Können Männer und Frauen Freunde sein?

Thomas Gimbel inszeniert am TiC „Harry & Sally“

von Frank Becker
Ein intelligentes Feuerwerk
 
Thomas Gimbel inszeniert am TiC
die Bühnenfassung der
romantischen Komödie
 „Harry & Sally“
von Marcy Kahan
 
Regie: Thomas Gimbel – Bühne: Iljas Enkaschew – Kostüme: Kerstin Faber
Besetzung: Elisabeth Wahle (Sally Albright) – Benedict Schäffer (Harry Burns) – Marie (Ina Schall) – Jack (Andreas Wirth) – Joe/Ira (Patrick Blanke-Schelle) – Helen (Jule Companie)
 
Der Film von Rob Reiner mit Meg Ryan und Billy Crystal aus dem Jahr 1989 ist legendär geworden, nicht zuletzt wegen einiger oft zitierter Schlüsselszenen, die Filmgeschichte geschrieben haben. Auf die spitzte natürlich auch das Publikum der ausverkauften Premiere im Wuppertaler TiC-Theater am vergangenen Freitagabend. Regisseur Thomas Gimbel hat die Erwartungen mit viel Witz und sicherer Hand erfüllt, indem er sich bei seiner Inszenierung von Marcy Kahans Bühnenfassung (Deutsch von Isabel Welz) sehr treu an die Filmvorlage gehalten hat – und ist gut damit gefahren.
 
„Kann ein Mann nicht sagen, daß eine Frau attraktiv ist, ohne daß man ihm unterstellt, sie anzumachen?“
 
Gimbel, selbst ein erfahrener Bühnen- und Fernsehschauspieler, weiß Pointen zu setzen – und an solchen mangelt es in Nora Ephrons Filmdrehbuch der Vorlage „When Harry met Sally“ wahrlich nicht. Es ist ein Stück schneller, knackig anspruchsvoller Dialoge, sympathisch und witzig, mit archetypischer dramatis personae besetzt und durch die Entlarvung aller nur denkbaren Klischees von allerhöchstem Wiedererkennungswert für wirklich jede/n. Da ist zum einen der von sich und seinen Theorien über die sexuellen Konstellationen und Abläufe zwischen den Geschlechtern überzeugte Hochschulabsolvent Harry Burns, ein smarter Bursche, zum anderen die etwas exzentrische, und – sagen wir es vorsichtig – erotisch anscheinend ein wenig zu kurz gekommene Sally Albright, die ebenfalls gerade ihr Studium abgeschlossen hat. Der eine Tag ihrer ersten Begegnung wird ihr weiteres Leben (und die straff inszenierte Handlung) bestimmen. Trotz aller Widerborstigkeit zwischen beiden läßt Thomas Gimbel das leise Knistern spüren, das zwischen ihnen von Anfang an die Atmosphäre bestimmt, wenn sie auch ständig unterschiedlicher Meinung sind. So steht Harry auf dem Standpunkt, Männer und Frauen könnten einfach nicht miteinander befreundet sein, weil einer Freundschaft immer der von beiden  gewünschte Sex im Weg sei. Sally steht dem diametral gegenüber.
 
„Männer und Frauen können nicht miteinander befreundet sein.“
 
Die Wege Sallys (mit Elisabeth Wahle hat Gimbel die spitzfindig wortgewandte Idealbesetzung gefunden) und Harrys (Benedict Schäffer kann die Balance zwischen Forschheit und Verletzlichkeit hervorragend halten) trennen sich nach dem ersten Zusammentreffen, doch zwischen Liebesaffären, Trennungen und Kümmernissen auf beiden Seiten, führen schicksalhafte Begegnungen die zwei immer wieder da oder dort zusammen. Sallys Sicht der Dinge scheint sich durchzusetzen, es entsteht eine vertrauensvolle Freundschaft. Heiraten? Kein Gedanke. Denn man heiratet nur, um sich nicht mehr verabreden zu müssen. Und ganz nebenbei als Runnig Gag: Arthur wird seine Frau niemals für Marie verlassen. Die findet dafür Jack. Paßt.
Der Zuschauer aber ahnt: das ist nicht alles. Nach einem ernsthaften – natürlich durch den vermaledeiten Sex ausgelösten – Bruch zwischen Harry und Sally wird es letztenendes mit einem zärtlichen Kuß und Sallys berühmten Satz „Halt doch einfach die Klappe“ zum glücklichen Ende kommen.
 
„Heiraten? Nur um sich nicht mehr verabreden zu müssen.“
 
Bis dahin: viel Tempo und Turbulenz, gefühlvolle Dialoge, Pointen im Sekundentakt. Motivierte Mitspieler - vor allem Andreas Wirth tut sich als Harrys bester Freund Jack auch als Idealbesetzung hervor – tragen ebenso zum Gelingen bei. Im Zentrum aber der beredte Harry und die zauberhafte Sally, die mit ihren komplizierten Restaurantbestellungen, ihrer Haarspalterei und nicht zuletzt mit dem klassischen vorgetäuschten Orgasmus (der durfte einfach nicht fehlen!) punktete. Vor dem variablen, reduzierten Bühnenbild von Iljas Enkaschew und dem von Thomas Gimbel an den Original-Soundtrack angelehnten paßgenauen musikalischen Hintergrund rollen die Darsteller, denen man Spielfreude und überwiegend höchste Professionalität bescheinigen kann, das Panorama New Yorks und der Lebensart einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Gruppe junger, arrivierter – aber frustrierter – Menschen auf. Das geschieht heiter und mit Tiefgang, doch ohne den Zynismus eines Woody Allen. Eine romantische Komödie eben. In ganz hervorragend gemachten Filmeinblendungen marschieren zwischendurch Mitglieder des TiC-Ensembles analog zur Kinofassung mit Zeugnissen der Liebe auf. Fazit: Allen ist eines gleich: der Wunsch, glücklich zu sein. Das Stück führt unsere Protagonisten dorthin – und die gelungene Inszenierung auf ihre Weise das Publikum. Sehr zu empfehlen.
 
Weitere Informationen unter: www.tic-theater.de