Die Varusniederlage oder Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald

Die Schlacht um die Schlacht - (Teil 5)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Die Varusniederlage
oder
Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald
Oder
Die Schlacht um die Schlacht
Die reine rheinische Wahrheit

- Teil 5 -
 
 
Als die Römer frech geworden


Als die Römer frech geworden
 
Als die Römer frech geworden
simserim simsim simsim
Zogen sie nach Deutschlands Norden
simserim simsim simsim
vorne mit Trompetenschall
Terätätätäterä
ritt der Generalfeldmarschall,
Terätätätäterä
Herr Quintilius Varus
Wau, wau, wau, wau, wau
Herr Quicntilius Varus
Schnäde räng täng, Schnäde räng täng
Schnäde räng täng, de räng täng täng   
 
In dem Teutoburger Walde,
Huh! Wie piff der Wind so kalte,
Raben flogen durch die Luft,
Und es war ein Moderduft,
Wie von Blut und Leichen
 
Plötzlich aus des Waldes Duster
Brachen krampfhaft die Cherusker,
Mit Gott für Fürst und Vaterland
Stürzten sie sich wutentbrannt
Auf die Legionen.
 
Weh, das ward ein großes Morden,
Sie erschlugen die Kohorten,
Nur die röm'sche Reiterei
Rettete sich noch ins Frei',
Denn sie war zu Pferde.
 
O Quinctili, armer Feldherr,
Dachtest du, daß so die Welt wär'?
Er geriet in einen Sumpf,
Verlor zwei Stiefel und einen Strumpf
Und blieb elend stecken.
 
Da sprach er voll Ärgernussen
Zum Centurio Titiussen:
"Kam'rad, zeuch dein Schwert hervor
Und von hinten mich durchbohr,
Da doch alles futsch ist."
 
In dem armen röm´schen Heere
diente auch als Volontäre
Scaevola, ein Rechtskandidat,
Den man schnöd gefangen hat,
Wie die andern alle
 
Diesem ist es schlimm ergangen,
Eh daß man ihn aufgehangen,
Stach man ihm durch Zung und Herz,
Nagelte ihn hinterwärts
Auf sein corpus iuris.
 
Als die Waldschlacht war zu Ende,
rieb Fürst Hermann sich die Hände,
und um seinen Sieg zu weihn,
lud er die Cherusker ein
zu `nem großen Frühstück.
 
Nur in Rom war man nicht heiter,
sondern kaufte Trauerkleider;
grade als beim Mittagsmahl
Augustus saß im Kaisersaal,
kam die Trauerbotschaft.
 
Erst blieb ihm vor jähem Schrecken
Ein Stück Pfau im Halse stecken,
dann geriet er außer sich
und schrie: Varus, Fluch auf Dich,
redde legiones!“
 
Sein deutscher Sklave, Schmidt geheißen,
dacht: Ihn soll das Mäusle beißen,
wenn er je sie wiederkriegt,
denn wer einmal tot daliegt,
wird nicht mehr lebendig.
 
Und zu Ehren der Geschichten
Tat ein Denkmal man errichten,
Deutschlands Kraft und Einigkeit
Verkündet es jetzt weit und breit:
„mögen sie nur kommen!“
 
 
(Viktor von Scheffel, um 1847)
 
Wobei: amfürsich liebe ich das ja, wenn es Unsicherheiten in der Geschichte gibt, Legenden und Durcheinander. Ich bin ja auch ein Fan von Verschwörungstheorien und vor allem von Sätzen wie:
„Alles gelogen, es war alles ganz anders“ und schon wird der Südpol zum Nordpol, weil sich die Erde eben nicht von West nach Ost dreht sondern von Nord nach Süd, nur hat noch keiner gemerkt, daß die Erde nicht um den Äquator der Sonne läuft, also flach um sie herum, sondern daß sie über die Pole läuft, also quasi senkrecht um die Sonne herum. Die Achse, um die sich die Erde tatsächlich dreht, geht bei der Datumsgrenze im Stillen Ozean `eraus, muß ja auch, sonst gäbe es keinen nächsten Tag und wir hätten das Murmeltier forever, das also ist der wirkliche Nordpol, und der Südpol kommt irgendwo in Afrika aus der Kugel raus, nur, weil es im All keinen festen Punkt gibt, hat das noch keiner gemerkt und es ist ja auch egal, wie sie sich dreht, meistens dreht sie sich ja sowieso nicht sondern steht nur auf dem Kopf ...
 
Alle diese „Entdeckungen“ haben mit einer wundervollen danebenen Logik zu tun. Ich sitze z.B. im Bus Richtung Bonner Norden, hinter mir sitzt eine Horde Berufsschüler, 16 Jahre alt, alles voller Pickel, laut. Plötzlich dreht es sich darum, wer den Ersten Weltkrieg gewonnen hat, die Amis oder die Deutschen. Die einen sagen so, die anderen sagen so. Da erhebt einer die Stimme und sagt:
„Alles Quatsch: die Deutschen han dä Krieg jewonne. Warum? Weil wenn die Amis dä Krieg jewunne hätte, hätte die niemols erlaubt, dat esu eine wie dä Hitler Bundeskanzler wird, es doch klar!“.
Etwas näher an der Wirklichkeit war die Kritik an der Mondlandung der Amerikaner, wo es ja schon am nächsten Tag hieß: “Alles Lüge! Die Landung fand im Studio statt!“ Beweis? Die Flagge hat geflattert und da oben gibt es keinen Wind! Die Nasa hat dann zwar wat von Sonnenwind und Vibration der Fahnenstange beim Einschlagen gemurmelt, aber ich bin sicher, das hat die Kritiker nicht mehr erreicht.
Es gibt aber auch Profis auf dem Sektor „Alles Lüge! Es war alles ganz anders!“ und da wird es wunderbar. Da gibt es in der Schweiz einen, der sagt: es gab kein Altertum und kein Mittelalter, alles Blödsinn, die Schrift ist um 1720 entstanden und die Mönche im Kloster in St. Gallen haben sich direkt dran gemacht, uns eine eigene Geschichte zu erfinden: die haben Latein, Altgriechisch, ägyptisch etc. pp. erfunden, die Bibel gleich mit dabei. Beweise: wie können die denn in St. Gallen echte alte Handschriften aus dem Mittelalter haben, wenn es da noch keine Schrift gegeben hat! Und die römischen Tempel sind auch alle um 1700 frühestens gebaut worden weil es vorher keinen Mörtel gab! Und warum haben die sich die Mühe gemacht, mal auf die Schnelle so 2 – 3000 Jahre mit Sprachen Bauten etc. pp. zu erfinden? Um uns eine Riesengeschichte vorzugaukeln, die uns verstummen läßt und ihnen die Macht erhält, so einfach ist das.
 
Besonders scharf ist der Heribert Illig: der beweist kurz und bündig: Karl den Großen hat es nie gegeben, die Zeit von 614 – 911 nach Christus hat nie existiert, diese 297 Jahre frühes Mittelalter sind frei erfunden. Beweis? Es gibt quasi kaum schriftliche Dokumente aus dieser Zeit und im Mittelalter ist ohnehin gefälscht worden, was das Papier hält. Und Bauten? Da gibt es auch nicht viel und die Bauten in Aachen oder Paderborn, die konnten genau so gut 300 Jahre später gebaut worden sein, oder?! Ja und wer hat dat denn gemacht? Das weiß der Illig auch: das waren der Kaiser Otto III. und sein Spezi, der Papst Silvester II. Die lebten amfürsich von ca. 940 bis 1003, Illig aber sagt: Nein! Otto sei 683 geboren, Silvester 10 Jahre früher. Jetzt war der eine Kaiser, der andere Papst und beide hatten nur einen Wunsch: sie dachten, die Welt geht am 31.12.999 unter und wollten unbedingt Endzeitkaiser bzw. Endzeitpapst sein.
Was lag da näher, als flügg 297 Jahre erfinden und domet et schön es, gleich noch der Karl Martell und Karl der Große erfinden und schwupp! waren die beiden in der Weltuntergangssilvesternacht Kaiser bzw. Papst.
Blöd nur, daß die Welt stehen geblieben ist, aber vielleicht haben die dann noch mal zugeschlagen und noch mal 1000 Jahre erfunden, haben sich neue Namen gegeben und heißen jetzt Angela Merkel und Ratzinger, wer weiß, ich mein: weiß man’s?
Ein anderer meint, Teutoburger klingt so ähnlich wie Duisburg, also wird die Schlacht wohl eher dort gewesen sein. Is ja auch „haud Procul“, egal wovon, oder?!
Vielleicht war sie auch in Arnsberg, dort, im Arnsberger Wald, gibt es einen „Streitberg“, na warum wohl? Dummerweise ist dort nicht viel gefunden worden, aber was nicht ist, kann noch werden.
 
Tja, und dann natürlich Detmold. Ich meine: das Hermannsdenkmal - Ernst von Bandel hat es unter Entbehrungen gebaut - stünde doch nicht hier, wenn die Schlacht nicht hier stattgefunden hätte, oder?! 
Übrigens gibt es zum Hermannsdenkmal etwas zu erzählen, was die große Verbundenheit der Westfalen zum großartigen Gründer unseres Landes NRW, Hermann dem Cherusker, beleuchtet: Johannes Kuhlo, der Posaunen-General! Ein Leben zwischen Kanzel und Trööt, würde der Rheinländer sagen. Weniger despektierlich: ein Leben zwischen Jericho und Hermannsdenkmal. Er ist der Mann, der dem musikalischen Westfalen den - allerdings nicht immer - etwas zweifelhaften Ruf der Posaunisten-Schmiede gab. Er traute sich noch mit 72 Jahren (1894) zu schreiben: ”Der Zwischenraum zwischen dem ersten Posaunenchor der alten Zeit und dem ersten der Neuzeit ist groß. Die beiden Gründungszeiten fallen fast 3000 Jahre auseinander...Um das Jahr 1000 v. Chr. gründete König David zu Jerusalem den ersten Posaunenchor von 120 Priestern...Spätestens mit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. nahm diese Herrlichkeit ein Ende...Erst 1842 sollte die Posaunensache wieder aufleben und zwar in unserer engeren Heimat”.
Die Posaune war für ihn Weckruf und Mittel, “das Reich Gottes auf Erden zu verbreiten”. Auslöser hierfür war allerdings der Schlachtendonner: nach der musikalischen Siegesfeier der Schlacht von Sedan gründete er mit 15 Jahren seinen ersten Posaunenchor. Tausende, Zehntausende von Westfalen fingen an zu hupen, was das Zeug hielt. Hier traf sich einfach alles, was dem Westfalen des letzten Jahrhunderts gefiel: Bodenständigkeit, Frömmelei, ein ungeheures Wir-Gefühl, Lautstärke und Einförmigkeit. Kuhlo’s Apotheose war 1897 der Empfang des deutschen Kaisers an der Porta Westfalica: ca 15.000 Posaunen und mehr als 10.000 Sänger spielten und hupten beim Empfang des Kaisers am Hermannsdenkmal herum. Ein Wunder, daß das Denkmal überhaupt noch steht.
Kurz: wir wissen nicht wirklich, wo die Varusschlacht stattgefunden hat, es geht uns da immer noch ein bißchen wie dem jiddischen Ehemann, der kurz nach der Trauung gefragt wird, wie denn seine Frau so sei und antwortet: „No, die einen sagen so, die andern sagen so.“

Bis nächste Woche - dann erzähle ich Ihnen noch ein bißchen was über zweifelhafte Ergüsse der deutschen Literatur.

Ihr
Konrad Beikircher




© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2011
Redaktion: Frank Becker