Tag der Deutschen Wehrmacht

von Rudolf Engel
Tag der Deutschen
Wehrmacht
 
Wir hatten gelernt, daß Tiere nicht spielen können, außer als Jungtiere, die sich im Jagen und Töten üben müssen. Ich glaubte es, bis ich während der Seilbahnauffahrt zum Lagazoui von 2000 auf 2800 m Höhe zusah, wie ein ausgewachsener Adler mit der ganzen Spannweite seiner Flügel, vor unsern Augen kreisend, sich mit uns in die Höhe erhob, oben über uns weiter kreiste, ohne auch nur einen einzigen Flügelschlag gemacht zu haben.
 
Daß Geschichte linear fortschreitet; ergo sich nicht wiederholt; auch das ist eine These, die heute noch gilt. Aber daran hatte ich schon viel früher nicht mehr geglaubt.
Vor einigen Tagen zeigten sie in den ZDF-Nachrichten Bilder, die mir aus alter Zeit sehr bekannt vorkamen: Da knieten irgendwo in Deutschland auf einem Truppenübungsplatz Jungen und Mädchen in Reih und Glied, das Gewehr im Anschlag - ihre Gesichter hatte das Fernsehen unkenntlich gemacht – und schossen nach Anleitung von Soldatenpädagogen (Pädagoge = griech. Jungenzieher) auf ein aus Pappmaché nachgebautes Kosovo-Dorf.

Wie sich die Bilder gleichen! Diese Bilder, der Rauch aus den Gewehrläufen und das Knallen, all das kam mir so bekannt vor, obwohl das selbst Erlebte genau 71 Jahre her ist.
Mitte März 1940, an einem heiteren Sonntag, besuchte ich, neunjährig, mit Mutter unsern Vater, den Obergefreiten Willi Engel in den Kasernen von Kaiserslautern, wo junge Männer für den Fronteinsatz ausgebildet wurden. An diesem sogenannten „Tag der Deutschen Wehrmacht“ brachte man uns Kindern das Reiten auf schnellen Pferden bei, das Fahren im offenen Geländewagen, das Abziehen und Zielwerfen von Handgranaten sowie das  Schießen mit Kleinkalibergewehren. Wir zielten und drückten ab auf aufgemalte Soldatenköpfe, die sich dadurch auszeichneten, daß sie andere Stahlhelme trugen als unsere Truppen.
Ganz begeistert kehrte ich in mein kleines Dorf an der Unteren Saar zurück, wo ich ein Jahr später die braune Uniform fürs Jungvolk bekam. Und als  sich im Oktober 1944 die Alliierten unserm Grenzfluß näherten, da betete ich zu Gott, der Krieg möge noch eine Weile dauern, damit ich noch zum Fronteinsatz kommen könnte.
 
 
© 2011 Rudi Engel