The Fashion

Giorgio Battistellis zweifelhafte Oper an Düsseldorf uraufgeführt

von Peter Bilsing

Giorgio Battistellis "The Fashion" - humorfreie naturtrübe Grätensuppe mit viel Klimbim und ohne jeden Sinn

Uraufführung an der Deutschen Oper am Rhein / Düsseldorf


„Ehret Eure … Meister, dann bannt Ihr gute Geister! Und gebt Ihr ihrem Wirken Gunst, zerging in Dunst, das Heil´ge Röm´sche Reich, uns bliebe gleich, die heil`ge … Kunst.“ (Richard Wagner)

Zu berichten ist über die englischsprachige Uraufführung des Auftragswerkes eines italienischen Komponisten an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf mit deutschen Übertiteln. Wow! Das ist Liberalität, das ist Multi-Kulti, wie wir es alle mögen. Eine musikalische Globalisierungsbombe schien angesagt. In der Landeshauptstadt wurde dieses „Meisterwerk“ als quasi-Event propagiert und


Ensemble (Mitte: Jeanne Piland) - Foto: DOR
zelebriert: THE FASHION - eine modische Oper in 12 Szenen, vom erfolgreichen Opernvielschreiber Giorgio Battistelli.

Und in der Tat war die bisherige Nachfrage dank ausgiebiger PR-Arbeit doch höchst bemerkenswert. An einem Opernhaus mit dem vielleicht konservativsten Publikum Europas, wo wir bei modernen oder zumindest scheinbar zeitgenössischen Stücken nicht selten mehr Menschen auf der Bühne als im Zuschauerraum wahrnehmen konnten, zeugten die praktisch ausverkaufte Premiere und die die immerhin noch zu gut ¾ besuchte 2. Premiere am 29.1. doch von einem Quantensprung an Publikumsinteresse.
Eine Oper über Mode in der selbsternannten Modehauptstadt Düsseldorf. Donnerwetter! Da muß selbstredend nicht nur für die Haute Couture der wahren Rheinmetropolen-Schickeria, sondern auch für deren C & A-Epigonen der alte Alf-Spruch gelten:

„Sei dabei, oder sei ein faules Ei !“

Intendant Prof. Dr. Tobias Richter rief und viele bedeutende Menschen kamen. Unkenrufer gehen davon aus, daß allerdings die wenigsten wirklich an einer modernen Oper interessiert waren. Ich möchte dies so spontan nicht bestreiten wollen und würde die zwei zumindest für die Opernfreunde & Musiktheaterfans unter den Lesern wichtigsten Fragen:  a) Wurde eine Lanze fürs zeitgenössische Musiktheater gebrochen? +  b) Hat man endlich neues, offeneres Publikum für den bejahrten rheinischen Musentempel, dessen Publikums-Altersdurchschnitt leider immer noch knapp unterm Renteneintrittsalter liegt, erschlossen?  - vorab mit einem vielleicht brutal erscheinenden NEIN beantworten.

Sukzessive:


Elisabeth Selle, Jeanne Piland, Steven Harrison - Foto: DOR
Kostüme – „Au weia! Oh je! Schrecklich!“ So die ersten Reaktionen von Fachleuten aus der internationalen Mode-Szene und etlichen Besuchern. „Sieht aus, wie im Kölner Karneval!“ Ich würde ergänzen, daß Stephen Galloways Entwürfe immerhin einen bunt-schrillen, nicht selten tuntigen Eindruck machen. Travestie! Ironischer Realismus, der garantiert bald auf die Düsseldorfer Schickimicki-Gemeinde abfärben wird. Leider das einzige Apercu dieses langweiligen Abends, das noch ansatzweise etwas Freude bereitete.

Szenario – „Das hätten wir uns aber geschmackvoller vorgestellt… alles wird leider so dargestellt, wie klein Lieschen Müller sich die Szene vorstellt!“, so zumindest die Geschäftsführer einer international renommierten Mode-Kette auf der Kö (Zitat RP). Die Bühne von Michael Simon sieht aus, als wäre man zur ersten Hauptprobe nicht fertig geworden oder das Haus sei Pleite gegangen. Nur unter uns: Das Baumhaus meiner Kinder hat nicht nur mehr Stil, sondern sicherlich auch erheblich mehr Originalität.

Die Story ist zum Haareinweichen: Hotel 5 Jahreszeiten: Die Modezarin Maria Maria präsentiert ihre neue an einer Fischphantasie (!) orientierte Kollektion, die vom eben entlassenen Zimmermädchen Meli (die darob verzweifelt in die Rolle des verhinderten Laufsteg-Megastars Tarquin geschlüpft ist) höchst erfolgreich präsentiert wird. Im Finale erscheint der eifersüchtige Tarquin und es gibt Komplikationen, Meli rastet darauf aus und erschlägt alle mit der
Schampusflasche – Ende!


Tony Rizzi, Steven Harrison, Elisabeth Selle, Anton Skrzypiciel
Foto: DOR

Libretto – Lassen wir den Librettisten Bob Goody live zu Worte kommen: „Anfang 2004 wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, das Libretto für eine Oper um die Mode zu schreiben. Eine komische Idee! Meine Kenntnisse von Oper waren gleich null und von der Mode verstand ich noch weniger, aber man meinte, ich wäre für das Projekt ideal geeignet, da ich so völlig unvoreingenommen herangehen könnte.“ Es staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, denn Bob hat´s realisiert. Und so stehen wir beeindruckt vor einem vielleicht neuen Da Ponte des 21.Jahrhunderts. Originalzitate: „Du bist die Butter auf meinem Brot“ oder „Du bist die Kruste an meinem Braten.“ Ich würde ergänzen: „Du bist die Made in meiner Marmelade !“ Goodie, well done Bob Goody! Really good! Aber vielleicht liegt es ja auch an einer schelmischen Übersetzung; wer auch immer diese, vielleicht sogar mit sabotagelüsternem Gedankengut, vollbracht hat. In Anspielung an den Originaltext schließe ich mit Dark – Shark - Quark!

Musik – Battistellis gefällige Moderne klingt für meine Ohren in den meisten seiner Werke gleich unverbindlich, aber sie nervte nicht so, wie die Handlung. Die gefühlten drei Stunden entpuppten sich, trotz des enormen Einsatzes von GMD John Fiore und einem hohen Qualitätsniveau der Düsseldorfer Symphoniker am Ende doch als nur locker abzusitzende 80 pausenlose Minuten. Das versöhnte!


Kirsten Leich - Foto DOR
Sänger – Hier sollten zwei bemerkenswerte Damen stellvertretend fürs insgesamt treffliche Ensemble genannt werden: Kristen Leich (Meli/Mel) ist eine Option auf die Zukunft, sie hat nicht nur die nötige Ausstrahlung und Stimmkraft für Größeres, sondern ist auch eine wirklich fabelhafte Darstellerin. Und Jeanne Piland, die Grand-Dame der DOR, war bezaubernd, wie immer; ihr gelang es wenigstens, so etwas wie „Kunst“ in diese Nichtigkeit von gähnendem Kunstgewerbes einzubringen.


Fazit: Das war wirklich unglaublich! Ich möchte jedem unser Leser dringend raten, dieses Event keinesfalls zu verpassen; nicht nur um mitreden zu können, sondern vor allem um zu erleben, was heutzutage Tolles möglich ist. Damit verabschiede ich mich in den Karneval - right into the 5. Season: Helau und Alaaf!

Ihr
Peter Bilsing