Wie geht es Ihnen?

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz

Wie geht es Ihnen?
 
Wie geht es Ihnen? Wenn ich mal zwischendurch fragen darf? Mir geht es gut. Obwohl meine Frau neulich krank war. So etwas habe ich lange nicht mehr erlebt, wie schnell das ging. Ruckzuck, wie aus heiterem Himmel hatte sie 39 Grad Fieber! Aber meine Frau ist eine Kohlenpott-Preußin - aus Katastrophen-Rauxel! Erst hatte sie einen Husten bis zum geht nicht mehr. Der wurde und wurde nicht locker. Bei schlimmem Husten ist es doch so. Am Schluß hat man überhaupt keinen Geschmack mehr im Mund. Man ist richtig geschmacklos! Von all dem Lutschzeug und all dem Lindenblütenkram! Furchtbar! Und es wurde immer schlimmer! Und wenn meine Frau krank ist, dann bin ich arm dran. Ich werde dann von Tag zu Tag hilfloser! Bis meine Frau sagt: »Muß ich aufstehen, damit du den Pfefferminztee findest?« »Nee, nee«, sage ich dann, »ich habe ihn ja schon, ich komme nur nicht dran!« Und beim Öffnen purzeln mir aus dem Schränkchen immer alle möglichen Sachen und Teesorten entgegen. Nur kein Pfefferminztee! »Also, ich sehe schon«, ruft meine Frau dann, »du kannst ihn wieder nicht finden!« »Du siehst gar nix«, rufe ich dann zurück, »du bleibst schön im Bett!« »Was sprichst du denn fürn Deutsch?« sagt dann meine Frau. »Im Bett«! Im Bett«! Und dieser Mann verdient mit Sprache sein Geld!« »Du scheinst wieder gesund zu sein«, sage ich dann. »Hier ist doch der Pfefferminztee! Ich mache das schon! Bist sterbenskrank, aber regst dich auf, wenn ich mal `im Bett´ sage!« »Das sagst du dauernd«, sagt meine Frau. »Du könntest mir mal einen Wadenwickel gegen das Fieber machen!« »Sofort«, sage ich. »Ich mache dir sofort einen Wadenwickel, wenn ich den Pfefferminzteebeutel aus der Kanne getan habe.« »Den kannst du ruhig drin lassen! Bei Pfefferminztee ist das nicht so schlimm. Mach mir lieber einen Wadenwickel! Du weißt doch, wie der geht?« »Natürlich«, sage ich. »Ich habe doch schon tausend Wadenwickel in meinem Leben gemacht. Man nimmt ein Handtuch...« »Jetzt rede nicht«, sagt meine Frau, »mach mir bitte einen Wadenwickel.« »Bin schon dabei«, rufe ich aus dem Bad. Und ich nehme das Handtuch und halte davon zwei Drittel unter kaltes Wasser und das restliche Drittel lasse ich trocken, damit das Bett nicht naß wird. »Sooo«, sage ich dann - bei Kranken sagt man doch  immer: Sooo! »Was ist denn das für’n Wadenwickel?« sagt meine kranke Frau. »Das ist ein Wadenwickel«, sage ich. »Man schlägt die nassen zwei Drittel um das Wadenbein oberhalb des Fußes bis unters Knie und steckt einen Zipfel des trockenen Teiles oben in den Wickel, damit der hält.« Da ist doch gar keine Wade mehr«, sagt meine kranke Frau. »Mag sein«, sage ich, »mag sein, aber so geht ein Wadenwickel.« »Quatsch, einen Wadenwickel, den macht man um die Wade und dafür braucht man nur die halbe Breite, außerdem habe ich schon ein trockenes Handtuch auf dem Bett liegen, so daß man das ganze Handtuch naß machen kann.« »Ja«, sage ich, »so kann man es sicher auch machen.« »So machen es alle«, sagt meine kranke Frau, »nur du nicht.« »Ich habe das mit dem Wadenwickel bei Tante Liese so gelernt.« »Ja, ich weiß«, sagt meine kranke Frau. »Tante Liese aß die Muscheln anders, machte den Kartoffelsalat anders und machte die Wadenwickel anders. Wie soll denn da ein Mensch gesund werden«, sagt meine kranke Frau. »Ja, weiß ich auch nicht«, sage ich, »aber den Wadenwickel macht sicher jeder anders. Am besten sind die, wo das ganze Bein gekühlt wird und nicht nur die Wade.« »Warum heißt es dann nicht Beinwickel, sondern Wadenwickel?« »Ja, weiß ich auch nicht«, sage ich, »man nennt das eben so: Wadenwickel.« »Und Tante Liese hat natürlich die besten Wadenwickel am Niederrhein gemacht.« »Nicht die besten, das sagt doch kein Mensch, sondern ich habe das so gelernt, daß man für den Wadenwickel das ganze Bein nimmt. Also nicht das ganze Bein, sondern hauptsächlich schon die Wade.« »Jetzt mach den Wickel endlich drum, sonst ist doch die ganze Wirkung im Eimer.« »Ich kann das Handtuch ja noch mal unters  Wasser halten«, sage ich, »Und dann lege ich es auf die Hälfte und mache es völlig naß, so wie du es gelernt hast.« »Mach, was du willst«, sagt dann meine kranke Frau, »Hauptsache, ich bekomme bald meinen Waden- Wickel, damit mein armer Mann endlich seine Ruhe hat.«  



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte uns freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.