Die Freundin (2)

Erzählung

von Safeta Obhodjas
Die Freundin
Erzählung
 
Von Safeta Obhodjas


In der folgenden Woche lud Sonja mich ein, um mich mit Denis bekanntzumachen. Als ich kam, war er noch nicht eingetroffen. Das freute mich, ich war schon lange nicht mehr mit ihr allein gewesen. Sonja lächelte, und ich zerwühlte ihr zärtlich die Haare auf der Stirn; diese vertrauliche Geste war uns aus der gemeinsamen Jugendzeit geblieben. Wir scherzten beinahe albern miteinander. “Dana, er ist ein wundervoller Bursche”, sagte sie strahlend. “Ich kann dir das nicht beschreiben”, lächelte sie und drückte meine Hand. Ihre Handfläche war feucht vor Aufregung. “Ich bin glücklich, Dana, niemals habe ich so viel empfunden.” “Das freut mich, wirklich”, stieß ich hervor und dehnte die Lippen zu einem Lächeln. “Und wo hast du ihn kennen gelernt?”

“Das würdest du nie erraten. In einem Keller”, seufzte sie und faltete die Hände. Die ganze innere Zufriedenheit spiegelte sich in ihrem Gesicht. “Tatsächlich im Keller, in einem Lagerhaus. Du weißt, daß ich ein fleißiger Chef bin, daß ich nichts dem Zufall oder der Nachlässigkeit von irgendjemandem überlasse. Vergangenen Monat kam ich auf der Suche nach Möbeln für das Institut in dieses Lagerhaus und in diesen Keller. Als ich durch das hell erleuchtete Treppenhaus ins Halbdunkel der unterirdischen Räumlichkeit hinabgestiegen war, wo nur eine schwache Neonlampe an der Wand die einzige Lichtquelle bildete, fuhr ich schaudernd zusammen. Es kam mir vor, als sei ich in eine Falle geraten, deren Tür zugefallen war. Ich stellte mir schon vor, daß ich niemals mehr auf die Straße, in das Licht und die Frische des Aprilmorgens zurückkehren würde. Ich stieß einen Schrei aus, meine Stimme hallte von den Wänden wider.
Da sah ich ihn. Unerwartet trat er aus der Finsternis. Er betätigte einen Schalter, und Licht überflutete den ganzen mit Säcken und Paketen vollgestopften Raum. Ich zitterte, klapperte mit den Zähnen. Der junge Mann kam zu mir, lächelte und berührte freundschaftlich meine Hand.
‘Worüber haben Sie sich so erschreckt?’ fragte er und betrachtete mich neugierig. Vielleicht war er erstaunt, daß jemand wie ich, elegant gekleidet, in den Keller eines Lagerhauses kam.
‘Ich weiß nicht. Es ist hier kalt und unfreundlich, wie unter der Erde, nirgendwo ein Fenster und Tageslicht.’
‘Wenn Sie länger bleiben, gewöhnen Sie sich daran, so wie ich. Die Menschen gewöhnen sich ja auch an die Bergwerksstollen.’ In seiner Stimme war ein wenig Bitterkeit. Ich weiß nicht warum, aber plötzlich tat mir dieser unbekannte junge Mann leid, der seine Arbeitszeit unter der Erde zu verbringen hatte. Wir standen ein paar Augenblicke da, betrachteten uns gegenseitig, beide verwirrt. Dann besann ich mich, sagte, warum ich gekommen sei, und bat ihn, mir Sterilisatoren zu zeigen. Er antwortete, daß ich da leider auf seinen Chef warten müsse, er sei nur für das Tragen der Lasten verantwortlich. Ich setzte mich auf einen wackeligen Stuhl, den er mir anbot. Auf einem Miniherd kochte er uns Kaffee. Ich schaute ihm dabei zu. Er hatte ein langes, blasses Gesicht, eine hohe, gewölbte Stirn, unter der große, leicht fiebrige Augen glänzten. Auf der voll ausgeprägten Oberlippe lag so etwas wie Trotz, es ließ mich aber auch seine Sensibilität ahnen.
Wir kamen ins Erzählen. Ich kann mich nicht erinnern, wie das Gespräch begann, aber es faszinierte mich bald, was und wie er erzählte: Seine Worte führten mich aus diesem Keller und zu einem Spaziergang durch die italienischen Städte der Renaissance. Er zeigte mir Kirchengewölbe, geschmückt von der Hand Michelangelos. Dann gingen wir zu dem Tor, das dieser geniale Künstler in unserer Stadt am Meer geschaffen hatte. Ich merkte nicht, wie eine ganze Stunde verfloß. Da sein Chef nicht erschien, konnte ich mir nicht erlauben, zu bleiben. Ich versprach nicht, daß ich wiederkommen würde, aber ich wußte, es würde so sein.
 
Nach zwei Tagen war ich wieder da, mit einer ganzen Liste von Dingen für das Institut. Er lächelte, als er das Papier anschaute, er schien zu wissen, daß es nur ein Vorwand war, um ihn wieder zusehen. Er schlug vor, irgendwohin nach draußen zu gehen. Und dann, Dana... Schon ein ganzer Monat ist vergangen, und wir sind jeden Tag zusammen. Bei mir ist es nicht diese jugendliche Liebe, alles ist viel schöner, berauschender. Erinnerst du dich, wie Scholochov von der späten Frauenliebe gesprochen hat: ‘Sie blüht wie Bilsenkraut am Wegesrand.’ Jetzt ist alles anders; die Männer, mit denen ich intim verbunden war, beschützten mich immer und halfen mir. Diesmal möchte ich beschützen und helfen. Denis hat Architektur studiert. Als er im dritten Jahr war, geschah in seiner Familie ein schweres Unglück, und er wurde depressiv. Er verlor ein Jahr, dann ein zweites, und schließlich das Recht auf ein ordentliches Studium. In diesem Keller hat er einen Job bekommen. Er beabsichtigt, als Externer weiterzustudieren, aber dafür ist ein Haufen Geld nötig. Er hat ein paar Ersparnisse, ich habe auch etwas auf dem Sparbuch, so bekommen wir das Geld für die Immatrikulation zusammen... Aber ich weiß nicht, wie wir von meinem Gehalt leben sollen. Du verstehst, daß er die Arbeit wird aufgeben müssen. Dana, du verstehst mich, nicht wahr! Ich kann ihn nicht in diesem Keller lassen, er verfault mir dort. Er hat eine wunderbare Seele, und ich... Jeden Tag danke ich der Vorsehung, daß sie mich in seinen Keller geführt hat.”
Sonja beendete ihre Erzählung mit ebensoviel Begeisterung wie Melancholie im Gesicht. Sie schaute mich an, erwartete Zustimmung und Teilnahme an ihrem Glück. Aber ich wurde wütend. Wie naiv war sie? Ich wollte ihr sagen, sie solle noch warten, bis sie ihn besser kennen gelernt und sich vergewissert habe, daß er ihrer Hilfe auch wirklich wert sei. Aber da ging die Türglocke, und sie sprang auf, um ihm zu öffnen.
‘Soll sie ihm doch helfen’, dachte ich schäbig. ‘So wird ihre Enttäuschung noch größer sein, wenn er sie morgen verläßt.’ Ich setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf, während sie mich mit Denis bekannt machte. Er war ein großer Kerl mit asketischem Gesicht und großen, matt schimmernden Augen. Ja, er war der Typ, der es verstand, den Mutterinstinkt bei vereinsamten Frauen zu wecken, die sich vor leeren Tagen fürchteten. Ich ging bald, empfand mich als störend, aber ich flüsterte Sonja zu, als wir uns an der Tür küßten, ihr Denis sei wunderbar, und daß ich versuchen wolle, ihr zu helfen.
 
“Nein, das kann ich nicht, nicht so!” rief Sonja, als ich ihr zum ersten Mal eine Möglichkeit vorschlug, wie sie zu mehr Geld für Denis kommen könne.
Ihre Ablehnung kränkte mich. Vier Tage lang hatte ich darüber nachgedacht, wie ich ihr helfen könnte. Tatsächlich hatte ich mir deshalb Gedanken gemacht, weil es mir lästig geworden war, zu hören, daß ihr für seine Immatrikulation das Geld fehle, und daß sie nun fürchtet, ihr Gehalt werde nicht ausreichen, um ihren jetzigen Lebensstandard zu halten. Denis war bereits zu ihr gezogen. Bis Ende des Monats sollte er seinen Job aufgeben, um den Lehrstoff aufzufrischen und sich für das Studium vorzubereiten.
“Ich habe Angst vor der Armut”, sagte Sonja zu mir. “Ihm gegenüber erwähne ich das nicht, aber dir kann ich mich anvertrauen. Geldnot ist Gift für die Liebe und Sicherheit, und ich bin nicht mehr jung genug, um Armut ertragen zu können.”
Ihre Angst machte tiefen Eindruck auf mich. Sie hatte mir so oft geholfen, jetzt hatte ich die Gelegenheit, mich für ihre Hilfe zu revanchieren. Geld besaß ich nicht, ich mußte mir etwas einfallen lassen. Und sie wies meine erste Idee, ihr zu helfen, zurück. “Aber warum willst du das nicht, Sonja?! Niemand wird wissen, was los ist. Niemand, außer mir. Und mir wirst du hoffentlich vertrauen! Du reichst den Rücktritt ein, und ich werde sofort eine Sitzung des Verwaltungsausschusses anberaumen. Jetzt ist genau der richtige Augenblick. Das Institut glänzt, ist renoviert von den Fundamenten bis zum Dach, eine neue Einrichtung kommt... Uns allen ist bewußt, daß das nur dein Verdienst ist, du hast die Mittel dafür besorgt, du hast die Arbeit organisiert, alle wissen, daß es weit und breit sonst nichts Vergleichbares gibt. Übrigens weißt du selbst, was du alles in die Wege geleitet hast. Der Verwaltungsausschuß wird deinen Rücktritt ablehnen, dann werde ich vorschlagen, daß wir dir ein höheres Gehalt zahlen, weil wir dich als Direktorin halten wollen.”
“Gut, versuch es”, sagte sie endlich seufzend. “Für ihn werde ich noch zum Betrüger. Aber du hast Recht, es ist nicht in Ordnung, daß ich für so viel Arbeit so wenig Geld bekomme.
‘Du bist selbst schuld’, fuhr es mir durch den Kopf. ‘Du selbst warst es, du hast uns den Lohn gekürzt, den man im Institut hätte fordern können.’ Laut fügte ich, Sonja umarmend, hinzu: “Mach dir keine Sorgen. Du wirst schon sehen, daß ich etwas für dich tun kann.”
 
Alles war geregelt. Sonja schrieb ihr Rücktrittsgesuch, und ich setzte eine Sitzung des Verwaltungsausschusses für Montag an. Am Sonntag lud sie mich ein, zusammen mit ihr und Denis einen Ausflug zu machen.
Wir ließen den Wagen in einer Nebenstraße stehen und gingen über einen Pfad durch den Wald. Um uns herum war Kühle und feuchte Dunkelheit, durchsetzt mit Sonnenflecken. Denis ging voran, schaute sich unentwegt um, ob Sonja allein über die umgestürzten Bäume steigen konnte. Er bog die Zweige vorsichtig zur Seite, damit sie nicht von ihnen getroffen wurde. Zum ersten Mal erlebte ich ihre Beziehung aus der Nähe. Ich konnte die Augen nicht abwenden, ich saugte jede Bewegung auf, jedes Lächeln, das sie einander schenkten. Sie kümmerten sich kaum um mich. Ich dachte, es sei bestimmt besser für mich, umzukehren, aber ich ging weiter, als ob sie mich mit sich ziehen würden.
Am Ende des Waldes blendete uns das Sonnenlicht. Die Luft war erfüllt vom Duft der Feldblumen und dem Summen wilder Bienen. Wir trafen auf einen Bach, Denis faßte Sonja um die Taille und half ihr hinüberzuspringen. In diesem Augenblick blitzte in meinem Kopf die Idee auf: ‘Jetzt kann ich über ihr Schicksal entscheiden.’ Ich spürte eine Erschütterung in mir, mir schien, daß sie hervorgerufen wurde durch das Bewußtsein von Macht, davon, daß zwei wunderbare Menschen von mir abhingen. Gleichzeitig schnürte mir etwas die Kehle zu, so, als lege sich Denis’ Hand fest um meinen Hals. Ich konnte kaum atmen. Ich sagte zu mir selbst, wie schön es doch sei, daß Sonja Denis getroffen habe, und wie glücklich ich sein sollte, ihnen helfen zu können, aber in meinem Unterbewußtsein hämmerte, daß Sonja an mir ein Unrecht begangen hatte. Sie nahm sich ganz selbstverständlich vom Leben das, was mir versagt blieb.
Als Sonja nachmittags auf einer ausgebreiteten Wolldecke schlummerte, ging Denis ein wenig spazieren. Als er zurückkam, stellte er sich neben mich. Ich versuchte, in einem Frauenmagazin zu lesen.
“Verzeihen Sie, daß ich störe”, sagte er höflich, als ich den Kopf hob. Seine kräftigen, knabenhaften Lippen warfen sich auf. “Darf ich Sie um etwas bitten?” Ich nickte mit dem Kopf und senkte den Blick.
“Ich wollte mich mit Ihnen unterhalten. Sie sind... Sonja sagte mir, daß Sie Psychologin sind. Ich glaube, daß ich Hilfe brauchen werde.” Er drehte sich um, vergewisserte sich, daß Sonja noch schlief. Flüsternd fuhr er fort. “Ich habe Angst, daß ich im Studium nicht erfolgreich sein werde. Ich habe es ihr versprochen, ich will sie nicht enttäuschen. Aber ich bin mir nicht sicher. Sonja ist mir wichtig, ich will nicht, daß sie denkt, ich bin ein Schwächling. Oder daß ich sie enttäusche.”
Ich hörte ihm zu und riß dabei die Köpfe der Margeriten ab, die in meinem Schoß lagen. Er schaute wieder zu ihr hin, in seinem Blick waren Liebe und Zärtlichkeit. In mir begann Unzufriedenheit laut zu werden. Wahrscheinlich merkte er das an meinem Gesicht, er entschuldigte sich für die Störung.
“Aber Sie stören nicht! Kommen Sie übermorgen früh zu mir ins Institut, und dann können wir über das sprechen, was Sie bedrückt”, sagte ich bestimmt, mit der Stimme einer älteren Freundin. Er sprang von mir weg, um eine Hummel von Sonjas Gesicht zu wischen. Er kniete neben ihr, als wolle er ihrem Atem lauschen. Sie erwachte, hob die Hand, um ihn zu umarmen. Ich wandte mich ab, um sie nicht zu sehen. Meine Augen brannten.
 
Am Abend rief mich Sonja an und erkundigte sich, wie mir Denis gefallen habe, dann fuhr sie fort, ausführlich von ihm zu erzählen. “Morgen wird alles in Ordnung sein, nicht wahr?” fügte sie flüsternd hinzu. Ich sagte ihr, sie könne ruhig in seinem Arm schlafen. ‘Jetzt seid ihr von mir abhängig’, dachte ich, als ich den Hörer auflegte. Lange konnte ich nicht einschlafen. Vor meinen Augen stand dauernd das gleiche Bild: er kniet neben ihr, und sie hebt die Hand, um ihn zu umarmen. Ein heimtückischer Schmerz quälte mich.
Am nächsten Tag, unmittelbar vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses, stürzte voller Erregung Doktor Rakic in mein Zimmer. Er hatte von Sonjas Rücktritt gehört. Ich konnte ihn kaum beruhigen, versprach ihm, daß ich Sonja irgendwie auf dem Posten des Institutsdirektors zurückhalten werde. Als er gegangen war, lachte ich wie verrückt. Dann setzte ich mich hin und schrieb über Sonjas Tugenden eine Rede, die ich auf der Sitzung des Verwaltungsausschusses halten wollte.
Das Papier mit der Rede lag vor mir, als ich die Versammlung eröffnete. Ich nahm Sonjas Rücktrittsgesuch aus dem Aktenordner. Ich las es vor. Sie legte darin mit wenigen Sätzen ihr Amt nieder, begründete das mit Erschöpfung und dem Unverständnis leitender Personen in den Fabriken, die behaupteten, daß im Institut zuviel Geld für die Instandsetzung verbraucht würde. Die Stimme zitterte mir nicht ein einziges Mal. Sofort sprangen die Verwaltungsmitglieder auf. Doktor Rakic war am lautesten. “Wir haben immer unsere Direktorin unterstützt”, rief er. “Verbraucht wurde an Mitteln nur, was unbedingt notwendig war, das können wir beweisen.”
Ich hob die Hand und bedeutete ihm, sich zu beruhigen. Ich schaute auf das Papier mit der Rede, die Worte verschwammen vor meinen Augen. Dann richtete ich den Blick auf Sonja, die in der Nähe der Tür saß. Und sie schaute auf mich, es schien, als wolle sie zu mir hinstürzen und mir ihr Rücktrittsgesuch wegnehmen. Aber nun war schon alles vorgelesen worden.
“Ich bitte Sie, hören Sie mich”, sagte ich mit Nachdruck. Ich schaute wieder auf das Papier, die Zeilen voller Worte sagten mir nichts. Von irgendwoher, wie von selbst, kamen andere Worte aus mir heraus: “Es ist nicht notwendig, daß wir darüber lange und ausführlich diskutieren. Wir alle wissen, daß unsere Direktorin, die nicht nur ein fleißiger, sondern auch ein ernsthafter Mensch ist, ein Rücktrittsgesuch nicht einfach so einreichen würde. Alle im Institut, alle Beschäftigten, die heute hierher gekommen sind, wissen, wofür Genossin Sonja ihren Verstand und ihre Energie eingesetzt hat. Aber die menschliche Kraft ist, leider, nicht unerschöpflich. Genossin Sonja ist erschöpft, ihre Gesundheit geschwächt. Sie möchte sich zurückziehen, sich erholen und auf ihrem Fachgebiet arbeiten. Lassen wir sie ohne große Worte gehen und ohne sie zu bedrängen.”
Ich verstummte und schaute zu ihr hin. Sie riß die Augen weit auf, ihr Gesicht sah einer zerknautschten Maske ähnlich. Sie stand auf, griff sich ans Herz.
“Aber was soll das?!” rief Doktor Rakic. “Du hast mir heute gesagt, daß du sie zurückhalten willst. Genossin Direktor, ich verstehe überhaupt nichts mehr”, wandte er sich an Sonja. “Warum das? Wir sind bereit, Sie jederzeit zu unterstützen!”
Alle blickten auf Sonja. Sie hielt sich mit letzter Willensanstrengung aufrecht.
“Machen Sie es so, wie die Vorsitzende sagt”, stieß sie hervor. “Ich kann nicht. Ich kann diese Arbeit nicht länger tun. Ich bin so müde. Schrecklich müde.
Sie schwankte zur Tür und hielt sich dort fest, um nicht zu fallen.
“Lassen wir sie gehen, Sie sehen doch, wie schwach sie sich fühlt”, sagte ein Mitglied des Verwaltungsausschusses. Sonja drehte sich zu mir um. Niemals werde ich das Entsetzen in ihren Augen vergessen, wie ein stummer Schrei.
“Ja. Mit großem Bedauern, uns ist bewußt, wie viel wir verlieren”, sagte ich mit fremder Stimme und spürte, wie mir übel wurde. “Es reicht nicht, Danke zu sagen, alle großen Worte sind nicht genug. Sie ist eigentlich eine starke Person. Sie hat ihre Entscheidung getroffen.”
Sie ging hinaus. Wir stimmten ab. Acht erhobene Hände, drei Mitglieder enthielten sich, bedeuteten das Ende der Direktorenkarriere meiner besten und einzigen Freundin Sonja. Aber ich schwöre, daß ich das nicht wollte. Ich schwöre, daß ich nicht weiß, was eigentlich passiert ist.




© Safeta Obhodjas

Redaktion: Frank Becker