Hochspannung auf der Theresienwiese

Harry Luck - "Wiesn-Feuer"

von Frank Becker
Hochspannung auf der Theresienwiese
 
Als Harry Luck 2005 mit seinem dritten München-Krimi „Wiesn-Feuer“ wieder punkten und erneut seinen guten Rang in der Gilde der deutschen Kriminalschriftsteller untermauern konnte (längst hat er da noch draufgesattelt), schrieb er einen Krimi, der eigentlich jedes Jahr zur Wiesn neu aufgelegt gehört.
 
Am 17. September wurde in München zum 177. Mal das Oktoberfest mit dem traditionellen Faß-Anstich durch Oberbürgermeister Christian Uhde (er benötigte nut zwei Schläge) eröffnet. Der Ruf „Ozapft is!“ lockt wieder Millionen Besucher in die bayerische Metropole, wieder  werden sich Politiker profilieren, Wiesn-Wirte gesund stoßen (heuer wurde die Schallmauer von 9,- Euro für die Maß durchbrochen) und die Medien reichlich zu berichten haben. Nicht vergessen, doch kaum noch präsent ist der Bombenanschlag, durch den am 26. September 1980 dort 13 Menschen starben und 218 schwer verletzt wurden.
 
Hier setzt Harry Lucks Krimi an. Luck erweist sich wie zuvor als Kenner des Münchner Pflasters und ist noch tiefer als in seinen ersten München-Krimis in das Geflecht von Gesellschaft, Politik und Kommerz eingedrungen. Daneben baut er das glaubhafte Bild einer Gemeinschaft von Underdogs auf, die sich von Sprüchen und Phrasen eines rechtsradikalen Demagogen zur Gewalt verführen lassen. Mit dem Neonazi-Boss Detlev Deggendorf und seinem Nachplapperer Kai Walbrecht, einst Opfer des Oktoberfest-Anschlags vor 25 Jahren, jetzt Anhänger des „Münchner Aktionsbündnis“ schafft Luck  Figuren dicht an der Realität. Ebenso nah am Leben sind andere wie der Brauereibesitzer Kilian Schöberl, dem der Dalles ins Haus steht, seine Geliebte Silvia Thiedemann, die er wie deren Vorgängerin Marianne Kischl aus seinen Bedienungen rekrutiert hat, seine frustrierte Ehefrau Ramona, der von Skrupeln geplagte OB Körber und dessen knallharte Referentin Margarete Schwarzkopf.
Dazu hat Luck bewährtes Personal übernommen: Frank Litzka, Reporter der ATZ ist ganz vorne mit am Ball, findet brandheiße Spuren und läßt sich in missionarischem Eifer zu menschlichen Fehlern hinreißen. Sein Freund KHK Jürgen Sonne von der Mordkommission München mit seiner Truppe ermittelt, und Tanja Kollaritsch, die von der Staatskanzlei zum Magazin „Factum“ gewechselt hat, steht Litzka wieder einmal hilfreich und sehr attraktiv zur Seite.
 
Ein Bombenanschlag wird angekündigt, ein Festzelt brennt, zwei Morde geschehen, ein alter Mord wird neu aufgerollt und allerlei Querverbindungen treten zu Tage. Luck schafft es, eine Vielzahl von Handlungsfäden zu einem glaubhaften Strang mit ebensolchem  Plot zu verweben, nie läßt er sich auf wilde Konstruktionen ein, sondern bleibt, auch bei der Beschreibung der vorzüglich recherchierten Polizeiarbeit, dicht an der Realität. Das und seine ehrlich gezeichneten Protagonisten macht „Wiesn-Feuer“ bis zum teils ernüchternden, teils kombinierbaren und teils überraschenden Schluss zur überzeugenden und sehr unterhaltsamen Lektüre. Und ein kleines Happy End ist auch noch im Paket. Pflichtlektüre für Wiesn-Besucher.

Beispielbild

Harry Luck
Wiesn-Feuer

© 2005, KBV Krimi 211 Seiten, Pb.
8,90 €

Weitere Informationen:
www.kbv-verlag.de