Von Trollen und Mördern

Johan Theorin - "Blutstein"

von Jürgen Kasten
Exzellent erzählt
 
Johan Theorin ist inzwischen zu einem internationalen Bestsellerschreiber avanciert, wie wir es in der Rezension seines letzten Romans „Nebelsturm“ hier bereits  prognostizierten. Es war ein Buch aus seinem Öland-Quartett, das im Winter spielte.
Mit „Blutstein“ ist nun der Frühling angesagt. Noch ist es kalt, Schneereste halten der zaghaften Sonne stand. Gerlof aber hat den ersten Schmetterling gesehen und damit ist der Frühling eingeleitet, stellt er fest. Gerlof, ein alter kranker Mann, hat sich soeben selber aus dem Altersheim entlassen, um die ihm noch verbleibende Zeit in seinem alten Sommerhäuschen am stillgelegten Steinbruch zu verbringen.
Er ist dort nicht allein. Peter mit seinen Zwillingskindern Nilla und Jesper haben auch ein kleines altes Haus bezogen, um dort den ganzen Sommer über zu bleiben. Dann gibt es noch zwei neumodische Villen. In einer wohnt über Ostern das Paar Vendela und Max.
 
Vom Schicksal begünstigt sind sie alle nicht. Pers Tochter hat einen Hirntumor und es findet sich kein Chirurg, der sich an eine Operation wagt. Vendela hat ein Kindheitstrauma, das sie in der Einöde, in eben der sie die Kinderjahre verbringen mußte, zu überwinden hofft. Sie will wieder Kontakt zu den Elfen aufnehmen. Gerlof hat seiner Frau am Sterbebett versprochen, ihre alten Tagebücher zu verbrennen. Er hat sein Gelübde gebrochen und erfährt so von dem Besuch des kleinen Trolls, der seiner Frau immer wieder Schmuck schenkte. Max ist eigentlich Psychologe, jetzt aber Schriftsteller, vor allem für Ratgeber und Kochbücher. Selber kochen kann er nicht, schreiben auch nicht. Seinen Ruhm tut das keinen Abbruch, denn es weiß ja niemand, daß seine Frau Vendela die Bücher schreibt. Dann kommt da noch Jerry hinzu. Er heißt gar nicht so, aber in der Pornobranche gibt man sich halt ein Pseudonym. Und er ist Pers Vater, zu dem er seit langen Jahren keinen Kontakt mehr pflegte. Damit hat Johan Theorin das Hauptpersonal für seinen atmosphärisch dichten Roman zusammen. Fehlt nur noch Hans Bremer, dessen Spur sich durch die gesamte Geschichte zieht, obwohl er doch eigentlich bei einem brutalen Brandanschlag ums Leben kam.
 
Obwohl sie keiner so richtig sieht, kommen noch Elfen und Trolle vor. Eine Gesteinsschicht im stillgelegten Steinbruch ist blutrot gefärbt. Die Sage erzählt, daß sich dort die Elfen und Trolle eine verlustreiche Schlacht lieferten und so der „Blutstein“ entstand.
Wie in den Büchern zuvor, spielt auch dieser Roman auf der kargen Insel Öland. Eine mystische Landschaft, die Theorin bildhaft schön beschreiben kann. Die wohl durchdachten Charaktere seiner Protagonisten erleben dort einen albtraumhaften Frühlingsanfang. Einige Tote sind zu beklagen. Mit einer kleinen Ausnahme werden die Taten aber nicht beschrieben. Es handelt sich hier auch nicht um einen Kriminalroman im landläufigen Sinne. Vielmehr verwebt Theorin in seinen Romanen tragische Familiengeschichten, die in einer unwirklich scheinenden Landschaft spielen, Geschichten, in denen Personen agieren, die einem ans Herz wachsen. Selbst die eindeutig gezeichneten Bösen sind vom Schicksal gebeutelt und bereits vom Leben bestraft.  Wir müssen ihnen einfach verzeihen. Die eingeschobene Kriminalgeschichte ist das Vehikel, das alle Personen und Handlungsstränge zusammenführt.
Spannend von der ersten Seite an, exzellent erzählt und mit einem Schluß versehen, der einen erschauern läßt. Die Fabulierkunst des Johan Theorin ist von hohem Niveau. Man darf zu Recht auf seinen nächsten Roman, den Abschluß des Öland-Quartetts gespannt sein.

Beispielbild

Johan Theorin
Blutstein
 
Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps
 
© 2011 Piper Verlag GmbH, München
396 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-492-05418-8
€ 19,95 (D), € 20,60 (A), sFr. 30,50 (CH)
 
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