Das „Weiße Rössl“ als Culture Clash-Komödie

von Daniel Diekhans

Ensemble - Foto © Chris Gonz

Das „Weiße Rössl“ gefällt als Culture Clash-Komödie
 
Das Tournee-Theater „Euro-Studio Landgraf“
präsentiert „Im weißen Rössl“ pointiert und schmissig
 
Singspiel von Hans Müller und Erik Charell frei nach dem gleichnamigen Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg.
Mit Gesangstexten von Robert Gilbert und Musik von Ralph Benatzky.
 
Inszenierung: Claus Jürgen Frankl - Musikalische Einstudierung und Leitung: Johannes Zurl - Bühnenbild: Hans Ellerfeld - Kostüme: Marie Landgraf - Choreographie: Torsten Händler
Besetzung: Antje Bornemeier (Josepha, Wirtin vom „Weißen Rössl“), Herman Wallén (Leopold, Zahlkellner), Jan Reimitz (Dr. Otto Siedler), Bernd Gebhardt (Wilhelm Giesecke, Fabrikant), Frauke Becker (Ottilie Giesecke, Tochter/ Kathi, Briefträgerin), Maximilian Nowka (Sigismund Sülzheimer), Jürgen Strohschein (Der Piccolo), Alois A. Walchshofer (Professor Hinzelmann/ Kaiser Franz Joseph I.), Marie-Audrey Schatz (Klärchen Hinzelmann, Tochter/ Stubenmädchen)
 
Im Salzkammergut...
 
Knallrote Lederhosen und schwarz-rot-goldene Krawatte – dieses Kostüm sagt schon alles über Wilhelm Giesecke, die heimliche Hauptfigur im „Weißen Rössl“. Den Urlaub am Wolfgangsee genießen? Von wegen! Der Berliner will auch hier Streithahn sein. Rot ist deshalb auch ständig das Gesicht von Darsteller Bernd Gebhardt. Man sieht förmlich seine Zornesader anschwellen und seinen Schnauzbart zittern, wenn er wieder lospoltert. Gegen die „Ösis“, ihre unverständliche Sprache und – am allerschlimmsten – ihr furchtbares Essen.
 
„Im weißen Rössl“ war eine Culture Clash-Komödie, lange bevor es das Wort überhaupt gab. Aus dem gleichnamigen Schwank, 1897 uraufgeführt, machten der Deutsche Erik Charell und der Österreicher Ralph Benatzky 1930 ein satirisches Singspiel über die Eigenheiten ihrer jeweiligen Landsleute. Trotz Happy Ending herrscht also wenig Harmonie zwischen „Piefkes“ und „Ösis“ – und das streicht die Inszenierung des Tournee-Theaters „Euro-Studio“ deutlich heraus.
Dabei gibt sich Ausstatter Hans Ellerfeld alle Mühe, diesen Eindruck zu erwecken. Die Besucher im Remscheider Teo Otto Theater sahen einen Hotelbau, der wie eine überdimensionierte Kitschpostkarte wirkt. Auf die Fassade ist ein Tannenwald mit Hirsch gemalt. Ein Alpenpanorama krönt die Aussichtsplattform. Gut ins Bild paßt auch das Quartett in Trachtenanzügen, das sich am Bühnenrand um den musikalischen Leiter Johannes Zurl versammelt. Neben den folkloristischen Tönen auf Geige und Klarinette bringt sich Sebastian Blaches Jazz-Schlagzeug ein. Spätestens wenn Moritz Köther zum Saxophon greift, klingt das Ganze mehr nach „Dreigroschenoper“ als nach Alpenmusik.


Szene - Foto © Chris Gonz

Es muß was Wunderbares sein

Das wiederum paßt zu der ordentlich auf Pointen gespielten Handlung. Denn am „Weißen Rössl“ interessieren Regisseur Claus Jürgen Frankl vor allem die Störenfriede, die das Idyll hintertreiben. Nicht nur Griesgram Giesecke hat da die Freiheit, sich auszutoben. So darf Gebhardt mit durchdringender Stimme von den Orten singen, wo er lieber wäre („Treptow! Wannsee! Grunewald! Müggelsee!“). Nur wenn das Ensemble tanzt, fügt er sich gerne ein. Dann sieht man den „Preußen“ sogar mit einem Schuhplattler, der nicht von schlechten Eltern ist.
Herman Wallén spielt den anderen großen Störenfried. Als liebeskranker Zahlkellner Leopold bringt er erst den Hotelbetrieb und dann die „Rössl“-Wirtin gehörig durcheinander. „Ein Kellner ist auch ein Mensch“, lautet sein Wahlspruch, den er zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten anbringt. Mit seinem Frack aber, den Ausstatterin Marie Landgraf für ihn ausgesucht hat, sieht Wallén aus wie ein Opernsänger. Schön, daß er auch so singt. Bei „Es muß was Wunderbares sein“ lernt man eine Stimme kennen, die Kraft und melodischen Schmelz mühelos vereint.
 
Ist Wirtin Josepha alias Antje Bornemeier auf der Bühne, könnte man meinen, sie sänge in einem fort. Da ist ihre Sprechstimme genauso melodisch und beweglich wie ihr Sopran. Das komische Sopran-Fach füllt Frauke Becker aus, die mal „Ich bin die Christel von der Post“ aus der „Vogelhändler“-Operette einstreut und dann wieder ein schmissiges Liebesduett mit Tenor Jan Reimitz (Gieseckes Intimfeind Dr. Siedler) anstimmt. Daß sie dabei noch einen flotten Steptanz hinlegen, sorgt für ein zusätzliches Vergnügen.
Ein sehr komisches Paar waren Maximilian Nowka und Marie-Audrey Schatz als Sigismund und Klärchen. Tanz und Gesang der beiden harmonierten perfekt. Ganz zu schweigen von dem Spiel mit künstlicher Glatze und anderen „Schönheitsfehlern“. Sympathieträger waren schließlich auch die Alois A. Walchshofer und Jürgen Strohschein. Der eine hatte die Ehre, den Kaiser Franz Joseph zu spielen und zu singen. Der andere durfte ihm – wie auch den anderen Figuren – als Piccolo freimütig die Leviten lesen: „Majestät haben schon so viele Böcke geschossen!“

’s ist einmal im Leben so
 
Nach gut zwei Stunden in Claus Jürgen Frankls „Im weißen Rössl“ kann man die Worte des Kaisers mit vollem Ernst aussprechen: „Es war sehr schön. Es hat mich sehr gefreut.“
 
Weitere Informationen unter:  www.landgraf.de