Wer sind die wirklich Irren?

Ascanio Celestini - "Schwarzes Schaf"

von Jürgen Kasten
Wer sind die wirklich Irren?
 
„Ich bin dieses Jahr gestorben. Alle wollten dieses Jahr sterben.“ So beginnt der Roman von Ascanio Celestini, der erste von ihm, der in deutscher Sprache erscheint. In Italien hat er schon viel veröffentlicht. Dort ist er ein Star, spielt Theater und dreht Filme in der Tradition von Dario Fo. Das sollte man wissen, bevor man sich auf dieses Buch einläßt, ein außergewöhnliches, ein lustiges, bei dem einen das Lachen vergeht. Celestini hat „schwarzen Schafen“ zugehört, denen, die in psychiatrischen Anstalten ihr Leben fristen. Daraus hat er eine Geschichte gewoben, die er seinen Protagonisten Nicola erzählen läßt.
 
Nicola wurde „in den fabelhaften sechziger Jahren“ geboren. Sein Vater hatte keine Lust, die Geburt bei einem Meldeamt anzuzeigen, denn für ihn waren die Sechziger nicht fabelhaft. Alle hatten in Italien jetzt Waschmaschinen und Fernseher, nur er war immer noch der arme Schafhirte in den Abruzzen. Warum also sollte er seinen Sohn anmelden? Nicola fand das nicht gut. Was sollte man denn später auf seinen Grabstein schreiben, wenn es ihn doch offiziell gar nicht gab?
Nicola ging jeden Tag mit seiner Großmutter in die Irrenanstalt. Sie brachten Eier dort hin und seine Mutter lebte dort.
Irgendwann blieb Nicola in der Anstalt und niemand wußte, ob er Patient war, oder Hilfspfleger oder sonst was. Seit 35 Jahren lebt er nun dort und erzählt seine Geschichte.
 
Eine irre Geschichte über Irre, „da muß man nicht alles glauben“. Trotzdem muß man dieses Buch lesen, denn es ist überaus unterhaltsam und gleichzeitig bedrückend, weil man nicht weiß, wer die wirklich Irren sind. Die innerhalb der Anstalt oder die da draußen?
Eine fantasievolle Bestandsaufnahme vergangener Psychiatriezustände im Mantel eines Romans. Im letzten Kapitel findet Nicola einen Schlüssel und verläßt die Anstalt. Er läßt die Türen hinter sich auf „und niemand ist abgehauen...Die Irren hauen nur in Witzen ab.“
„Innovativ und bewegend“, schrieb der Corriere della Sera, und dem kann ich mich nur anschließen.
Beispielbild

Ascanio Celestini
Schwarzes Schaf

Aus dem Italienischen von Esther Hansen

© 2011 Verlag Klaus Wagenbach, geb. mit Schutzumschlag, 128 Seiten
ISBN: 978-3-8031-3238-3
€ 15,90
 
Weitere Informationen: