Ein lyrisches Vermächtnis

Felix Timmermans - "Adagio" (33 Gedichte)

von Frank Becker
Ich mag den Nebel, wenn die Blätter fallen...


Bin eine Saite Deiner Harfe
und wart´ auf Deiner Hand Berühren,
um meinen Sang auch in den Klang
von Deiner Symphonie zu führen.


Felix Timmermans (1886-1947), flämischer Verfasser großer Prosa, hat zwar schon früh, noch als Jugendlicher mit Gedichten begonnen, ist aber als Autor von Romanen wie „Palletier“, „Das Jesuskind in Flandern“, „Minneke Pus“, „Die Elfenbeinflöte“ oder „Adriaan Brouwer“ weit über die Grenzen seiner Heimat berühmt geworden. In seinen letzten Lebensjahren hat er sich wieder auf die Lyrik besonnen und mit den 33 Gedichten und Sonetten seines erstmals posthum 1949 im Insel Verlag erschienenen „Adagio“ (Übersetzer: Georg Hermanowsky) ein religiöses lyrisches Vermächtnis hinterlassen.
 
Ingrid Wolters hat 1991 begonnen, die Gedichte des „Adagio“ neu ins Deutsche zu übertragen, mit dem Gedanken, deren Musikalität und die Natürlichkeit der einfachen Sprache des Originals zu bewahren. Das ist ihr gelungen, wie auch Prof. Dr. August Keesmakers findet, Literaturwissenschaftler und Herausgeber der Timmermans-Gesamtausgabe, der dem Band ein kundiges Nachwort gegeben hat. Die synoptische Gegenüberstellung der flämischen Original-Texte und der Übersetzung ermöglicht auch dem des Niederländischen nicht mächtigen Leser, sich davon zu überzeugen. Und: man muß nicht gläubig sein, um die Botschaften zu verstehen und von ihnen zu profitieren. Lassen Sie mich hier eines der Sonette zitieren, das mich gleich zu Beginn überzeugt hat:
 
Die Blätter fallen, dichte Nebel steigen,
da sind nicht Klänge mehr, da ist kein Lied,
im Ried nur frommes Murmeln in Gezweigen -
Nun kommt die Zeit, da man nach innen sieht.
 
Denn wir sind arm, im Gestern noch verfangen,
die Karten aus Verdruss sind unser Spiel.
Das schönste Märchen weckt uns kein Verlangen,
und durch den Nebel lockt kein Zukunftsziel.
 
Das Leben floh, und Asche bleibt in Händen,
die Sehnsucht steigt, mit allem zu vergehn.
Doch diese Wehmut kann ein Lichtlein wenden,
 
das Licht, das wir im Sommer übersehn,
für das wir erst, um unsre Schmach zu enden,
in Winterzeiten Öl besorgen gehn.
 
Das hübsche Buch in handlichem Format wurde mit Zeichnungen Felix Timmermans ausgestattet und auf edlem Papier gedruckt.

Beispielbild
Illustration: Felix Timmermans

Felix Timmermans
Adagio

Gedichte in Niederländisch/Deutsch

Übertragung aus dem Niederländischen von Ingrid Wolters

© 2010 Verlag F.W. Cordier

80 Seiten, Broschur mit Fadenheftung u. illustriertem Büttenumschlag
9,90 €

Weitere Informationen unter:
www.felix-timmermans.de
www.cordierverlag.de