschender Applaus beim Fußball oder ihre Seins-Frage „Was hat eigentlich Carla Bruni, was ich nicht habe?“. Tja, das fragen wir uns auch.
 
Doch auch das Publikum kriegt schließlich seine Watschen, indem er sich über das Schnäppchen-Syndrom der Zugabenwünsche amüsiert: „Die Leute nehmen alles, was gratis ist. Das Schöne am Kabarett ist ja, dass es irgendwann aus ist! Wenn das Pferd, das Du reitest tot ist, solltest Du absteigen.“ Dann steigt er trocken lachend von der Bühne, schreitet an den Devotionalienstand und verscherbelt seine Publikationen: das Stück 5,- Euro, wer drei nimmt, bekommt eins dazu. Aha, Schnäppchen.
 
Weitere Informationen unter: www.richard-rogler.de