Musikstunde

Frühling läßt sein blaues Band... - Die Musik und das Frühjahr (Teil 1)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde
 

Frühling läßt sein blaues Band...
Die Musik und das Frühjahr
(Teil 1)


 

 


Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
 
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
 
Ludwig Uhland, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat das geschrieben, seine schwäbische Herkunft ist in das Gedicht „Frühlingsglaube“ eingemeißelt: läßt er doch selbst die linden Lüfte ‘schaffen’ an allen Enden. Der Meister des Frühlings stammte aus Tübingen, der Stadt übrigens, die heute den niedrigsten Altersdurchschnitt Deutschlands hat: 38 Jahre. Nun also: einen schönen guten Morgen, liebe Freunde der Musenblätter, schön, daß Sie zum Ausklang der närrischen Tage dabei sind, Ihr Konrad Beikircher freut sich sehr darüber. Na, darfs noch ein Tässchen Kaffee sein? Oder lieber ein Rollmops gegen den Rosenmontagskater? Nicht nötig? - Schön. Heute möchte ich ein bißchen beim Frühling bleiben, denn: die Hoffnung, daß er doch noch kommt, halte ich eisern aufrecht. Ein bißchen davon haben wir ja seit Weiberfastnacht schon schnuppern können. Schauen wir doch mal, was sich da alles rund um das Thema Frühling tummelt. Wie wär´s mit dem ersten Satz der Frühlingssonate von unserem Ludwig, also der Sonate für Violine und Klavier in F-Dur?
Mal Reinhören:  David Garrett spielt uns das. 
 
Ja, ich weiß, das tut weh, wenn man so ein Meisterwerk einfach kürzt, andererseits: es ist nur die Umspielung eines Rheinliedes, das Sie alle kennen und das wahrscheinlich auch Beethoven komponiert hat. Er hatte ja in Wien Heimweh nach Bonn, so stark, daß er Rheinlieder komponierte, leider wollte sowas in Wien aber keiner haben, sodaß Ludwig sich was einfallen lassen mußte. Kurzerhand komponierte er Melodien, die den Wienern gefallen würden drum herum und schwupp! war der Fall erledigt. Frühling, da sind wir dran. Nun ist es ja so: nicht jeder, der den Frühling gerne erleben würde, erlebt ihn auch tatsächlich. Da kommt manchmal was dazwischen: eine Tür zum Beispiel. So wie bei Richard Strauss. 1911, also vor 100 Jahren ist er 47 Jahre alt und er schreibt am Rosenkavalier. Frühling! Die Knospen sprießen, die Säfte steigen, die Biergärten machen auf, kurz: Richard will ‘eraus! Nach 17 Jahren Ehe mit seinem Paulinchen kein Wunder. Er steht im Flur, hat schon den Hut auf dem Kopp und sagt so beiläufig wie möglich:
„Frau, i bin a weng draußt, mir d’Füaß vertretn, bin glei wieda do, gei“ und is schon in der Tür.
Paulinchen aber - als Sängerin mit allen Kniffen und der hohen Kunst der Ausreden vertraut - durchschaute natürlich sofort die ‘wahren’ Absichten ihres Richardls, zumal sie sicher auch das ein oder andere Frühlingsgefühl verspürt hat (Sängerinnen sollen da ja sehr ansprechbar sein). Was sie wohl auch ihrem Richardl unterstellte. Vielleicht pfiff er sogar ein kleines Wagner-Motiv, oder?!
Vielleicht  „Winterstürme wichen dem Wonnemond“, Szene des Siegmund, 1. Aufzug aus: Die Walküre  - hier mit  Jonas Kaufmann
 
Und dennoch hat sich Paulinchen vertan. Richards Strauss’ wahre Absichten waren nämlich keinesfalls, wonnemondslüstern die Neuzugänge der Münchner Damenwelt zu durchmustern, sondern an den Spieltisch zu eilen. Seine größte Leidenschaft war Skat und sonst nichts. Jedenfalls: Paulinchen aus der Küche raus, packt den Richard am Kragen und führt ihn oben ins Komponierstüberl - der Rosenkavalier war fertig zu machen - woselbst sie ihn einsperrt, nicht ohne ihm noch durch die Tür zuzurufen:
„Und schön fei komponiern, Richardl, gei!“
Und da saß er nun wie Spitzwegs armer Poet, Frühling war gestrichen, Skat war gestrichen, Frau war gestrichen - was bleibt ihm da, als zu komponieren. Natürlich erstmal zornig: er komponierte eine Fanfare für Blasorchester, die dann später als „Also sprach Zarathustra“ ein Welterfolg wurde.
Hier aber die Original-Version, gespielt vom „Temple City Kazoo Orchestra“
Soweit also Richard Strauss im Original, wunderbar, nicht? Und weckt einen so richtig auf an so einem schönen, wenn auch bitterkalten Frühlingsmorgen.
 
Nächste Woche, wenn die „Fünfte Jahreszeit“ längst zu den Akten gelegt ist, besuche ich Sie wieder. Auch dann habe ich was zum Frühling im Gepäck. Ich freue mich schon darauf.


Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2011
Redaktion: Frank Becker