Dach-Wandern und Krimi-Gänge durch Stockholm

Die schwedische Hauptstadt ist auch im Winter äußerst sehenswert

von Andreas Rehnolt
Vom Dach-Wandern und
Krimi-Gängen durch Stockholm
 
 


Die schwedische Hauptstadt ist auch im Winter äußerst sehenswert -
Im ältesten Freilichtmuseum der Welt "Skansen" wird trotz
Eis und Schnee die Kulturgeschichte des Landes lebendig 
 
Stockholm im Winter. Das ist natürlich Eis und Schnee. Aber das ist auch das Glitzern der bereits gegen 14.00 Uhr tiefstehenden Sonne in den oft engen Gassen von Gamla Stan, der Altstadt. Das sind die zahlreichen kleinen Lokale und Kaffee-Häuser, in denen es sich gemütlich sitzen und speisen läßt, während draußen die weißen Flocken fallen. Und das sind nicht zuletzt die über 80 Museen und

Stockholm im Winter - Foto © sfelder /Pixelio
Attraktionen in der auf 14 Inseln erbauten schwedischen Hauptstadt, die man während eines Sommer-Urlaubs unmöglich alle besuchen könnte, weil Stockholm dann wiederum andere Reize bietet.
 
Mit dem Arlanda-Express

Wer auf dem Stockholm-Arlanda Airport ankommt, erreicht die City am besten und schnellsten mit dem Arlanda-Express, der nur 20 Minuten für die Strecke braucht. Wer am Wochenende anreist, fährt zu ermäßigten Preisen und hat auch noch was für die Umwelt getan. Schließlich fahren die Züge mit umweltfreundlichem Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Wer sich nicht vom äußeren Erscheinungsbild des Scandic Hotels Malmen abschrecken läßt, entdeckt in den beiden Bars und dem großzügigen Restaurant einen fantastischen Service und echte Freundlichkeit. Das 1951 erbaute Hotel befindet sich im Herzen von Södermalm, einem der derzeit angesagtesten Viertel Stockholms, wo es unzählige Bars, kleine Boutiquen und Galerien zu entdecken gibt.
 
Musiker und Kreative, junge und alte Menschen kommen ins Scandic-Hotel Malmen, das ökologisch orientiert ist und nach den Worten von General-Managerin Anna Spjuth auch Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Das Restaurant ist nicht nur für Gäste, sondern "offen für die Nachbarschaft" und die Bar gilt im Stadtteil als einer der beliebtesten Treffpunkte. Viele der insgesamt 320 Zimmer sind bereits hochwertig und geschmackvoll modernisiert, und wer mit Kindern reist, hat vielleicht das Glück, die vom britischen Star-Koch Jamie Oliver kreierten Kinder-Menüs zu kosten. Wer Södermalm als Ausgangspunkt für die Stadterkundung mag, kann natürlich auch im kleineren "Columbus Hotell" absteigen. Das hat 40 Zimmer, drei Sterne, einen hübschen Innenhof und befindet sich in einem Gebäude aus dem Jahr 1780.
 
 
Nordisches Museum - Foto © pcwinne /Pixelio
Krimi-Tour

Mit der Stockholmkarte, die es für 24, 48 oder 72 Stunden gibt, fährt man beliebig oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und im Fährverkehr mit dem Hop-On Hop-Off-Schiff und hat jeweils einmal freien Eintritt in allen Museen. Wer lieber zu Fuß die Stadt durchstreift, kann neuerdings auch eine Wanderung auf den Spuren der "Millenniums-Krimis" des leider verstorbenen Autors Stieg Larsson unternehmen, ob mit Führer oder "nur" mit dem passenden Millenium-Stadtplan.
 
Durch dicken Schnee stapft man förmlich in den Fußspuren von Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist. Egal ob zum Polizei-Hauptquartier der Romane, zu Blomkvists Wohnung in der Bellmansgatan 1 oder zur Mellqvist Coffee-Bar in der Hornsgatan. Und natürlich denkt man bei Lisbeth Salander ein bißchen an Pippi Langstrumpf und bei Mikael an seinen Namensvetter Kalle Blomkvist aus der Feder der unvergessenen Astrid Lindgren, von deren Charakter Larsson einen guten Teil in seine "Helden" gesteckt hat.
 
Wie Karlsson auf dem Dach

Wer nach der gut zweistündigen geführten Krimi-Tour noch Lust auf Höheres hat, dem sei die Dachwanderung auf dem alten Parlamentsgebäude auf der Insel Riddarholmen direkt an der Altstadt ans Herz gelegt. Die kann man allerdings nur in Begleitung von Führern machen. Deutschsprachigen Dachwanderern seien Elisabeth Daude und Katrin Wackenhut empfohlen, mit denen man in einem altertümlichen Aufzug unter das Dach des historischen Gemäuers fährt. Dort werden Schutzanzug und Helm angezogen und dann gehts - natürlich bergsteigermäßig gesichert - auf einem schmalen Pfad auf das Dach. 350 Meter "wandert" man dann. Die beiden Frauen erklären die Aussicht, wissen auch von

Auf dem Rathausdach - Foto © www.upplev-mer.de
spannenden und gruseligen Geschichten um das Gebäude zu erzählen, in dem heute Gerichtsverhandlungen stattfinden. "Früher war auf der Insel ein Kapuzinerkloster, das 1527 abgerissen wurde. Die Riddarholmskirche ließ der damalige König Wasa unangetastet", erzählt Elisabeth Daude, die auch Mondschein- und Sonnenaufgangs-Touren macht, bei denen es dann - jetzt im Winter - heiße Preiselbeersuppe zur Stärkung der Dachwanderer gibt, die sich ein wenig wie "Karlsson auf dem Dach" fühlen und nach 1,5 Stunden im gelegentlichen Schneegestöber froh sind, den Abstieg unter das schützende Dach des historischen Gebäudes zu schaffen. 
 
Elchfleisch und Theatergeschichten


Altstadt-Gasse Foto © Alecander Hauk  /Pixelio 
Solchermaßen "gefrostet" empfiehlt sich sicherlich ein Essen im "Dramaten-Restaurangerna" in der Nybrokajen 2, mitten im Herzen der Stadt und direkt beim Königlich-Dramatischen Theater. Hier hängen die Wände voll mit Porträts von Schauspielern und Regisseuren und unweigerlich kommt die Sprache auf Greta Garbo, die hier im Theater ihre Ausbildung bekam. Und natürlich spricht man bei schmackhaften Elchfleisch in Sahnesoße mit Preiselbeeren und Kartoffelpüree von dem weltberühmten Regisseur Ingmar Bergmann. "Der arbeitete rund 60 Jahre lang am Königlichen Theater und sein Büro ist immer noch eingerichtet", weiß  Lars-Göran Andersson erzählt, Manager des Restaurants, in dem auch stets viele Theaterleute zu Gast sind.
 
Durch die engen Altstadt-Gassen - die schmalste ist gerade mal 96 Zentimeter breit - kreuzt man mehrfach kleine und große Shopping-Straßen auf dem Weg zum Nordischen Museum, dessen Besuch sich bei einem mehrtägigen Stockholm-Besuch unbedingt empfiehlt. Im außen wie innen prächtigen Nordische Museum geht es um Trends und Traditonen, Leben und Arbeit in Schweden, Volkskunst, Textilien, Gemälde und vieles mehr. Neben einer großen Dauerausstellung mit Mode aus drei Jahrhunderten gibt es noch bis zum 1. Mai des gerade begonnenen Jahres die kleine aber feine Schau zum Begriff und zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des "Dandy". Extravagante Kleidung und zeitloser Lifestyle stehen für diesen Begriff, so die junge Kuratorin. George Bryan Brummel oder Oscar Wilde nennt sie und vergißt nicht darauf hinzuweisen, daß "Dandy sein immer auch eine Art zu leben" bedeutete.
 
Die Vasa - Stolz der Schweden

Praktisch nebenan steht das Vasa-Museum, das alle Schiffahrts-Begeisterten sich ansehen sollten, nicht zuletzt, weil die hier ausgestellte "Vasa" das weltweit einzige verbliebene Schiff aus dem 17. Jahrhundert ist. Mit über 95 Prozent erhaltenen Originalteilen und einer Verzierung aus Hunderten von geschnitzten Skulpturen ist das gewaltige Schiff ein einzigartiger Kunstschatz. König Gustav II. Adolf von Schweden ließ ab 1625 das Kriegsschiff bauen und zwar für den Schutz schwedischer Interessen gegen Polen während des Dreißigjährigen Krieges. Doch die „Vasa“ sank 
am 10. August 1628 auf ihrer Jungfernfahrt nach nur wenigen hundert Metern. Nach ihrer Auffindung 1956 und Bergung 1961 ist sie heute restauriert zu besichtigen.


Foto © Vasa-Museum
 
Und ein weiteres Juwel in Stockholm läßt sich auch im kalten Winter gut in den Stockholmer Reiseplan einbauen: Skansen, das weltweit erste und bislang größte Freilichtmuseum, das von Artur Hazelius vor genau 120 Jahren, 1891 gegründet wurde. Der Besucher begegnet auf dem riesigen Gelände der schwedischen Kulturgeschichte in Gestalt von 150 Häusern und Bauernhöfen, die aus verschiedenen Teilen Schwedens hierher verlegt wurden. Nach wie vor tätig sind hier unter anderem Glasbläser, Schuhmacher, Töpfer, Buchbinder und ein Lederwarenhersteller, der nach alten Vorbildern und alter Tradition sogar Requisiten für historische Filme und Ausstellungen fertigt. Wer das Glück hat, an einem der Adventswochenenden in Stockholm zu sein, wird den nur dann stattfindenden historischen Weihnachtsmarkt auf Skansen lieben lernen und sich fühlen, als ob die Zeit um 100 und mehr Jahre zurückgedreht wurde.
 
Fotografiska

Ganz anders, ganz neu und genauso erfolgreich ist das Ausstellungshaus "Fotografiska", das erst im Mai 2010 eröffnete und alleine bis Anfang Dezember letzten Jahres rund 250.000 Besucher anlockte. Ganz bewußt habe man sich gegen die Bezeichnung "Museum" ausgesprochen, erzählt Creativ-Direktor Jan Broman, der "Fotografiska" zusammen mit seinem Bruder gründete. Ohne öffentliche Fördermittel mit privaten Sponsoren und Geldgebern hat man in einem 100 Jahre alten Lagerhaus in der Stadsgardsleden 15 einen der schon jetzt größten Treffpunkte für moderne Fotografie geschaffen.
Jedes Jahr gibt es vier große Hauptausstellungen und dazu noch rund 20 kleinere Ausstellungen. Dazu gibt es Workshops, Kurse, Diskussionsrunden und Podiumsgespräche rund um das Thema Fotografie. "Wir machen Veranstaltungen für Profis, semiprofessionelle- und auch für
 
Suzanne aux Tuileries - Foto © Sarah Moon / Fotografiska
Hobbyfotografen", erzählt Broman, der  einen 50er Jahre Hut auf dem Kopf hat, während er mich durch die großzügigen Räumlichkeiten führt. "Mit gut 2.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind wir sicherlich weltweit das größte Haus für Fotografie", meint er nicht ohne Stolz.
 
Das hauseigene Restaurant und die angrenzende Bar bieten mit ihren riesigen Panoramafenstern zur Wasserseite hin zudem eine der imposantesten und spektakulärsten Aussichten Stockholms. Geöffnet hat "Fotografiska" übrigens an 362 Tagen im Jahr von 10 bis 21 Uhr. Nur an Heiligabend, Neujahr und Mitsommer ist geschlossen. Vom 14. Januar bis 17. April 2011 zeigt die Fotografiska eine Ausstellung mit Bildern von Sarah Moon.