Ein Hauch von Ewigkeit

Michaela Konrad - "Mondwandler"

von Steffi Engler
Ein Hauch von Ewigkeit
 
Michaela Konrads „Mondwandler“
hält die Zeit (und wir den Atem) an
 
Vor 50 Jahren flogen zum ersten Mal Menschen ins Weltall. Die Namen von Juri Gagarin und Alan Shepard stehen für den Schritt der Menschheit aus der schützenden Hülle der Erdatmosphäre in die ewige Schwärze des Alls. 39 Jahre ist es her, seit am 7. Dezember 1972 der letzte Mensch den Mond betreten hat. Mit der Mission von Apollo 17 endete das Mondflugprogramm der NASA. Drei Jahre zuvor, am 16. Juli 1969 hatte Neil Armstrong, Kommandant von Apollo 11, als erster Mensch beim Mare Tranquillitatis seinen Fuß auf den Erdtrabanten gesetzt. Der Sprung ins Weltall, die Erfahrung des Blicks vom Mond auf den blauen Planeten Erde hat nicht nur das Denken und spätere Leben der Astronauten einschneidend verändert. Für einige Jahrzehnte nahm diese Erfahrung wohl auch Einfluß auf das Denken der Menschheit schlechthin. Doch Menschen vergessen. Was für eine Weile alle begeisterte und ein Band zwischen Machtblöcken und Kulturen knüpfte, scheint wieder versunken zu sein.
 
Die Wiener Zeichnerin und Autorin Michaela Konrad hat mit einem außergewöhnlichen Projekt den
Faden der Erinnerung wieder aufgenommen. Sie hat Äußerungen und Erfahrungen von 16 Astronauten, die zum Mond geflogen sind, in eine Graphic Novel „übersetzt“, die wie in einem Traum eine junge Frau auf die Mondoberfläche bringt, wo diese barfuß und ungeschützt zwischen den „Moonwalkers“, den „Mondwandlern“ auf den Spuren von deren Gedanken einhergeht. Eine geheimnisvolle Instanz, die gedankenvoll die Landung der Menschen beobachtet, sie begleitet - angelehnt vielleicht an die Gefühle mancher Apollo-Astronauten, trotz der Stille und Einsamkeit auf dem Mond doch nicht allein zu sein. Die Verkörperung einer Existenz, die schon dort war, als die ersten Menschen den Mond betraten - und die noch da sein wird, wenn irgendwann vielleicht wieder jemand diese Reise unternimmt. Einige Astronauten hatten tatsächlich das Gefühl der Anwesenheit einer höheren Macht. Was auf den ersten Blick einfach und vielleicht auch etwas hergeholt wirkt, entpuppt sich jedoch – nicht nur durch die hohe graphische Kunst Konrads - als höchst komplexer Ansatz zu verstehen, was jemand, der nicht auf dem Mond war, eigentlich gar nicht verstehen kann. Mit dem schweigenden Blick der im Gegensatz zu den mit Ausnahme der Erde ansonsten schwarz-weißen Bildern farbig gezeichneten Protagonistin begleiten wir die Männer, welche die Erde, ihren Heimatplaneten, aus 384.401 km Entfernung als blaues Juwel im ansonsten farblosen All haben schweben sehen.

Ihre Gedanken, Reflexionen eröffnen die Möglichkeit, über die Bedeutungslosigkeit des Menschen gegenüber der Größe des Universums nachzudenken. Gene Cernans Worte „Ist dir bewußt, wo du bist und wohin du schaust?“, Dave Scotts Gedanke „Wenn die Mondoberfläche beleuchtet ist und es hell ist, und wenn Schatten und Kontraste sichtbar sind… und der Himmel darüber ist schwarz – das zu erfassen ist etwas komplett Neues für den Verstand…“, wieder Gene Cernan: „Ich konnte diese Schwärze sehen (…) es ist die Unendlichkeit des Raumes und die Unendlichkeit der Zeit“, Alan Shepards Erinnerung „Als ich, von der Mondoberfläche aus, zum ersten Mal zurückblickte, weinte ich. Ob es Erleichterung, die Schönheit der Erde oder die Erhabenheit des Augenblicks war – ich weiß es nicht.“ und Bill Anders´ „Sie war das Schönste, was ich jemals gesehen hatte“ lassen ahnen, was in diesen Männern vorgegangen sein muß.
 
Es ist wunderschön, all das zu lesen und zu sehen, was Michaela Konrad aufgezeichnet und zitiert hat. Doch zugleich wächst das beklemmende Gefühl zu wissen, daß die Männer, die auf dem Mond waren, zwar um eine unerhörte Erfahrung reicher, doch als schrecklich einsame Menschen zurück auf die Erde gekommen sein müssen. Gene Cernans Worte „Ja ich möchte zurück. Die Vergangenheit wird wichtiger, wenn man älter wird. Man besucht Orte, an denen bedeutende Dinge geschahen und weiß, daß das einzige, das diesen Ort von dem, was damals geschaht trennt, etwas ist, das wir nicht verstehen – die Zeit.“ mögen dafür stehen.

 
Michaela Konrad – „Mondwandler“ - Graphic Novel
C 2011 Luftschacht Verlag, 64 Seiten, geb., Fadenheftung, 25x25 cm, farbige u. s/w-Abb., Kurzbiographien der Astronauten und Verzeichnis der Original-Zitate
23,30 €(D), 24,- € (A), 35,50 sFr  -  ISBN 978-3-902373-90-8

Alle Illustrationen © Luftschacht Verlag / Michaela Konrad
 
Weitere Informationen unter: www.luftschacht.com