Straßennamen mit Makel

Christiana Brennecke (Hrsg.) – „Umbenennen?!“

von Sabine Kaufmann


Spanische Allee
 
Straßennamen mit Makel
 
Der Streitfall Straßenumbenennung findet in jüngerer Zeit immer heftiger statt, je weniger einige notorische Besserwisser Vernünftigeres zu tun haben. Ausweitend auf die Literatur und Firmennamen finden ideologische Schlachten statt, die zum Beispiel im Kampf um die Mohrenapotheken und –straßen des Landes oder um die Deutung der Herkunft des kleinen Negerjungen Jim Knopf aus Michael Endes unschuldigem Kinderbuch gleichen Namens bis ins Lächerliche Kabolz schlagen.
 
Etwas anders allerdings liegt es bei Straßen- oder gar Städtenamen, die sehr oft nicht als belastet erkannt werden können, mitunter jedoch leicht erkennbare Bezüge zu einer historisch zweifelhaften Geschichtsphase zeigen. Denken wir z.B. an die Berliner Stalinallee, die nach dem Tod des Namensgebers flugs wieder die alte Frankfurter Allee wurde, an Chemnitz, das während des sozialistischen DDR-Versuchs in Karl-Marx-Stadt umgetauft wurde und nun wieder Chemnitz heißt oder die Allee in Wuppertal-Barmen, die während der Nazi-Diktatur zur Adolf-Hitler-Straße wurde, nach 1945 wieder kurzzeitig Allee und seither als Friedrich-Engels-Allee firmiert.
Auslöser für Straßenumbenennungen ist stets ein politischer Umbruch bzw. gesellschaftlicher Wandel. Man möchte den politisch-historischen Makel loswerden, der plötzlich mit klarem Blick erkennbar wird. Daß man die Schlächter des braunen 3. Reichs so schnell wie möglich loswerden und ihre Namen und Taten von den Straßenschildern und Gedenktafeln entfernt ist ebenso einsehbar wie der Wunsch, ihre roten Spießgesellen und Massenmörder der Ära der UdSSR aus dem Öffentlichkeitsbild zu eliminieren.
 
„Auf Berliner Straßen ereignet sich Geschichte - an wechselnden Straßennamen zeigen sich historische Umbrüche und gesellschaftlicher Wandel. Dahinter stehen wechselnde Deutungshoheiten über Erinnerungskultur im öffentlichen Raum“, heißt es im Begleittext zu einer Ausstellung, die im März in Steglitz eröffnet wurde und noch bis Juni 2026 mit Stadtführungen und Veranstaltungen durch die zwölf Berliner Bezirke tourt. (https://umbenennen.berlin/kalender-2025-26/).
 
Im Blick der Ausstellung und des hier vorgestellten Begleitbuchs stehen vor allem die Straßennamen im Berliner Südwesten (Steglitz / Zehlendorf) die nach der Umgestaltung des öffentlichen Raumes im Nationalsozialismus zum Teil erhalten geblieben sind. Man muß erst mal darauf kommen, daß Himmelssteig, Im Kinderland und Spanische Allee NS-Bezüge haben. Die Bedeutung von Straßennamen als Identitätsträger bewußt zu machen und die bis heute mangelhafte Repräsentation von Frauennamen im Berliner Stadtraum sind die Hauptanliegen des Projektes, das sicher auch Kontroversen auslöst, aber gewiß nur ein erstes Aushängeschild eines erstarkenden Bewußtseins ist. Das gründlich recherchierte Begleitbuch „Umbenennen?!“ ist eine wertvolle Lektüre.
 
Christiana Brennecke (Hrsg.) – „Umbenennen?!“
Straßennamen und ihre Geschichte im Berliner Südwesten
Mit Beiträgen von Dieter Fitterling, Claudia von Gélieu, Thomas Irmer, Tom Werner, Armin A. Woy, Christiana Brennecke
© 2025 Gebrüder Mann Verlag, 85 Seiten, gebunden, 245 x 173 mm, mit 28 Farb- und 10 S/W-Bildern - ISBN-13: 9783786129318
25,- €
 
Weitere Informationen: www.gebrmannverlag.de