Schlösser, Burgen und Geschichte

Bozens schöne Umgebung (Teil 2)

von Frank Becker

Runkelstein - Foto © Frank Becker
Schlösser, Burgen
und Geschichte
 
In der malerischen Umgebung
von Bozen
(Teil 2)

Gestern haben wir geschlemmt und zugegeben ohne große körperliche Anstrengung eine herzhafte Törggelen-Tour „bewältigt“, also wollen wir den nächsten Ausflug der Geschichte und Kultur der Region widmen. Die findet man außergewöhnlich ergiebig auf Schloß Runkelstein, einem wunderbar erhaltenen Prachtexemplar aus der Vielzahl der Südtiroler Burgen und Schlösser, das unter der Verwaltung der "Stiftung Bozner Schlösser" hervorragend restauriert worden ist.

Schloß Runkelstein

Runkelstein
(„runchenstayn“) ist am Eingang zum Sarntal, hoch über dem Fluß Talfer strategisch bedeutend gelegen - gegenüber der im Gegensatz zu ihr nicht bewirtschafteten Burgruine Rafenstein auf der anderen Talseite - mit dem größten erhaltenen profanen Freskenzyklus des Mittelalters ein beeindruckendes und wohlerhaltenes Monument der Südtiroler Kultur. Bereits im frühen 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt, kann die befestigte Burganlage  eine bewegte Geschichte mit vielen Besitzerwechseln verzeichnen, bis sie 1893 in den Besitz der Bozner Bürger überging. Zu diesem Zeitpunkt waren auf Veranlassung von Kaiser Franz Joseph alle im Laufe der Zeit durch Blitzschlag, Feuer und Absturz beschädigten oder vernichteten historischen Gebäudeteile wieder aufgebaut, erneuert oder restauriert worden, insbesondere die prachtvollen mittelalterlichen Fresken, die von der Geschichte Runkelsteins erzählen. Keinen geringen Anteil daran hatte König Ludwig I. von Bayern, der als der erste „Tourist“ auf Runkelstein gelten darf und der sich besonders für den Erhalt der unschätzbaren Fresken eingesetzt hat.


Teil der Tristan-Fresken - Foto © Frank Becker

Bei einem Rundgang erzählt Dr. Helmut Rizzolli, Präsident der Stiftung Bozner Schlösser, daß auch die geisteswissenschaftliche Historie des Schlosses bedeutsam ist. So entstanden Teile der Sendlinger Weltchronik des Heinrich von München auf Runkelstein, besuchte Joseph Viktor von Scheffel 1855 die Burg und verewigte die Tristan-Fresken mit der Ballade „Runglstein bei Bozen“ nicht nur in seinem Band „Gaudeamus“, sondern auch in seinen italienischen Reiseerinnerungen:

Aus dem Reisebericht Joseph Viktor von Scheffels

Also verließen wir nach einem tapferen Mittagsmahl die solide Herberge »zum Mondschein« in Bozen und schritten unter Führung eines demütigen Studentleins, das bei den Franziskanern dort Latein lernte, durch die rebumrankten Gelände, aus denen schon einzelne Cypressen als italische Schildwachen aufragen, und kamen am Hause des unter die Heiligen, unbekannt warum, aufgenommenen »Armen Heinrich« vorüber und freuten uns des Blickes hinab in das reiche Etschtal und auf die hohe Mendola, und seitwärts nach den zackigen Kuppen und weiten Schneefeldern des hohen Schlärn, und bogen in ein enges, liebliches Seitental ein, ähnlich dem der Passer, wo sie an der Zenoburg vorüber den Mauern Merans entgegenströmt. Und war schon allerhand Schlinggewächs und südliche Vegetation um die Felsen, die deutsche Eiche zu unansehnlichem Strauch zusammengeschrumpft, aber üppig blühender Flieder und wilde Rosen rings umher, und die Talfer


Runkelstein, Blick nach Bozen - Foto © Frank Becker

brauste lustig in grünweißchäumenden Wellen in der Tiefe. Auf senkrecht aufsteigendem Felsen hob sich der Runglstein mit Turm und Mauern, die zumeist noch überdacht sind, vor uns empor, während genüber der alte Ravenstein hoch in die Lüfte ragt und in der Tiefe noch manch ein ander schloßartig Gebäu sein Haupt aufstreckt. Ein verfallen Thor mit Brücke öffnet den Eingang, und schon im Hof schauen verwitterte Gestalten den fremden Gästen entgegen; da zieht sich ein Söller mit hölzerner Galerie um die Wand des Wohngebäudes, riesige Rittersmänner sind dort in Fresko gemalt, Helden der Geschichte und Dichtung, der alte Hagen stützt sich grimmig auf sein Schwert, und Dietrich von Bern und Dietlieb von Steyer und fabelhafte Riesen und Ungetüme des Heldenbuchs ... und wenn man eintritt in den verrauchten Saal und sich zur Linken wendet, tut sich ein Gemach auf, dort scheint die Sonne durchs Rundbogenfenster auf wohlerhaltene, graugrün gemalte Schilderungen zu Gottfried von Straßburgs trefflichem Sang von Tristan und Isolt – hier die Werbefahrt Tristans nach Island, dort der König Mark, wie er dem Schiff entgegengeht und aus seines Neffen Hand die Gemahlin empfängt ... und Tristan mit Isolden im Wald schlafend, das Schwert zwischen ihnen, und die Vermummung als Pilgersmann, wie sie zu dem Gottesgericht ziehen muß – und die treue Brangäne ... und neben

Tristan-Fresko Detail - Foto © Frank Becker
diesem Gemach, das einst zugleich die Bücherei der Burg war, eine trauliche, mit altem Gewaffen und Rüstung geschmückte Trinkstube ... und dann wieder ein umfangreicher Saal mit prächtigen Erkerfenstern senkrecht über der Talfer und großen, farbigen Darstellungen ritterlichen Lebens und Treibens – ernst und reich wie die Miniaturen in Tschachtlans Chronik auf der Wasserkirche zu Zürich – und säulengetragenem Kamin und prächtiger kleiner Seitenkapelle mit einem Flügelaltärlein und bemalten Glasscheiben und einer unaussprechlich wehmütigen Stimmung ... Alles zusammen ein Platz wie gemacht für Menschenkinder unseres Schlages, und würd' ich mir's gern gefallen laßen, vom Bischof zu Trident, dessen itzt die Burg ist, zur Strafe für meinen Ekkehard auf Jahr und Tag im Runglstein eingesperrt zu werden, um mit etlichen alten Chroniken und altem Wein, mir zur Buße und Gott zur Ehr, einen besseren historischen Roman zu verfassen, als jenen ersten. Und auch dem Meister Anselm schwebte es wie große Historienbilder – und einsam betende, schwarze Frauen und reiche Hochzeitszüge vor dem Sinn, und während er das schmucke Altärlein seinem Skizzenbuch einverleibte, setzte ich mich in einem Erkerfenster fest und ließ einen Trunk Weines kommen, nachdem mir das Studentlein zum Abschied für eine Gabe von zehn Kreuzer Münz die Hand hatte küssen wollen – und trank einen mächtigen Schluck zu ehrendem Angedenken des Ritters Conrad Vintler, der kurz vor des Mittelalters Torschluß sich hier das Köstliche und Unvergängliche der Vergangenheit in stattlichem Denkmal erhalten und seinen Geist am Sang der alten Meister erquickt – und wenn er, durch sie angeregt, vielleicht selber auch einige schlechte Minnelieder gemacht, so mögt's ihm verziehen sein in alle Ewigkeit.

Und hat nicht viel gefehlt, so hätt' ich mir um Herrn Conrad Vintler herum gleich die Gestalten eines


Foto © Frank Becker
ganzen Romans ersonnen, denn er war ein Freund Herrn Oswalds von Wolkenstein, dessen trutzige Lieder und Abenteuer in aller Herren Landen mir wohl bekannt sind, und Herzog Friedrichs mit der leeren Tasche, dessen Kostüm ich aus eigener Erfahrung auch genau kennen gelernt, und auf seinen Besitzungen brach, wie es bei einem poetisch gesinnten Rittersmann ganz naturgemäß ist, das »Pfandübel« aus, das schließlich die schöngemalten Hallen in ganz nüchternen Kreditorenbesitz brachte ... und für Tracht- und Bewaffnungsstudien war noch eine ganze wohlgefüllte Rüstkammer vorhanden, in welcher ein zur Vexierung der Feinde schlau ersonnener Helm mit doppeltem Kopfe (dem also in Hitze des Gefechts der leere gespalten werden konnte) an das Hereinbrechen Don Quixotischer Ideen ins alte Rittertum gemahnte ... aber schon warf die Abendsonne ihr warmes Licht in den gebräunten Saal, und der Wein ging zu Ende, und wir mußten notwendig den Abend noch beim Schlupfwirt sein, so daß der edle Runglsteiner vor der Hand vor der Gefahr sicher ist, durch meine Feder aus seiner Grabesruhe wieder heraufbeschworen zu werden. Item einen halben Tag nach den Runglsteiner Träumen standen wir in der Kirche Maria Maggiore in Trient vor einem Bild…“

Eine gut gemachte Broschüre aus dem Verlag Schnell + Steiner gibt fundiert Auskunft über Runkelstein und seine Geschichte. www.schnell-und-steiner.de

Gutes Essen nicht vergessen!

Auch wir trennen uns nach einem interessanten Rundgang wieder von Runkelstein, das man übrigens

Bozen, Restaurant Corona - Foto © Frank Becker
ab Ostern wieder mir einem Bus-Zubringererreichen kann (derweil mit einem Linienbus). Nach einem Bummel durch Bozens pittoreske Altstadt lege ich dem Genießer, der auf ein ganz besonders delikates Mittagessen Appetit hat, das italienische Restaurant „Corona“ in der Dr.-Streiter-Gasse ans Herz, das im Zentrum der Stadt die beste mediterrane Küche für Fisch-Spezialitäten und Florentiner Beefsteak weit und breit pflegt und über eine erlesene Weinkarte verfügt. Allerdings läßt die Aufmerksamkeit des Personals dort ein wenig zu wünschen übrig. Daran könnte man dort noch arbeiten. Am frühen Abend lockt zum Tagesausklang eine Fahrt mit der brandneuen Umlaufseilbahn auf den Ritten zum Abendessen mit Blick auf Bozen. Es gibt diverse Restaurants zur Auswahl.

Weitere Informationen unter:


Lesen Sie am 18. April hier den dritten Teil 
unseres Reiseberichts über die Umgebung Bozens.