Na vaše zdravi!

Zu Besuch bei Nachbarn

von Frank Becker

Na vaše zdravi!
 
Erinnern sie sich noch an die Zeiten, als man sich beklommen der schroff abweisenden Grenzen zu den Ländern des Ostblocks, dem „Eisernen Vorhang“ näherte? Der Krieg war kalt, aber mir selbst wurde immer ein bißchen heiß, wenn ich mich den Stacheldrahtverhauen und Minenfeldern der sogenannten Arbeiter- und Bauernstaaten gegenüber sah. Man spürte das Mißtrauen, sah sich der Willkür sozialistischer „Organe“ hilflos ausgeliefert und war heilfroh, wenn man wieder den Fuß auf heimischen, freien Boden setzen konnte.
 
Bei einer Reise Mitte der 80er Jahre in die UdSSR erlebte ich nach schikanösen Kontrollen, lückenloser KGB-Überwachung und Bespitzelung bis in die Hotelbar inklusive nächtlichem Eindringen ins Moskauer  Hotelzimmer beim Abflug etwas Überwältigendes. In dem mit Pauschalreisenden, einer deutschen Handballmannschaft und vielen Geschäftsleuten voll besetzten Flugzeug er deutschen Fluggesellschaft mit dem Kranich herrschte gedrückte Stimmung, als die Maschine zur Startbahn rollte, Schweigen, als sie abhob. Als aber das Fahrwerk hörbar einfuhr, brach unbeschreiblicher Jubel los. Erwachsene Männer lachten befreit auf, schlugen sich auf die Schultern und bestellten Sekt. Fremde erzählten einander spontan von ihren Erlebnissen im Sowjetreich und stießen miteinander an. Jeder spürte eine ungeheure Last von sich abfallen. Mein Sitznachbar, ein Geschäftsmann auf Frankfurt, der nach Monaten des Drucks nun wieder frei atmen konnte, orderte den besten Bordeaux, der an Bord zu haben war.
 
Vor kurzem nun war ich in einem der entlegensten Winkel des Erzgebirges, einer Ecke, die weit in das Staatsgebiet der Tschechischen Republik hineinragt. In Deutschneudorf südlich von Seiffen sagen sich buchstäblich Fuchs und Hase „Gute Nacht“, wenn der Bürgermeister nicht gerade mal wieder vor laufenden Fernsehkameras in einem geheimnisvollen Stollen nach dem verschwundenen Bernsteinzimmer suchen läßt, und früher, auch zu DDR-Zeiten, war die Welt dort mit Brettern vernagelt. Heute sind die Bewohner des zauberhaften Landstrichs beiderseits des

Blick hinüber nach Böhmen - Foto © Frank Becker 
Grenzflüßchens Schweinitz Nachbarn im besten Sinne: wenn der Ehrlich Jochen und der Harzer Matthias das Heu im Schober haben, wenn der Roscher Bert und der Döhmel Klaus Feierabend machen, dann ziehen sie sich ein frisches Hemd an und gehen über die kleine Brücke – das nach dem August-Hochwasser 2002, bei dem die alte Brücke weggerissen wurde, provisorisch mit Draht angebunden gewesene Grenzschild ist wieder festgeschraubt - ins „Böhmsche“ hinüber nach Nová Ves, um beim sparsamen Pavel Schamberger, im „Konzum“ oder im „Sokol“ um ein paar Kronen ihr abendliches Bier zu trinken. Da treffen sie den Honza und den Jarda, den Pilz-Pavel und die charmante Vladka, plaudern in holperigem Pidgin, dreschen Karten (dabei schaut die Vladka immer ins fremde Blatt) und prosten sich zu. Das ist international.
 
Für ein leckeres Gulasch mit Knödeln, Topinka oder Zanderfilet geht man zwei Kilometerchen weiter in Deutschkatharinenberg hinüber ins „U Fleku“ und zum Einkaufen fährt man mit dem Wagen über Deutscheinsiedel nach Mnišek zum Vietnamesen- Markt oder etwas weiter ins hübsche Litvinov. Da hat es einen hübschen Zentralplatz und noch hübschere Mädchen. Die Grenze ist so grün wie die malerische Landschaft. Und alle sind nett zu einander. So funktioniert Europa. Na shledanou!