Ein Arschloch im Museum Ein unverschämt vorlauter kleiner dicker Junge, nur als „kleines Arschloch“ bekannt, kommt zu musealen Ehren: Die LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen, die sich unter dem Stichwort „Die populäre Galerie“ regelmäßig Randbereichen des etablierten Kunstbetriebs wie der Plakatkunst oder auch Comic und Karikatur widmet, zeigt jetzt die erste umfassende Werkschau des Karikaturisten, Zeichners und Schriftstellers Walter Moers.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Moers mit der Figur des „Käpt’n Blaubär“, der (als Puppe) in der „Sendung mit der Maus“ haarsträubende Fantasiegeschichten (in Form eines Zeichentrickfilms) erzählte. Leider wird diese Figur, die erstmals 1988 erschien, in der Ausstellung allzu knapp abgehandelt. 1999 entwickelte Moers aus dieser Figur seinen ersten für Erwachsene gedachten Roman: „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, der (wie auch die weiteren Romane über den Phantasiekontinent „Zamonien“) von einer ungeheuren Fabulierlust und Freude an Sprach- und Wortspielen nur so strotzt und durch die schöne, von etlichen Zeichnungen geprägte Aufmachung besticht. Viele dieser Zeichnungen sind jetzt im Original in
Aufregender jedenfalls ist die zweite Etage, die vorsorglich als „für Kinder unter 16 Jahren ungeeignet“ erklärt wird. Dort kommt der Karikaturist Moers zu seinem Recht, der mit dem „kleinen Arschloch“ 1989 eine Kultfigur schuf, die gegen alle denkbaren harmlosen und weniger harmlosen Tabus verstieß, mit allerlei sexuellen Anzüglichkeiten Tiere und Behinderte quälte und schließlich als Parodie des Christuskindes auch in kirchliche Bereiche einbrach. Zu sehen ist eine Reihe von Originalzeichnungen der Cartoons, teilweise mit erkennbaren Retuschen und Korrekturen. Ein weiterer Tabubruch Moers’ ist die Verniedlichung Adolf Hitlers zur Comicfigur, auch hierzu gibt es etliche Originalzeichnungen. Die Wirkung ist immer noch ungebrochen, wie man an immer wieder auflachenden Museumsbesuchern beobachten kann.
Höhepunkt der Ausstellung sind aber die Werke aus dem Band „Arschloch in Öl“, in dem Moers Hauptwerke der Kunstgeschichte zwischen Dürer und Hopper, zwischen Steinzeitmalerei und Plakatkunst parodiert, in dem er seine Arschloch-Figur einarbeitet und mit Persiflagen auf den Sprachduktus der Kunstwissenschaft kommentiert. Gegenüber dem 1993 erschienenen Buch haben diese „Kunstwerke“ im Original natürlich eine ganz andere Qualität, gewinnen gerade in einem „richtigen“ Museum noch einmal an respektlosem Witz. Das im Stile Jeff Koons kopulierende Arschloch (als Plastik ausgeführt) dürften wohl auch Jugendliche unter 16 aushalten, die vom Fernsehen anderes gewohnt sein sollten. Ergänzend zur Ausstellung ist im Kerber-Verlag ein ganz ausgezeichneter Begleitband erschienen, der in Aufsätzen von Kuratorin Christine Vogt und Christiane Brox die Entwicklung des Künstlers aufzeigt und Bild- und Sprachwelten von Walter Moers genauer untersucht. Ein ganz vollständiger Ausstellungskatalog im klassischen Sinne ist das nicht, schließlich kann (und soll) man im Museumsshop die Bücher von Walter Moers kaufen, aber die allermeisten Ausstellungsstücke findet man schon wieder. Unbedingt lesenswert.
Die 7 ½ Leben des Walter Moers
Vom kleinen Arschloch über Käpt’n Blaubär bis Zamonien
Ausstellung in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen vom 25.09.2011 - 15.01.2012
Begleitband erschienen im Kerber Verlag herausgegeben von Dr. Christine Vogt mit Beiträgen von Christiane Brox, Apostolos Tsalastras, Christine Vogt
168 Seiten, 133 farbige und 132 s/w-Abbildungen, 22 x 28 cm, Hardcover, gebunden, mit Schutzumschlag, ISBN: 978-3-86678-593-9
€ 32,90 -
Informationen: www.kerberverlag.com und www.eichborn.de
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