Paris Helau!

Klamauk-klamottiges "Pariser Leben" in Düsseldorf

von Andreas Rehnolt
Klamauk-klamottiges "Pariser Leben"
in Düsseldorf
 
Bizarre Typen, grelles Bühnenbild und schmissige Musik lassen die Inszenierung von Jacques Offenbachs Operette zum karnevalesken Erlebnis werden
 
 
Düsseldorf - Das Schauspielhaus hat am vergangenen Samstag ein Stück Karnevalstheater auf die Bretter im Großen Haus gebracht. Die 1866 in Paris uraufgeführte Operette "Pariser Leben" geriet in der Inszenierung von Hermann Schmidt-Rahmer zu einem klamauk-klamottigen Stück, das hervorragend in die heiße Phase des närrischen Treibens paßt. Interessenten sei geraten, sich auf das rund 160 Minuten lange Spaß-Theater einzulassen und nicht nach Hintergründigem zu suchen. Dann ist das streckenweise derb-vulgär daherkommende Stück durchaus angenehm. Dafür sorgen neben einem grellen Bühnenbild (Thomas Goerge )13 bizarre Typen auf der Bühne und ein 10-Mann Live-Orchester mit dem Schwerpunkt Blasmusik.
 
Zauberhaft ist schon der Einstieg. Thomas George hat den Gare-du-Nord als Bahnhof der französischen Metropole mit Sesseln, Sofas, einer Art Wartehaus und einer Spiegzeugeisenbahn  ausstaffiert. Dem Zug entsteigen der schwedische Baron von Gondremarck (Götz Schulte) und seine blonde, dauer-lächelde Gemahlin (Katrin Röver), die beide jeweils das ihre in Paris erleben wollen. Dafür stellt sich ihnen der Gauner und Lebemann Raoul de Gardefeu (Markus Scheumann) zur Verfügung, der sie allerdings nicht - wie gewünscht - ins Grand Hotel, sondern in seine eigene Bleibe bringt. Dort treiben es zwei Bedienstete - ein Schuhfetischist und eine Putzhandschuh-Fetischistin reichlich bunt, und am Abend gesellt sich dann ein un-illustrer Haufen weiterer Habenichtse hinzu, um dem finanziell potenten Paar aus dem kühlen Norden bei einem vorgeblichen Promi-Dinner Lust zu machen.
 
So manch ein Zuschauer wird sich an eine seiner eigenen Paris-Reisen erinnert haben, als etwa die hohen Preise in der Stadt der Liebe angesprochen werden. Und obwohl Gardefeus Kumpel Bobinet - grandios der teilweise mit nacktem Po spielende Michael Schütz - meint, die Stadt sei "abgeschmackt und ohne Stil" und alles sei "nur Fassade" und aufs Geld aus, kriegt man bei diesem "Pariser Leben" durchaus Lust auf die nächste Tour de Paris. Wie singt doch die Baronin so süß und durchaus musikalisch: "Paris soll mein Paradies sein." Ihr reichlich verklemmt daherkommender Gatte dagegen sucht nur "die dicken Mädchen mit den langen Beinen." Wenn er mit Zylinderhut und Anzug eins ums andere Mal trällert: "Heut' möcht ich lustig, lustig, lustig sein", dann klingt das eher bedrohlich.
 
Die Bagage, die dafür sorgen soll, daß Gardefeu sich der Baronin in Ruhe widmen kann, ist in der Düsseldorfer Fassung außer Rand und Band. Da zotteln nackte Brüste, wabern Bäuche und hängen Luftballons an Busen. Alles in diesem Pariser Theater - egal ob Variette, Club oder Puff. Nichts ist wirklich das, als was es dem lüsternen Baron verkauft und vorgespielt wird. Die Nacht, die er sich mit einem guten Dutzend nuttig ausstaffierter Dienstmädchen einer Villa um die Ohren schlägt, hat's in sich. Traumhaft, wie er immer mehr sexuell entfesselt durch die rotierenden Drehtüren tappt und den drallen, lockenden Schönen auf den Leim geht. Und wenn er sich am Tag danach darüber wundert, daß er schon wieder das erlebt, was er schon gesehen hat und fragt, was daran denn nun anders ist, heißt es schlicht: Der Preis ist anders.
 
Am Ende der Offenbach-Variante, die schon vor über 140 Jahren der Stadt der Liebe einen ironisch-kritischen Spiegel vorgehalten hatte, gerät das Bühnen-Spiel ein wenig zäh. Wenn gar Elvis mit "Now or never" oder Frau Marthe aus Kleists Zerbrochnem Krug bemüht wird und im Hintergrund des Bühnentreibens per Dia eingeschleppte Dinosauerier sich ihrer tierischen Lust hingeben und dabei Bundespräsident Köhler und Bundesfamilienministerin von der Leyen zerfetzen, stöhnt man als Zuschauer schon mal auf. Doch wenns am Ende mit orchestralem Tschingderassa-Bumm heißt, "Jetzt geht's los, hemmungslos, gnadenlos....", dann schunkelt man in den engen Sitzreihen des Düsseldorfer Schauspielhauses wieder mit. Insgesamt eine tolle Ensemble-Leistung und - wie gesagt - passend zur Jahreszeit.
 
Der Applaus war ehrlich, heftig, lang und wohlverdient.
 
Weitere Informationen unter: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de