Musikalische Formenlehre in suggestiven Grafiken

Reinhard Amon - "Lexikon der musikalischen Form"

von Stefan Schmöe
Musikalische Formenlehre in suggestiven Grafiken
 
Für sein 2005 erschienenes Lexikon der Harmonielehre (Rezension) hat der österreichische Musikwissenschaftler Reinhard Amon den Deutschen Musikeditionspreis erhalten. Jetzt ist in fast gleicher Aufmachung sein Lexikon der musikalischen Form erschienen, und auch hier fällt sofort die ungewöhnlich schöne, so gar nicht akademisch-trocken anmutende Gestaltung auf. Übersichtliche Anordnung, kluger Einsatz von Farben, trotz der Fülle von Informationen ein klar strukturierter Aufbau – das ist Amon, der sein eigener Layouter ist, womöglich noch besser gelungen als im Vorgängerband. Abbildungen von Komponisten mögen ein (hübscher, aber letztendlich entbehrlicher) Zierat sein, bildhafte Verweise auf Formprinzipien aus Architektur, bildender Kunst oder auch aus der Natur erweitern sehr suggestiv den Blickwinkel auf über die Musik hinaus verallgemeinerbare Formprinzipien.
 
In der Hauptsache werden grafische Elemente zur Verdeutlichung musikalischer Formprinzipien eingesetzt, und da folgt das Buch (wie übrigens auch schon das Harmonielehre-Lexikon) dem Gestaltungsprinzip, das der dtv-Atlas zur Musik (und alle anderen dtv-Atlanten) seit Jahr(zehnt)en vorgeben – einzelne Töne oder Motive in einem Notenbeispiel werden hervorgehoben, Großformen durch farbige Diagramme verdeutlicht usw. Das geschieht trotz einer Vielzahl von Symbolen und Abkürzungen hier sehr suggestiv und dadurch weitgehend selbsterklärend. An vielen Stellen kann dadurch der Text stark verknappt werden, weil die zu vermittelnde Idee durch die geschickte Auswahl von Notenbeispielen unmittelbar deutlich wird – solche Notenbeispiele „lesen“ können muß man dafür schon, wie auch der Text eine gewisse (aber nicht zu große) Vorbildung verlangt. Es gelingt aber auf dieser Basis sehr gut, auf engem Raum eine Vielzahl (anspruchsvoller) Informationen verständlich zu vermitteln. Insofern richtet sich der Band an breite Leserschgichten vom interessierten Laien über Studierende und Wissenschaftler bis zu ausübenden Musikern - und dürfte für alle genug Lese- und Ansichtsmaterial bereit halten.
 
Im rund 400 Seiten starken Hauptteil werden Stichwörter von „ABA-Form“ bis zur „zyklischen Form“ abgehandelt, darauf folgen noch einmal etwa 150 Seiten mit „allgemeinen Kapiteln“ – übergreifende Aspekte und Exkurse, die sich nicht in lexikalische Form bringen ließen. Daß Amon auch hier Querverbindungen zur Architektur oder zur Mathematik (Kapitel „Zahl und Form“), schlägt und auch zur physiologische Aspekte aufzeigt („Wahrnehmung von musikalischer Form“), unterstreicht die Bandbreite des Buches. Ob das Lexikon-Format grundsätzlich ein geeignetes Darstellungsformat ist, wird wie schon beim Lexikon der Harmonielehre jeder Leser für seine Zwecke selbst beurteilen müssen. Aber auch beim ziellosen Durchblättern (bei dem man sich schnell festlesen kann) gibt der auch physikalisch gewichtige Band eine Fülle von Anregungen.

Beispielbild


Reinhard Amon
Lexikon der musikalischen Form
Nachschlagewerk und Fachbuch zur musikalischen Form und Formung vom Mittelalter bis zur Gegenwart
In Zusammenarbeit mit Gerold Gruber

© 2011 Verlage Doblinger und J. B. Metzler


639 S., 191 s/w Abb., 695 farb. Abb.,
mit 591 Notenbeispielen
gebunden, 4-farbig

EUR 49,95 / CHF 54,00
ISBN: 978-3-476-02407-7

Weitere Informationen unter:
www.doblinger.at
www.metzlerverlag.de