Turandot in Coburg

Grandioses Deutschlanddebüt für Sorina Munteanu

von Alexandr Hauer
Landestheater Coburg 

Turandot
 

Regie
: Detlef Altenbeck – Musikalische Leitung: Alois Seidlmeier – Bühne: Lars Peter – Kostüme: Diemut Remy – Videoprojektion: Danny Städtler – Fotos: Henning Rosenbusch, Coburg
Besetzung: Sorina Munteanu (Turandot) - Ernesto Grisales (Calaf) - Michael Lion (Timur) - Sofia Kallio (Liu) - Marek Reichert, Karsten Münster und Milen Bozhkov (Ping, Pang, Pong) - Jason Tomory (Mandarin) - Wolfgang Mühlenbeck (Kaiser)
Das Philharmonische Orchester Landestheater Coburg - Chor (Stefan Meier)
 
Es ist immer ein Risiko, im hiesigen  Winter eine Opernpremiere anzusetzen. Auch in Coburg hätte man fast den Kampf gegen die Januargrippe verloren. Fast, denn für die geplante Turandot Anja  Eichholz, auf diesem Wege liebe Besserungswünsche nach Würzburg, konnten Regisseur Detlef Altenbeck und GMD Alois Seidlmeier Sorina Munteanu für die Titelpartie gewinnen. Die grandiose rumänische Sängerin plante ihr Deutschlanddebüt eigentlich für Essen, aber diese Ehre wird nun Coburg zuteil. Frau Munteanu gab Puccinis kältester Frauenrolle, kombiniert mit hoher Schauspielkunst, die es ihr ermöglichte, diese komplizierte Rolle in kürzester Zeit einzustudieren,

Sorina Munteanu, Ernesto Grisales - Foto © H. Rosenbusch
Tiefe und Persönlichkeit. Ihr klug geführter dramatischer Sopran, klar und eindeutig in der Intonation, angenehm in der Höhe, berückend in den Pianos zeichnen eine Frau, die zwischen unerfüllter Sexualität, praktizierten Sadismus und erstem Verliebtsein changiert, ohne in Klischees abzudriften.
 
Calaf, der Kolumbianer Ernesto Grisales, war ihr ein ein ebenbürtiger „Gegner“. Seine lyrische Stimme, die aber auch mühelos dramatische Ausbrüche trägt, seine heldische Erscheinung, gestaltet den Tatarenprinzen als glaubwürdigen, bedingungslos Liebenden, der bereit zur Selbstaufgabe ist. Das andere, das eigentlich tragische Paar, in diesem ursprünglich von Gozzi als Komödie konzipierten Stück sind Timur und Liu. Michael Lion gibt dem entthronten Tatarenfürsten menschliche Tiefe. Sein profunder Baß, seine unbedingte Hingabe an die Konzeption der Regie zeichnen einen vom Schicksal gebeutelten Menschen, der nur mit Hilfe seiner Sklavin Liu überleben kann. Und eben diese Liu wird von der jungen Finnin Sofia Kallio gegeben. Die Strahlkraft ihrer Stimme bewies sie schon als Pamina und Gilda, aber ihre Liu übertraf alle Erwartungen. Perfektion in Stimme und Darstellung jenes unglücklich verliebten Mädchens.
 

Marek Reichert, Karste Münster, Milen Bozhkov - Foto © Henning Rosenbusch
Marek Reichert, Karsten Münster und Milen Bozhkov gaben die drei Minister Ping, Pang und Pong. Ihnen oblag der Comic Relief, die Gelegenheit zum Luft holen und zur kurzen Entspannung. Die drei überzeugten in allen Bereichen, auch dank der choreographischen Beratung durch Ballettchefin Katharina Thorwesten. Jason Tomory gab der kurzen Partie des Mandarin Substanz, genau wie Wolfgang Mühlenbeck dem Kaiser von China Altoum. Stefan Meier löste die Aufgabe, den verstärkten Chor und den Kinderchor einzustudieren erwartungsgemäß souverän.
Alois Seidelmeier bewies zum wiederholten Male, daß das Philharmonische Orchester Landestheater Coburg zu den führenden Klangkörpern in Bayern zu zählen ist.
 
Das Bühnenbild von Lars Peter, eine strahlendweiße Treppenkonstruktion, die durch Beleuchtung und Videoprojektion von Danny Städtler stets neue Räume erlaubte, und in ihrer Sauberkeit im Gegensatz zur blutigen Handlung stand, erlaubte eine geschlossene Aufführung der Oper ohne längere Umbaupause. Diemut Remy schuf mit ihrer Kostümgestaltung eine klare gesellschaftliche Trennung. Hier der Chor, eine gesichtslose, gleichgeschaltete Masse, Erinnerungen an die Maozeit drängen

Sofia Kallio - Foto © Henning Rosenbusch
sich auf, da der Hof in üppigster asiatischer Pracht. Brokat und Seide definieren die Regierungsclique und ihren sorglosen Lebensstil.

Detlef Altenbeck verläßt sich in seiner Turandot auf solide Handwerkskunst. Er verzichtet auf Experimente, zeigt eine Gesellschaft, in der Sterben zur Selbstverständlichkeit wird, ja Kinder mit den abgeschlagenen Köpfen der glücklosen Freier spielen können. Das Volk selbst ohne jedes Selbstbewußtsein und damit auch unfähig zum Widerstand gegen das Terrorregime Turandots. Die drei Minister, selbst am Hofe gefangen, flüchten sich in Tagträume von der Heimat, während sie den Toten die letzte Ehre erweisen. Turandot ist jenes zum Mitleid unfähige, fehlgeleitete Mädchen, das sich durch den Selbstmord Lius geläutert, zur liebesfähigen Frau wandelt, die sich ihrem Mann unterwirft. Liu, die einzig wahre Liebende, bereit das Leben ihres Idols zu retten, richtet sie sich selbst. Kalaf erkennt diese Liebe nicht, ja tritt für seine schwärmerische, masochistische Liebe zur dominanten Frau die Ergebenheit mit den Füßen, gefährdet gedankenlos das Leben seiner Familie. Altenbeck gelingt in dieser Produktion wieder mal eine perfekte, überzeugende Personenregie, die für jeden verständlich ist.

Redaktion: Frank Becker