Mit „leidenschaftlicher Distanz“

Das Berliner Künstlerpaar Monika und Uwe Döbbeke

von Friederike Hagemeyer

Monika Döbbecke, Stele - Foto © Uwe Döbbeke
Mit „leidenschaftlicher Distanz“
Das Berliner Künstlerpaar
Monika und Uwe Döbbeke
 
 
Kennen gelernt habe ich sie während einer ornithologischen Exkursion; Uwe macht eifrig von seiner Fotoausrüstung Gebrauch, und an Monika fällt mir auf, daß sie das minimalste Gepäck von uns allen bei sich hat; konsequent hat sie alles Überflüssige aussortiert. Erst gegen Ende der Reise erfahre ich von ihren eigentlichen künstlerischen Tätigkeiten: Monika ist Keramikerin und Uwe künstlerischer Fotograf.  Ihre Werke bekomme ich bei einem Besuch in ihrer Berliner Wohnung zu Gesicht und höre Näheres über sie selbst und ihren Werdegang.
 
„Man weiß nie, was dabei herauskommt“ –
Monikas archaische Keramik
 
Die Ur-Berlinerin beginnt schon als junge Frau mit Ton zu arbeiten, damals eher als Ausgleich zum Brotberuf Bankkauffrau. Familie und Arbeit lassen ihr künstlerisches Interesse in den Hintergrund treten, doch seit etwa zehn Jahren entdeckt sie die künstlerische Keramik wieder neu; sie vertieft ihre Kenntnisse autodidaktisch und durch Teilnahme an Kursen. Von der Töpferscheibe wechselt sie zur viel älteren Aufbautechnik, vom Brennen im elektrischen Ofen, bei dem die Temperaturen einstellbar und damit kontrollierbar sind, zum archaischen Feld- oder Schmauchbrand, einem Verfahren, bei dem das Ergebnis vom Brennmaterial, aber auch von Wind und Wetter abhängt; die Temperaturen sind nicht steuerbar.
Die Bezeichnung „archaische Brände“ für diese Methode kommt nicht von ungefähr, denn erste Kleinplastiken aus gebranntem Ton sind bereits vor ca. 25.000 bis 30.000 Jahren in Europa entstanden. Die ältesten Keramikgefäße sind in Japan um ca. 13.000 v.Chr. nachgewiesen. Nach heutigem Wissensstand wurde die frühe Töpferware überall im „offenen Feldbrand“ hergestellt.
Mit den alten von Monika bevorzugten Techniken ist sie zu den Anfängen zurückgekehrt, und Ursprünglichkeit strahlen ihre Werke auch aus: einfache, klare Linien und Formen, erdige Farben, rotbraune, weiße und schwarze Töne überwiegen, Glasuren kommen fast nicht vor, zur

Monika Döbbeke - Objekt
Unterstreichung werden lediglich Sulfate, Oxyde oder Engoben eingesetzt, und ab und zu leuchtet ein Blickfang, ein kleines Detail in Gold oder Platin auf. Ihre Schalen, Stelen, Skulpturen, Vasen und Kugeln haben etwas Erdverbundenes, etwas Bodenständiges, sie haben nichts Überflüssiges, keinen modischen Schnickschnack und keine Kinkerlitzchen an sich. Sofort fühle ich mich angesprochen; unwillkürlich strecke ich die Hand nach einer der Schalen aus, um sie zu berühren; die polierte, fast samtige Oberfläche verführt einfach dazu, immer wieder darüber zu streichen.
Es erstaunt mich deshalb nicht, als Monika berichtet, ihre besondere Aufmerksamkeit gelte neben den „Überraschungsbränden“ den Oberflächen ihrer Objekte.
 Es gibt Kugeln, Stelen und Pflanzschalen mit rauhen, fast ruppigen Oberflächen für Terrassen und Gärten. Sie will, daß sich draußen im Freien auf ihnen etwas ansetzt, grüne Algen z.B. und daß sich die Objekte durch Oxidation verändern, allmählich anfangen ein Eigenleben zu führen. Denn Monika betrachtet diese Werke niemals als abgeschlossen, gespannt beobachtet sie die natürlichen Veränderungen. „Ich übergebe den Rest in die Hände der Natur“, sagt sie.
Gefragt, woher sie Anregungen und Inspiration für ihre künstlerische Arbeit erhält, kommt die Antwort prompt: „Wer mit Achtsamkeit durch die Welt geht, wird die Schönheit und Eleganz der Natur entdecken. Es gibt immer etwas zu bestaunen, und zu beobachten und etwas, woran man sich erfreuen kann, nicht zuletzt die Vögel.“
 
„Durch die Kamera sehe ich die Welt“  - 
Uwes Bilder und Bildergeschichten
 
Es ist ihm noch immer anzuhören, Uwe ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Von Anfang an

Monika Döbbeke, Mondvase
haben ihn Bilder und Bildergeschichten fasziniert  -  „und mir die Welt erklärt“. Im visuellen Erleben „geht mir plötzlich ein Licht auf“, ein Aha-Erlebnis stellt sich ein; in einer undurchdringlich scheinenden Fassade „tut sich plötzlich ein Spalt auf“. So beschreibt Uwe Döbbeke, wie er seine Sujets findet und zu ihrer künstlerischen Umsetzung gelangt.
Bilder, dieses Thema durchzieht sein ganzes (Berufs-)Leben, doch die Ausdrucksmittel ändern sich: Experimentelle Filme, Kurz- und Dokumentarfilme und immer wieder auch Fotografie. Laufende und stehende Bilder wechseln sich in Uwes Werk ab, stehen in Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Im Zyklus „Passagen“ beispielsweise erstarrt die Bewegung der Passanten zur Fotografie. Umgekehrt werden die Fotos der „Himmelsleiter“ und der „Großen Worte“ neu zu einem Mobile gestaltet. Statische Bilder fangen an sich zu bewegen, und ein Drittes tritt hinzu: Sprache. Durch die Bewegungen des Mobile entstehen neue Sinn- und Bedeutungszusammenhänge. Vielleicht hat Uwe nicht ohne Grund Germanistik studiert, in seine Magisterarbeit aber wieder das Thema Film einbezogen.
Ende der 1990er Jahre bekommt Uwe eine einfache halbautomatische Fotokamera, eine „Lomo“, geschenkt. Mit diesem Fotoapparat - der sowjetische Nachbau einer japanischen Kamera, entwickelt für den Geheimdienst KGB - beginnt Uwe zu experimentieren und erschließt sich einen eigenen Zugang zur künstlerischen Fotografie.
Besonders beeindrucken mich Uwes Fotos aus der Serie „Passagen“, aufgenommen in dem mir vermeintlich so wohlbekannten Zwischengeschoss des Bahnhofs Potsdamer Platz. In den Bildern zeigt sich plötzlich eine fast unwirkliche Welt, wie unter Wasser, „durch die sich Menschen, ihre Spiegelungen und ihre Schatten bewegen.“


© Uwe Döbbeke, Passagen - Portraits 2001
Auch die „Doppelbelichtungen“ ziehen mich an; es ist als ob verschiedene Vorstellungen und Assoziationen zu einem Thema in einem Bild vereinigt sind. Diese Serie präsentierte Uwe 2001 zusammen mit Monika in einer sehr erfolgreichen Ausstellung.
Aber die Bilder der Serie „Mauern“ üben einen ganz eigenen Reiz auf mich aus, denn sie zeigen, welche Kunstformen die Natur aus „Menschenwerk“ macht: Hitze und Frost sprengen die Steine aus Ton, Wind und Regen zerbröseln den Mörtel und geben ihm neue Formen, grüne Algen setzen sich an, winzige Pflänzchen nisten sich in Ritzen und Spalten ein. Unübersehbar ist die Nähe zu Monikas archaischer Keramik, an der die Natur auch künstlerisch weiter schaffen darf.
 
Respekt vor der künstlerischen Arbeit des Anderen
 
Auf meine Frage, inwieweit sich Monika und Uwe künstlerisch gegenseitig beeinflussen, erfahre ich von einer Art Übereinkunft: in der Phase der Ideenfindung und Projektplanung diskutieren sie viel,

Monika und Uwe Döbbecke - Foto: Döbbeke
zeichnen gemeinsam, beraten sich gegenseitig, ein reger Gedankenaustausch findet statt. Der aber endet, wenn  es an die künstlerische Ausführung geht. Dann ist die Zeit gekommen, „die Dinge einfach stehen zu lassen.“ Die Basis dafür, daß jeder der beiden seine eigenständige künstlerische Entwicklung weiter verfolgen kann trotz des langjährigen nahen Zusammenlebens, ist  „die Achtung vor der künstlerischen Arbeit des Anderen“.
Uwe spricht von „leidenschaftlicher Distanz“, die ihre Beziehung zueinander prägt.
 
Uwe Doebbekes Webseite: www.uwe-doebbeke.de/fotografien.html

Fotos: Doebbeke
Redaktion: Frank Becker