„Alles ist möglich.“

Tykwer und Roehler über das Verhältnis von Phantasie und Technologie beim Filmemachen

von Tanja Guess/Red.

Die Regisseure Tykwer und Roehler über das Verhältnis
von Phantasie und Technologie beim Filmemachen

 
„Alles ist möglich.“

Internationaler Filmkongress:
Was neue Technologien für das Geschichtenerzählen leisten
Zum 23. Medienforum.NRW vom 20. - 22. Juni 2011
 
Über die Frage, welchen Einfluß die technologische Möglichkeiten auf das Geschichtenerzählen haben, sprach der Berliner Filmkritiker Jan Schulz-Ojala mit Tom Tykwer und Oskar Roehler. Befragt nach dem Verhältnis von filmischen Fantasien und deren Umsetzung betonte Tom Tykwer, daß Filmemacher zu jeder Zeit Bilder für ihre Ideen gefunden haben. „Bereits 'Lola rennt' wurde umfangreich digital bearbeitet“, sagte Tykwer. „Damit war das Feld 1997 neu bestellt.“ Vor 13 Jahren sei die Postproduktionsfirma Das Werk gerade gestartet. Damals habe die digitale Postproduktion ihn selbst fünf Monate lang am Monitor gehalten, heutzutage erfolge die Abstimmung über die Nachbearbeitung „vielleicht an einem Tag“.
„Alles ist möglich“, so Tykwer. Für ihn seien die neuen Technologien aber immer nur Werkzeuge, die Entwicklung von Geschichten beeinflußten sie aus seiner Perspektive nicht. Der Filmemacher Oskar Roehler hingegen sieht in den neuen Technologien durchaus Möglichkeiten, spezifische Stimmungen, besondere Räume und überzeugende Bilder zu finden. „Es geht um das Erzeugen von Zauber.“ Ein Regisseur wie Lars von Trier entwickle hier einmal mehr Pioniergeist und zeige, wie durch neue Technologien neue Bilder entstehen können.
Im Anschluß gewährten führende deutsche Digital-Effekte-Experten Einblick in ihre Arbeiten. Thomas Zauner von Scanline präsentierte vier Charaktere im Miniatur-Format, die er für den deutschen Familien-Unterhaltungs-Film „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ kreiert hat. „Wir haben bei Scanline eine Software entwickelt, mit der sich die Größenverhältnisse im Verhältnis von 1:7 verschieben lassen.“ Mit Hilfe dieses Effekts sei die Engel-Darstellerin auf eine Körpergröße von 20 cm verkleinert worden.

Axel Lemke, der bereits bei Peter Jacksons Großproduktion „Herr der Ringe“ in Neuseeland mitgearbeitet hat, zeigte seine jüngsten deutschen Kinofilmprojekte. Dazu gehören das Fantasy-Märchen „Krabat“ und der Vampir-Thriller „Wir sind die Nacht“, die ihn ein ganzes Jahr lang beschäftigt haben. „Neben der Arbeit des Regisseurs und des Produzenten beanspruchen visuelle Effekte die längste Zeit bei einem Film“, erklärte Lemke.
Die visuellen Effekte für große internationale Filmprojekte hat Christian Vogt, Geschäftsführer der in Deutschland und Los Angeles ansässigen Postproduktionsfirma Pixomondo, produziert. „Für Roland Emmerichs Endzeit-Thiller '2012' haben wir 70 Minuten Material previsualisiert“, berichtete Vogt. „Emmerich hat den Film schon im Kopf geschnitten, bevor er ans Set gekommen ist. Er besitzt ein phantastisches Gespür für Schnitt und Framing.“ Als aufwendig erwies sich die Bearbeitung von Lars von Triers Weltuntergangsdrama „Melancholia“, für das der Filmemacher eine ganz eigene Ästhetik entwickelte. „Er hat auf Effekte wie Feuerbälle verzichtet und mit einer Weltraum-Totale den Weltuntergang komponiert.“

Nach Ludger Pfanz vom 3D Digital Cinema Laboratory in Karlsruhe werden insbesondere die Stereo3D-Effekte in der Kinofilmproduktion längst nicht ausgeschöpft. „Das sind 2D-Filme mit 3D-Effekten, Stummfilme mit Tonspur“, so Pfanz. Die 3D-Produktion beginne bereits beim Drehbuchschreiben. Heutzutage sei es technisch möglich, Stoffe auf der Leinwand in Szene zu setzen, die bisher als unverfilmbar galten. „Wir müssen den Autoren Mut machen“, appellierte Pfanz, „frecher und freier in die Zukunft zu schauen.“