Salzburg

Stadtbilder III - Café Tomaselli

von Friederike Zelesko

Foto © Friederike Zelesko
Friederike Zelesko
 
Stadtbilder III
Café Tomaselli
 
 
Hier ist echte österreichische Provinz, im Caffe Tomaselli sitzen die Offiziere nur unter sich und da ist der Zusammenkunftsort aller Eleganz.
 
(Anton Romako, 1877)
 
 
Das meistbesuchte Gebäude am Alten Markt ist wohl das Haus Nr. 9. Schon vor Mozarts Zeiten kaufte der Sohn eines nach Salzburg gekommenen Tenors am Alten Markt 1705 ein Kaffeehaus, aus dem dann das „Tomaselli“ wurde.
 
Von der besagten Eleganz blieben die Lüster, die alten Ölgemälde an den holzgetäfelten Wänden mit Einlegearbeiten, die samtüberzogenen Bänke an ihnen, die dunklen Stühle und die runden Marmortische. Alles ein wenig abgenutzt. Auch der Griff nach den Zeitungen aus aller Welt ist abgenutzt – das Gedruckte jeden Abend Makulatur. Entweder man liest die Zeitung mit dem Ende des Zeitungshalters am Schoß oder legt sie auf die Tischkante und blättert darin.
 
Heute sitzen Alle unter sich, mit einer dieser typischen Bewegungen wenn das Zuckersäckchen geschüttelt wird. Dann folgt ein kurzer Riß und der Zucker fließt in die Tasse Mocca schwarz, oder gold (mit Obers), in die Tasse Melange (Mocca mit Milch und Schlag), in einen Einspänner (Mocca im Glas mit Schlag), in den Biedermeier Cafe (Mocca mit Marillenbrand und Schlag), in den Häferlkaffee (große Tasse gold mit Schlag) etc.
 
Elf Sorten Kaffee werden von den Kellnern in Schwarz, mit blendendweißen Hemden und schwarzer Fliege, auf einem silbernen Tablett serviert, mit dem unvermeidlichen Glas Wasser daneben. Nach dem ersten Schluck eines sündhaft starken Genusses weiß man auch warum. Schließlich gibt es empfindliche Mägen.
Die Kellner tragen die Tabletts mit einer Hand, meistens mit der rechten, den Daumen auf und vier Finger unter dem Tablett. Es sieht leicht aus. Im Gegensatz zu den Kuchenmädchen, die ihre  Kuchentabletts auf einer Schulter tragen und mit der ganzen Handfläche abstützen. Das sieht schwer aus. Man kann hier von einer Kaffee- und Kuchentrennung sprechen. Erst der Kaffee, dann der Kuchen. Eine Wiedervereinigung am Tisch ist unausweichlich und macht Appetit, auch beim Zusehen.
 
Die Schwerstarbeit wird hier vom weiblichen Geschlecht im wahrsten Sinne des Wortes geschultert. Die hausgemachte Mehlspeis in Form von Torten, darunter die beliebte Mozarttorte (mit oder ohne Schlag), Biskuitrouladen, Cremeschnitten, Strudel, Joghurttörtchen und Fruchttörtchen, Schnecken, Guglhupf und Sandkuchen etc., winken hinter einem gekühlten Buffett mit Glastüren. Diese öffnen und schließen sich unter den Händen der Kuchenmädchen mit blendendweißen Schürzen. Die Rüschenvolants an den Trägern und Säumen der Schürzen über einem schwarzen Kleid unterstreichen das Flair von drei Jahrhunderten. Die Mädchen stellen eine Auswahl dieser Köstlichkeiten, zusammen mit einem turmhohen Stapel von kleinen Tellern, auf ein riesiges Tablett, das sie anschließend auf eine ihrer bereits erwähnten Schultern stellen und mit der flachen Hand ausbalancieren. Die Extraportion Obers in der Silberschale tragen sie mit der rechten Hand in Brusthöhe. Das sieht sehr leicht aus. So gehen sie von Tisch zu Tisch und stellen das Tablett direkt vor die Augen der Gäste. Kaum einer kann diesem köstlichen Anblick widerstehen. Mit einer silbernen Zange fassen die Kuchenmädchen geschickt nach den Torten und stellen sie auf die mitgebrachten Teller und kassieren sofort. Das Kuchengeschäft floriert dermaßen, daß sie unaufhörlich beim Buffett ihre Tabletts erneut beladen, die spitzen Tortenstücke drehen und wenden, damit alles paßt und schön aussieht.

            Der süße Duft der Kuchenmädchen zieht sich so durch das ebenerdig gelegene Ur-Café, hinauf ins Obergeschoß und auf die Sonnenterrasse mit Blick auf den Alten Markt und die Festung Hohensalzburg. Bereits 1753, also drei Jahre vor Mozarts Geburt, erhielt Karl Tomaselli, der heute auf dem Friedhof St. Peter ruht, für seine Verdienste um die Kaffeehauskultur Wappen und Titel „Hochfürstlich Hoffbefreyter Caffee Süder und Chocolatmacher“. Das Kaffeehaus wurde in der Familie Tomaselli von Generation zu Generation weitergegeben und überlebte die Wirren der Geschichte. Nur nach dem zweiten Weltkrieg hatte das Café mal einen anderen Namen. Es wurde von den Amerikanern beschlagnahmt und unter dem Namen Forty Second Street Café gewissermaßen als amerikanischer Coffee-Shop betrieben. 1950 wurde es der Familie Tomaselli jedoch zurückgegeben. Das Café wird mittlerweile in der fünften Generation von der Familie geführt.

             Und so ist es auch nicht verwunderlich, daß der frische Teint des Kuchenmädchens strahlt, als eine Gruppe amerikanischer Touristen fragt, wo sie Platz nehmen soll. „Wherever you want“, ist ihre süße Antwort. Doch das ist nicht so einfach, denn das Kaffeehaus ist immer voll und da ist es verständlich, daß der Kellner, falls man schon etwas zu lange sitzt, kommt, und den Kaffee kassiert. Er zückt einen dieser altmodischen, schmalen Blocks der Salzburger Brauerei Trumer, auf dem man dann unter der schnell in seinem Kopf errechneten Summe den Spruch lesen kann: Einfach leben.
 
Auch da hält man sich an die Tradition, passend zu den mit Milchglas einfaßten Messinglampen. Messingkleiderhaken und runden Holzsäulen, die eine blendendweiße Stuckdecke stützen. An der Rückwand des Cafés gibt es einen großen Spiegel, der den Raum um ein Vielfaches in seine Spiegelwelt erweitert. Man möchte hineinsteigen und für immer bleiben.
 

Foto © Friederike Zelesko
 

© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2011