Vergnügliches Sterben durch Audrey Zwo

Der kleine Horrorladen im Eduard von Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz

von Alexander Hauer
Sterben kann man so und so, bei Mushnik auch durch Audrey Zwo


Der kleine Horrorladen (Little Shop of Horrors)
im Eduard von Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz
Nach dem Film von Roger Corman - Drehbuch von Charles Griffith
Buch und Liedtexte von Howard Ashman - Musik von Alan Menken
Deutsch von Michael Kunze

Musikalische Leitung: Dieter Klug  -  Regie: Steffen Kaiser  -  Ausstattung: Gerrit Schulze Uphoff  -  Choreographie: Sigrun Kressmann

Besetzung:
Seymour: Frank Unger  -  Audrey: Maria Richter  -  Audrey II: Bettina Corthy-Hildebrandt  -  1. Girl u. a.: Bettina Grothkopf  -  2. Girl u. a.: Marita Posselt  -  3. Girl u. a.: Tatjana Conrad  -  Orin: Nenad Zanic  -  Muschnik: Matthias-Stephan Hildebrandt  -  Kunde: Albrecht Hunger  -  Moderatorin: Juliane Roscher-Zücker  -  Bernstein: Karl-Heinz Queißer  -  seine Assistentin: Ute Bräuer  -  Agent: Matthias Pohl  -  Mrs. Luce: Ruoqi He / Christine Richter
 
Der Siegeszug der bösen Pflanze

Als Roger Corman 1960 seine Warnung vor der Weltherrschaft des Kommunismus in Hollywood auf

Audrey 
(Maria Richter) und Seymour (Frank Unger) 
die Leinwand brachte, dachte er sicherlich nicht im Traum daran, daß seine Mär vom Blumenladen einmal eines der beliebtesten Musicals der Welt werden sollte. 1982 schufen Alan Menken und Howard Ashman einen der größten Off-Broadwayerfolge, der vier Jahre später verfilmt wurde und so eine Lawine von Nachinszenierungen auslöste. Der Siegeszug der bösen Pflanze war nicht mehr aufzuhalten. Nun ist das maliziöse Geschöpf auch in Annaberg-Buchholz angekommen und betreibt dort sein blutiges Geschäft. Blutiges Geschäft?
Quicklebendig mordet es im kleinen, engagierten Eduard-von-Winterstein-Theater gänzlich unblutig. Aber genau darin liegt ja die Gefahr, man kann dieses auf den ersten Blick liebenswerte Wesen doch unterschätzen, wenn es zunächst dem Underdog Seymour (Frank Unger) gegen den Unbill der Welt hilft. Aber das dicke Ende kommt dann doch noch.
Steffen Kaiser stellt ein gut gemischtes Ensemble aus Opernsängern und Schauspielern auf die Bühne. In der variablen Ausstattung von Gerrit Schulze Uphoff spielen sich das Elend und der Glanz eines heruntergekommenen Viertels ab. Gewagte Farbkombinationen in Dekoration und Kostüm lassen die späten 50er Jahre Revue passieren.
 
Kerniger Sound


1. Girl (Bettina Grothkopf), Seymour, 3. Girl (Tatjana
Conrad), 2. Girl (Marita Posselt) und Audrey II
Dieter Klug und seine Horrorladen Band liefern einen bemerkenswert kernigen Sound, treiben die Sänger zu Höchstleistungen an. Das Trio der drei Gören, eigentlich ein griechischer Chor, Crystal (Bettina Grothkopf), Chiffon (Marita Posselt) und Ronette( Tatjana Conrad) sind gestandene Operninterpretinnen, die sich aber sicher auf dem glatten Boden des Musicals bewegen. Ihre kleinen Gesangsnummern werden zu einigen der Höhepunkte des Abends. Leander de Marel gibt einen unglaublichen Schmierlappen von Mr. Mushnik ab, stimmlich wie tänzerisch ihm ebenbürtig das Liebespaar Seymour und Audrey (Maria Richter). Diese beiden Gossenkinder erleben einen kometenhaften Aufstieg, ohne jedoch an Liebenswürdigkeit zu verlieren. Beide behalten ihre goldenen Herzen, auch in eleganter Kleidung.


Audrey II mit souligem Alt

Aber wie immer, die wirklich Bösen sind die eigentlichen Stars. Der eine erlebt den zweiten Akt nicht

Seymour (Frank Unger), Audrey II  (Bettina Corthy-
Hildebrandt) und Muschnik (Matthias-Stephan Hildebrandt )
mehr. Super-Sado-Macho Orin schließt seine Praxis schon im ersten Akt. Nenad Zanic gibt diesen Dreckschauvi auf beängstigende Weise. Unterstrichen durch seine Rockerklamotten, die aus der Sadoabteilung gewisser Fachgeschäfte stammen könnten, besticht er durch Körperhaltung und Gestus. Bettina Corthy-Hildebrandt gibt mit souligem Alt eine bewegliche Pflanze. Audrey Zwo sitzt nicht brav in ihrem Tontopf, nein, sie bewegt sich frei über die Bühne, greift ins Geschehen ein und bestimmt so aktiv den Handlungsverlauf. Sämtliche Nebenrollen, die im Original von Orin gespielt werden, sind in Annaberg mit einzelnen Darstellern besetzt. Das führt zwar zu ziemlichen Wartezeiten für den Einzelnen, ergibt aber einen veritablen Schlußchor.
Ein vergnüglicher Abend ging viel zu früh zu Ende, man wünscht dieser Inszenierung eine längere Laufzeit.


Die nächsten Vorstellungen: 24.1., 3.2. und 6.2. - Anfangszeiten und

weitere Informationen unter: www.winterstein-theater.de

Redaktion: Frank Becker