Cool, Boy!

Hinreißende Detmolder West Side Story

von Frank Becker

Foto © Björn Klein
Cool, Boy!
 
Hinreißende Detmolder West Side Story
 
Der schöne 50er-Jahre-Saal des Remscheider Teo Otto Theaters am vergangenen Pfingstsonntag komplett besetzt, das Publikum aus allen Generationen gelöst erwartungsfroh, der Anlaß: die „West Side Story“ in der aktuellen Detmolder Inszenierung von Kay Metzger. Seit 1957, als Arthur Laurents und Stephen Sondheim den Romeo und Julia-Stoff mit der wundervollen Musik von Leonard Bernstein und der kongenialen Choreographie von Jerome Robbins für das Musical adaptierten und spätestens seit der grandiosen Verfilmung 1961 durch Robert Wise, sind die Songs daraus von ungebrochener Popularität. Da kann fast jede(r) mitsingen und mitschnippen: „Prologue“ „Jet Song“ ,„Maria“, „Tonight“,  „America“, „I Feel Pretty“, „Cool“, „Somewhere“ und „Gee, Officer Krupke“ ist nur eine Auswahl der Titel, die Musical-Geschichte geschrieben haben.
 
Verona wird zur Bronx, die Montagues zur Straßengang der Jets, bereits in Amerika geborener Jugendlicher, die Capulets zu den verfeindeten neu eingewanderten puertoricanischen Sharks. Amerikaner sind sie alle, doch es ist im Kleinen wie im Großen stets die gleiche Geschichte: Machtgelüste, rassistische Vorbehalte auf beiden Seiten und Macho-Gehabe verhindern kluge Gespräche und friedliche Ko-Existenz. Daß sich dazwischen keine Liebe entwickeln kann, es schlechterdings nicht darf, wissen wir nicht erst seit Shakespeare.
So werden bei der „West Side Story“ seit 57 Jahren die Taschentücher in Theatern und Kinos bis an die Grenzen ihres Aufnahmevermögens gefordert, wenn sich die Bestimmung des tragischen Paars Maria/Julia und Tony/Romeo erfüllt: Tod als Mahnung zur Versöhnung. Gefordert sind auch jeder Regisseur, jedes Ensemble, die sich diesem perfekt konzipierten Stück stellen, das in Musik, Choreographie und Gesang keine Abweichungen oder Experimente verzeiht.
 
Kay Metzgers Inszenierung wird dem hohen Anspruch in der raffinierten beweglichen Bühne von Petra Mollérus mit der Choreographie von Richard Lowe, mal abgesehen vom etwas matten Mambo, durchweg in Soli und Ensemble-Nummern gerecht, die hitzig aufgeladene Stimmung der brodelnden Bronx konnte an diesem heißen Sommerabend besonders gut in den Saal überspringen. Den breiig überladenen Film-Kitsch der Alptraumsequenz hätte sich Metzger sich aber gerne sparen können.
Mit Leah Delos Santos stand am Sonntag in Remscheid eine berührende Maria auf der Bühne, Patrick Schenk als Tony auch in den zarten Duetten ebenbürtig an ihrer Seite, zwei hervorragende Musical-Stimmen. Dazu die charismatische Andrea Sanchez del Solar als Anita – eine junge Rita Moreno und für mich die am eindrucksvollsten verkörperte Rolle - sowie ein ganz hervorragendes Corps de Ballet: dynamischer Tanz, bewegende Darstellung runde Ensemble-Leistung. Perfekt.


A Jet is a Jet... - Foto © Björn Klein
 
Stark auch die Leistungen der „Erwachsenen“: Wolfgang von der Burg als mäßigender Drugstore-Besitzer Doc, Johannes Paul Kindler als rassistischer Lt. Schrank und Manfred Ohnoutka als Inspektor Krupke machten gute Figur.
Besonderes Lob gebührt dem begleitenden Orchester: Die Bergischen Symphoniker unter ihrem GMD Peter Kuhn lieferten zu diesem erfüllenden Abend Bernstein-würdig die phantastische Musik, womit sie ein weiteres Mal ihre brillante Qualität als sinfonischer Klangkörper mit Jazz- und Unterhaltungspotential unterstrichen.
 
Am 12. und 14. Juli gibt es die „West Side Story“ in dieser  Fassung noch zweimal in Solingen.