„Die Schändung der Lukrezia“

Glanzvolle Saisoneröffnung in Gera

von Alexander Hauer
Bühnen der Stadt Gera 
 

„Die Schändung der Lukrezia“
Oper von Benjamin Britten
 
Saisoneröffnung mit Glanz
 
Regie: Matthias Oldag – Bühne: Thomas Gruber – Musikalische Leitung: Jens Troester (Orchester der Oper Gera) - Fotos: Stephan Walzl
Besetzung: Martin Häßler (Collantinus) – Birger Radde (Tarquinius) - Solgerd Isalv (Lukrezia) - Fritz Freilhaber, Bianca Koch (Erzähler) - Sindre Øgaard (Junius) - Alexandra Büchel (Lucia) - Christina Bock (Bianca)
 
Moral: Zweifel erlaubt
 

Sindre Øgaard, Martin Häßler, Birger Radde
Drei junge Soldaten beim Saufen. So läßt Matthias Oldag im Bühnenbild von Thomas Gruber die Oper starten. Zwischen Bomben und Tarnnetzen redet man über die Frauen und ihre Untreue. Einzig die von Collantinus - überragend Martin Häßler, den Jungen sollte man im Auge und im Ohr behalten - Lukrezia, soll treu sein. Das kann sich Tarquinius, der Prinz von Rom, seines Zeichens der Platzhirsch, nicht vorstellen. Ein schneller Ritt nach Rom, ein schneller Besuch bei Lukrezia, die Verführung gelingt, oder gelingt nicht und endet deshalb in einer Vergewaltigung - oder Lukrezia bildet sich diese Verführung/ Vergewaltigung nur ein - in Brittens zweiter Fassung, bleibt dies alles etwas unschlüssig. Fakt am Ende ist: Lukrezia tot, obwohl ihr Mann ihre „Schuld“ vergibt.
 
Sperriges Kleinod
 
Benjamin Brittens Werk aus dem Jahr 1946 ist ein musikalisches Kleinod, das sich nicht direkt offenbart. Zu sperrig, zu ungewohnt für unsere Hörgewohnheiten kommt das Stück daher. Auch die Handlung erobert sich nicht direkt die Herzen. Die Heldin ist keine Butterfly, keine Violetta, bei der man direkt bereit ist mitzuleiden. Trotzdem gelingt es Regieprofi Matthias Oldag, das Stück über seine Untiefen zu führen. Aber nicht nur seine stramm an der Musik und am Libretto haftende Inszenierung, auch die ausgewogene musikalische Leitung durch Jens Troester macht aus der Nachkriegsoper einen unvergeßlichen Abend.
 
Überzeugendes Ensemble
 

Martin Häßler, Solveig Isalv
Das junge Ensemble überzeugt genauso. Birger Radde gelingt der Balanceakt, seinem Tarquinius Tiefe und Zartheit zu verleihen. Er reitet ja nicht nach Rom, um Lukrezia zu vergewaltigen sondern um ihre Keuschheit zu testen. Zusammen mit Solgerd Isalv als Lukrezia gelingt eine der innigsten und doch brutalsten Szenen der Opernliteratur. Fritz Freilhaber und Bianca Koch, Erzähler, agieren als griechischer Chor. Sie kommentieren das Geschehen, ziehen Rückschlüsse und verwiesen dann auf die christliche Erlösung. Alexandra Büchel als naive Lucia und Christina Bock als Bianca geben die beiden gegensätzlichen Dienerinnen Lukrezias. Nach Lukrezias Freitod führen Collantinuns und Junius (Sindre Øgaard) das Volk von Rom in eine Revolution. Und genau darin lieg dann die Tragik dieser Oper, Der Tod der Heldin spielt keine Rolle mehr.
 
Trotz, oder besser wegen der kargen Ausstattung, die volle Konzentration auf das Wesentliche garantierte, aber vor allen Dingen wegen der musikalischen Leistung des Orchesters und dem durchweg hervorragendem jungem Ensemble wurde die Saisoneröffnung der Geraer Oper zu einem mit begeistertem Applaus belohnten Abend .

Weitere Informationen unter: www.tpthueringen.de/

Redaktion: Frank Becker