Zwischen Historie und Haute Cuisine - Irlands lieblicher Südosten

Wo die grüne Insel bunt ist, gibt es Ruinen, edle Schlösser und Rehbraten im Heupullover

von Susanne Peyronnet
Ein Ire von echtem Schrot und Korn: Jack
Burtchaell erzählt mit Hingabe über die
Stadt Waterford
Zwischen Historie und Haute Cuisine
Irlands lieblicher Südosten:
Wo die grüne Insel bunt ist, gibt es Ruinen,
edle Schlösser und
Rehbraten im Heupullover.
 
Ein Gastbeitrag
von Susanne Peyronnet
 
Jack Burtchaell und Donnchadh (sprich: Donaka) O’Ceallachain springt der Stolz aus jedem Knopfloch, wenn sie über ihre Stadt und deren Geschichte sprechen. Waterford, ganz im Südosten, ist die älteste Stadt Irlands. Gegründet von den Wikingern, erobert und verwaltet von den Normannen, atmet Waterford Geschichte.  
Wer nun glaubt, eine Rundreise im lieblichen Südosten Irlands sei bei so viel Geschichtsträchtigkeit so trocken wie eine schlecht vorbereitete Unterrichtsstunde, der irrt gewaltig. Das liegt schon am Bier, das hier in drei weltberühmten Sorten aus den Zapfhähnen strömt, gekrönt von dichtem, weißem Schaum, als habe jemand eine Scheibe Styropor oben auf den Trank gelegt: Guinness, Kilkenny und Smithwicks. Daß die Iren zu trinken und zu leben wissen, beweisen ihre Witze: "Die große irische Lüge: Dies ist mein letztes Bier."
 
Die grüne Insel ist bunt.
 
Wer sich dahin aufmacht, bekommt den ganzen Reigen des Lebens geboten: Historisches aus beinahe allen Jahrhunderten, Pittoreskes und Idyllisches, Beschaulichkeit und quirligen Einkaufsspaß - "You can shop till you drop" (Du kannst einkaufen, bis du umfällst.) -, Gourmetküche und das pralle Leben in urigen Pubs. Garniert mit einer Portion Grusel. Häufigste Frage: "Is there a ghost? - "Gibt es hier einen Geist?" Automatische Antwort: "Of course! - Selbstverständlich! "

Foto © Susanne Peyronnet 
Die historischen Zeugnisse in diesem oft so schwer gebeutelten Land liegen auf der Zeitschiene zwischen Steinzeit und 19. Jahrhundert, zwischen Archäologie und Kunstgeschichte. Burtchaell und O’Ceallachain sind gar nicht mehr zu bremsen, wenn sie auf die Vergangenheit von Waterford zu sprechen kommen. Dort wurde nicht nur der erste irische Frosch entdeckt, es ist auch die einzige Stadt in Europa, in der die katholische und protestantische Kathedrale vom selben Architekten erbaut werden durfte. Waterford ist die erste irische Stadt, die von Artilleristen belagert wurde, von Cromwell auch, und es war die erste, die ihm standhielt. Waterford hat die älteste katholische Kathedrale in Irland in dieser Stadt wurde Luke Wadding geboren - der einzige Ire, der jemals für das Papstamt kandidierte. Das alles und viel mehr läßt sich bei einem Stadtrundgang und bei einem Besuch im gerade als bestes irisches Museum 2010 ausgezeichneten Waterford Museum of Treasure lernen.
Im Museum steht auch ein Exponat, auf das O’Ceallachain besonders stolz ist: Der Hut von Heinrich VIII. aus dem Jahr 1536. Einziges Überbleibsel der Kleidung jenes Mannes, der sich mit der katholischen Kirche überwarf, um seine sechs Ehen durchzusetzen, wobei er zwei seiner Ehefrauen via Schafott ins Jenseits beförderte. Scheidung auf "old english".
 
Die ganz frühe Geschichte Irlands, weit vor dem heiratswütigen Heinrich, dokumentieren das

Die Küche der Bronzezeit: Beim "Fulacht Fiadh" schwimmt das Fleisch im
Heupullover in kochendem Wasser, hier vorgeführt für Schulkinder
Freiluftmuseum Irish National Heritage Park mit bronzezeitlichen Gräbern und dem Nachbau eines frühmittelalterlichen Bauernhofes und eines ebenso alten Klosters. Dort erleben die Besucher eine wirklich ungewöhnliche Art, ein Reh zu garen, genannt "Fulacht Fiadh".  
Um es kurz zu machen: Grube ausheben, Wasser rein, Fleisch in Heu einwickeln, verschnüren und ins Wasser schmeißen, im Feuer erhitzte Steine hinterher werfen, immer wieder und wieder, sodaß das Wasser leise vor sich hin köchelt. Ein paar Stunden warten - gerechnet werden 20 Minuten pro 500 Gramm Fleisch -, fertig. Das aus seinem Heupullover gewickelte Fleisch sieht appetitlich aus und schmeckt genauso lecker. Davon können sich Parkbesucher überzeugen, auch wenn dort Schwein statt Reh ins Wasserbad kommt.
 
Ob Schwein oder Reh, das wäre den Opfern der großen irischen Hungersnot von 1845 bis 1849 gleich gewesen, Hauptsache, etwas zu essen. Vom großen Drama der grünen Insel zeugt noch heute der Dreimast-Segler "Dunbrody", der in der Stadt Ross liegt. Mit ihm wagten verzweifelte Iren die Überfahrt in die Neue Welt.  
Man muß schon besonders sensibel sein und sich gut auskennen in der irischen Geschichte, um ein paar Kilometer weiter den Zusammenhang zwischen dem Hungerschiff "Dunbrody" und Dunbrody Country House herzustellen. Hier residieren Kevin und Catherine Dundon, Irlands Fernsehkoch

Kochen auf hohem Niveau: Sebastien Gerber in der Kochschule von
Dunbrody Country House - Foto © Susanne Peyronnet
Nummer eins und seine Frau, die nicht nur ein sehr stilvolles Hotel und ein Spitzenrestaurant betreiben, sondern auch eine Kochschule. Dort gibt Sebastien Gerber, Franzose aus dem Elsass mit Kocherfahrung aus Dubliner Sterne-Restaurants, eine kurze Vorführung seiner Kunst. Alles ganz einfach, wenn man ihm zuhört und zusieht. Dabei preist er das milde Klima des Südostens, das es ermöglicht, alles, was die Küche an Obst und Gemüse fordert, im eigenen Garten zu ziehen. Wie mild es hier ist, springt einem an jeder Straßenecke ins Auge, wo wilde Palmen wachsen. Der Wind bringt die Samen aus Nordafrika, und an Irlands südöstlicher Spitze fallen sie auf fruchtbaren Boden.
 
Schlösser wie Perlen an einer Schnur
 
Dunbrody Country House reiht sich ein in den Kleinmädchentraum, der auf der irischen Insel wahr geworden ist. Hier stehen Schlösser aufgereiht wie Perlen an der Kette, in viele dürfen Besucher hinein. Entweder, weil die Gemäuer für Touristen geöffnet sind, oder weil sie als Hotels genutzt werden. Schloßhotel-Hopping in Irland schöner schlafen!  
Wem es nicht vergönnt ist, sich in einem Herrensitz ins Himmelbett sinken zu lassen, bekommt im Rossborough-House einen Einblick in hochherrschaftliche Schlafgemächer. Samt Himmelbett, holzverkleideter Badewanne und edlen Tapeten.
Der Landsitz ist heute ein Museum, ebenso wie Kilkenny Castle, ein paar Kilometer weiter, wo Führungen dem Besucher einen Einblick in vergangene Pracht gewähren. Allein die 45 Meter lange Gemäldegalerie mit im keltischen Stil bemalter Holzdecke ist beinahe so eindrucksvoll wie der Spiegelsaal von Versailles.
Daß auch große Namen der Popkultur alt-irische Herrlichkeit zu schätzen wissen, beweisen das im ältesten Teil 720 Jahre alte Barberstown Castle und sein Besitzer Kenneth Healy. Dereinst kaufte er das Hotel von Eric Clapton, baute es um, erweiterte es zweimal und kreierte ein Haus, das wegen seiner Nähe zu Irland und seiner bewegten Geschichte heute gern von Prominenten aufgesucht wird.
Allein drei James-Bond-Darsteller - Sean Connery, Timothy Dalton und Pierce Brosnan - betteten hier ihr müdes Haupt. Bob Dylan nächtigte im Schloßhotel, um ganz in der Nähe ein neues Album aufzunehmen, und David Beckham und seine Ehefrau Victoria stiegen ebenfalls in Barberstown ab. "Very nice people." (Sehr nette Leute). Gern berichtet Kenneth über diese Gäste, deren Namen dezent auf einem gerahmten Briefbogen in der Bar verewigt sind.  
Selbstverständlich gibt es auch in Barberstown Castle einen Geist. Eine Frau im grauen Gewand, die unversehens in Zimmer 4 auftaucht. Wer dort schläft und der Dame begegnet, ergraue über Nacht, berichtet der Hotelbesitzer. Umgekehrt, sagt er noch, funktioniere das leider nicht. Einmal grau, immer grau.
Ganz anders als die grüne Insel Irland.


Rock of Cashel  - Foto © Susanne Peyronnet

Fotos © Susanne Peyronnet

Lesen Sie auch eine weitere Reportage aus ddem Südosten Irlands:   Hier

Redaktion: Frank Becker