A Night in Seattle

„Brother“ Jack McDuff live at Parnell´s

von Frank Becker

A Night in Seattle
 
Erinnerungen an eine Jazz-Epoche
 
In diesen Tagen hört man im Jazz immer öfter wieder ein Instrument, das in den 1960er Jahren großen Einfluß auf die musikalische Szene hatte und durch legendäre Interpreten den Globus umspannenden Erfolg hatte. die Hammond B-3. Die Namen der Großen an diesem wuchtigen Gerät klingen noch immer nach: Jimmy McGriff, Walter Wanderley, Jimmy Smith, Wild Bill Davis, Ingfried Hoffmann, Richard „Groove“ Holmes und „Brother“ Jack McDuff. Um Letzteren geht es heute, denn dank eines wahrhaft kostbaren Fundes sind Mitschnitte einer Konzertsession aufgetaucht, die McDuff im Juli 1982 im „Parnell´s“, Seattles damals angesagtem Jazzclub mit seinem Quartett gegeben hat und die der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben sind. Der Tontechniker des Clubs, Scott Hawthorn, hatte diese Aufnahmen mit dem zu jener Zeit populären Musicassetten-System eigentlich für private Zwecke gemacht und auf C60 Cassetten konserviert. Daß sie nach 40 Jahren noch immer brauchbar sind, widerlegt den Aberglauben, Musicassetten würden mit den Jahren ihre Inhalte verlieren bzw. verblassen lassen.
 
Claudio Passavanti von Dr Mix (für die CD-Version) und Frank Merrit von The Carvery (für die LP-Version) nahmen sich des alten Schätzchens an und siehe da, im CD-Spieler liegt ein hervorragend renoviertes, brillantes Jazz-Zeitzeugnis einer ausklingenden Hammond B-3-Ära. Der Zenit des beliebten Instruments war überschritten, die Helden der 60er und 70er mußten sich anderen Formaten zuwenden. 
„Live At Parnell’s“ präsentiert auf zwei CDs oder drei LP 15 stimmungsvolle Aufnahmen, mal funky, mal swingend, von ewigen Hits des American Songbook, darunter überwiegend gefällige Interpretationen von u.a. Blues in the Night (Harold Arlen), Satin Doll (Duke Ellington) und Lover Man (Jimmy Davis, dazu fünf eigene Kompositionen McDuffs. Am spannendsten ist für mich bei solchen Konzert-Aufnahmen immer, wie die Musiker einen Titel auflegen, an den sich nicht jeder traut: A Night in Tunesia, Dizzy Gillespies Paradestück. Hier eröffnet das Ensemble mit einem atemberaubenden Solo von Danny Wollinskis Tenorsax, in das Henry Johnson mit seiner Gitarre nach 3:20 virtuos einsteigt, während sich McDuff noch im Hintergrund hält, dann aber bei 5:20 übernimmt und, um das Booklet zu zitieren, sich den „Arsch abspielt“. High Voltage! Bei 7:00 leitet Johnson zu Garrick Kings Schlagzeug-Solo über, das sich zum Dialog mit McDuffs Hammond entwickelt und bei 9:00 das Saxophon wieder nach vorne läßt, das dann im Verein mit allen nach epischen 10:15 den Ausklang gestaltet. Allein diese Aufnahme ist das ganze Album wert.
 
Aber dann sind da ja noch Billy Strayhorns Take the A Train und Benny Golsons Killer Joe, zwei weitere Highlights dieser Session. Das Material der zwei CDs in ihrer ausgzeichneten Tonqualität ist auch auf drei LP zu haben. Die Musik „Brother“ Jack McDuffs hat die Jahrzehnte dank der sorgfältigen Restaurierung der C60 Musicassetten aus dem Jahr 1962 schadlos überstanden, und die Veröffentlichung jetzt schließt eine Lücke in der Geschichte eines der maßgeblichen Jazz-Organisten der 60er Jahre.
 
Jack McDuff live at Parnell´s
© 2022 Soul Bank Music / !K7 (2 CD)
Jack McDuff (Hammond B-3) – Danny Wollinski (ts) – Henry Johnson (g) – Garrick King (dr)
 
CD 1: 1. Make It Good - 2. Untitled D Minor - 3. Deja vu - 4. Fly Away - 5. Another Real Goodun' - 6. Blues In The Night  - 7. Satin Doll  8. A Night In Tunisia
Zeit:  1:08:27
CD 2: 1. Killer Joe - 2. Greensleeves - 3. Take The A Train - 4. Wives & Lovers - 5. Walkin' The Dog - 6. Lover Man - 7. Blues 1 & 8   
Zeit: 50:20
 
Weitere Informationen: www.willwork4funk.com/