Madeira - Schwimmender Garten im Atlantik

Ein blumiger Reisebericht

von Theo Reisner

Sao Vicente Foto © Theo Reisner

Madeira - Schwimmender Garten

im Atlantik


Der wilde Fenchel und viel Wald gaben dieser Vulkaninsel  ihre Namen: Madeira bedeutet schlicht Holzinsel, so nannten sie ihre Entdecker im 15. Jahrhundert. Und "Funchal" für die Hauptstadt, das heißt nichts anderes als Fenchel auf portugiesisch, denn  er gedeiht hier besonders gut. Die Mischung aus Eukalyptus- und  Lorbeerwäldern, Weinbauterrassen , wuchernden Gärten, Gemüse- und Obstfeldern oberhalb der schroffen Steilküste ist für Touristen das ganze Jahr über sehenswert.


Früchte, Wein und Orchideen

Besucher vergangener Zeiten hatten allerdings nicht so sehr erholsame Tage, sondern eher die  Auffrischung ihrer Vorräte oder die Besetzung der strategisch bedeutsamen, gerade 750 Quadratkilometer großen Insel im Sinn. Nach Ende der Diktatur in Portugal 1974 begann der rasche  Aufstieg als Urlaubsziel - das milde Klima mit Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad (Luft) und 17


Funchal mit Reede - Foto © Theo Reisner
bis 23 Grad (Wasser) spielte eine maßgebliche Rolle, begünstigt durch den nahen Golfstrom. Die geringe Flugdauer von rund vier Stunden ab Deutschland ist für manchen Kurzurlauber ein starkes Argument.  Klima-Empfindliche schätzen die geringe Zeitverschiebung von nur einer Stunde,  Magen-Empfindliche die geringfügigen Umstellungen bei Speis und Trank. Der Regen reicht hier auf der Höhe von Casablanca noch aus, um Dutzende Orchideenarten und exotische Früchte gedeihen zu lassen. Spottbillig und sehr schmackhaft sind die kleinen Bananen, neben süßen Weinen einer der wichtigsten Exportartikel.

Blumen, Urwald und Taranteln

Ende Mai bis Anfang Oktober regnet es kaum, Freunde blühender Pflanzen bevorzugen das  feuchtere Winterhalbjahr, wenn  Kamelien und Bougainvillea austreiben. Die vulkanische Insel - sie hatte nie eine Verbindung zum Festland - bietet auch den größten Lorbeer-Urwald der Welt auf 150 km² Fläche. Für Querfeldein-Liebhaber ein kleiner Hinweis: Die Madeira-Tarantel gilt als größte ihrer


Serre de Agua Foto © Theo Reisner
Rasse, verspeist am liebsten Eidechsen und fürchtet sich auch vor Touristen nicht wirklich zuverlässig. Einfacher gestaltet sich der Umgang mit Mönchsrobben - sie sind das seltenste Säugetier Europas und können von der Küste aus beobachtet werden. Jenseits der Baumgrenze ab 1600 Metern Seehöhe dominiert karges Vulkangestein und bietet dem Wanderer im Herbst die beste Sicht von Küste zu Küste, dann erreicht übrigens das Meer hier seine höchsten Temperaturen . Die  beliebteste Route führt vom Pico Ariero (eine halbe Busstunde ab  Funchal) zum Pico Ruivo, dem höchsten Berg mit 1862 Metern. Von hier aus sieht man das Tal der Nonnen, ehemaliger Zufluchtsort der Einheimischen bei Überfällen durch Seeräuber - verschlossene Klostertüren waren sogar den Piraten heilig. Einfacher zum Wandern ist das Hochplateau von Paúl da Serra, südwestlich der Hafenstadt Sao Vicente auf 1000 Meter Seehöhe gelegen, zumal hier einige der 5000 Kilometer langen Wasserrinnen auf der Insel verlaufen. Teile dieses Bewässerungssystems für Bananen- und  Zuckerrohrplantagen wurden zwar schon in Rohre verlegt, um Verdunstungsverluste zu vermeiden. Für endlose Wanderungen entlang der "Levadas" mit ihrem Ursprung in den nördlichen Gebirgen reichen die gemütlich vor sich hinplätschernden offenen Abschnitte allemal und das gleichmäßig leichte Gefälle schützt vor Gelände-Überraschungen. Die kurvenreichen Kanäle zählen zu den ganz besonderen Ingenieursleistungen und werden seit dem 15. Jahrhundert gebaut und gepflegt. Örtliche Bergsteiger-Schulen bieten eine Auswahl geführter Touren aller Schwierigkeitsgrade mit und ohne Levadas, bei sommerlichen Temperaturen ist die Wirkung des kühlen Wassers als ständiger Begleiter besonders angenehm.

Attraktionen: Fische, Korbschlitten, Stickereien

In der bunten und recht lebendigen Hauptstadt Funchal lohnt sich ein Besuch bei der "Madeira  Wine Company". Vier verschiedene Sorten reifen hier nach dem Verschnitt mit Weinbrand am Dachboden

 
Fischer auf Madeira - Foto © Theo Reisner
bei Temperaturen bis zu 40 Grad. Dadurch werden sie ohne Qualitätsverlust bis zu 200 Jahren alt und können längere Zeit offen stehen. Ein paar Minuten weiter werden Obst, Gemüse, Blumen und Fisch am "Mercado des Lavradores" feilgeboten. Tipp: Verkostung der Frucht des Flaschenbaumes  Annona (geschmacklich zwischen Banane und Ananas gelegen). Der schwarz glänzende Degenfisch (Estada) mit seinem weißen Fleisch sieht gut aus und schmeckt auch so - falls ihn die Fischer in der Nacht erwischt haben. Nur dann steigt er nämlich für kurze Zeit von 2000 Metern Tiefe auf maximal 500 Meter auf und lässt sich fangen. Der Botanische Garten sollte unbedingt mit aufs Besuchsprogramm, denn hier gedeihen viele der insgesamt 700 verschiedenen Pflanzen Madeiras. Genauso wie die Korbschlitten im Nachbarort Monte: Sie sausen mit ortskundigen Lenkern die Asphaltstraße talabwärts - das geht auch ohne Schnee wunderbar! Apropos Korb: In Camacha kann man beim  Entstehen eines Korbsessels in 90 Minuten zusehen oder eine der 800 hier produzierten verschiedenen Flechtarbeiten erwerben. Wichtig: Drähte, Nägel und Leim sind unter Fachleuten
 
Stickerinnen - Foto © Theo Reisner
verpönt! Ein englisches Fräulein begann 1850 in London mitgebrachte Stickereien zu verkaufen und fand genügend Anklang, um einen weiteren Industriezweig auf der Insel aufzubauen, der heute über 20.000 Frauen beschäftigt. Das schützt den Käufer nicht vor billigen Nachahmungen aus Fernost, auf einen Nachweis des Herstellungs-Ortes sollte bei höheren Beträgen geachtet werden.

Wenig Strand - viel Luxus - gute Küche

Wie sieht es mit dem Meer aus? Der einzige "echte" Strand liegt auf der Nachbarinsel Porto Santo, anderthalb Stunden mit der Fähre von Funchal entfernt. Acht Kilometer weißer Sandstrand lohnen einen Ausflug, auf der kleinen Insel gibt es kaum Unterbringungsmöglichkeiten und nur wenige Restaurants. Strandwanderungen mit windgeschützten Ruheplätzen am Rande der Dünen stehen in der  Beliebtheitsskala oben, die Sonnenscheindauer liegt noch höher als auf Madeira und die Meerestemperatur erreicht im Sommer 25 Grad Celsius. In der Hauptstadt  Vila Baleira soll Christoph Kolumbus mit seiner Frau  Felipa  Moniz, der Tochter des damaligen Inselverwalters, eine Zeitlang zugebracht haben - davon zeugen jedenfalls das Kolumbus-Museum und das Kolumbus-Wohnhaus.

 
Reid´s Hotel - Foto © Theo Reisner
Die großen Hotels auf Madeira haben dem Mangel an weitläufigen Sandstränden mit großzügigen Meereswasser-Badelandschaften nahe der Steilküste abgeholfen. Und wer wirklich will, der findet seinen Weg ins offene Meer - mal über verschlungene Pfade zu den kleinen Buchten mit dem groben Kies, mal über gesicherte Betontreppen entlang der Klippen. Der Name „Reid's“ steht für das berühmteste Hotel auf der Insel, nahe der Hauptstadt  Funchal an steilen Klippen gelegen. Das in Kolonialstil gehaltene Haus der Luxusklasse (Leading Hotels of the World) aus der Jahrhundertwende bietet wunderschöne Ausblicke und einen tropischen Garten mit 40.000 Quadratmetern vor der Haustüre. Wer sich mit den Übernachtungspreisen ab € 355 fürs Doppelzimmer pro Nacht nicht anfreunden kann oder will, sollte zumindest ein Dinner im Restaurant buchen - die Küche zählt nach Ansicht eines internationalen Fachmagazins zu den 100 besten der Welt.   


Weitere Informationen:  Portugiesisches Tourismusamt, Kaiserhofstraße 10, 60313 Frankfurt, Tel. 069-9207260. www.visitportugal.com