Der Mensch – ein Mängelexemplar

Illustrationen zu Eugen Roths "Der Wunderdoktor" von Hans-Joachim Uthke - seit gestern im Hildener Fabry-Museum

von Frank Becker

Der Mensch – ein Mängelexemplar



© Hans-Joachim Uthke

Zeichnungen und Collagen zu Gedichten Eugen Roths
Im Wilhelm-Fabry-Museum Hilden
 
Er hat in seinen auch gerne einmal zur Vernunft mahnenden, mitunter moralisierenden, jedoch nur allzu wahren Gedichten erst den Menschen liebenswert aufs Korn genommen, daraufhin den Unmenschen, ja sogar schließlich den letzten Menschen. Er hat uns fröhlich „Gute Reise!“ gewünscht und es auch so gemeint, uns die Rolle der Frau in der Weltgeschichte und das Tierleben erläutert – und, jetzt sind wir beim Thema, uns mit heiteren Versen verschreibungsfreie Medizin vom „Wunderdoktor“ verabreicht. Nun wissen Sie natürlich längst: die Rede ist von Eugen Roth (*24.1.1895 in München - † 28.4.1976 ebd.), dessen humorvolle Lyrik seit vielen Jahrzehnten durch unendlich viele Auflagen seiner Bücher nahezu als Volksgut bezeichnet werden kann. „Ein Mensch...“ liegt uns in vielen Wechselfällen des Lebens auf der Zunge und die Rezepte des Wunderdoktors, die 1939 erstmals im Alexander Duncker Verlag Weimar erschienen sind (mit einer Karikatur von Karl Arnold als Umschlagzeichnung), haben sich in vielen Fällen als nützlicher erwiesen denn die Ratschläge von Schulmedizin, Quacksalbern und Spökenkiekern. Sie wirken sowohl in homöopathischen Dosen wie auch bei Einnahme in großer Menge – man kann nicht überdosieren.
 
Heilmittel

© Hans-Joachim Uthke
 
Der Weise, tief bekümmert, spricht:
An guten Mitteln fehlt es nicht,
Zu brechen jeden Leids Gewalt –
Nur kennen müßte man sie halt!
 
Wobei Eugen Roth die Kunst der Ärzte lobt, weiß er doch die Erben des Hippokrates sehr zu schätzen: „Hörst du vor Schmerz die Engel singen,/Der Doktor zwingt ihn, abzuklingen.“ und die Welt tadelt, die uns nicht zuletzt durch unser eigenes Verschulden mit so vielen Unbilden umgibt: „Kurzum, die Welt, wohin du schaust,/Ist so voll Krankheit, daß dir graust.“ Das werden Sie und ich (und auch Eugen Roth) nicht ändern können. Doch mit tröstlichen Versen und gutem Rat des Münchner Dichters fällt einiges schon leichter. Neben den Ärzten gehört auch dem – hier neckt er ihn – teuren, aber unverzichtbaren Apotheker, dem Patienten und dem Zipperlein Roths Aufmerksamkeit. Der Vorteil: entgegen den Kontraindikationen und Nebenwirkungen der vom Apotheker verabreichten Pillen und Tropfen haben Eugen Roths Medizinen außer dem befreienden Lachen keine solchen und zusätzlich kein Verfallsdatum: einmal erworben, verbrauchen sie sich nicht und wirken immer gleich gut.
 
Empfindlichkeit
 
Leicht überwinden wir den Schmerz,
Trifft er das leidgewohnte Herz.
Viel schwerer ist schon zu ertragen,
Wenn etwas schwer uns liegt im Magen.
Am schlimmsten scheint es, Geld verlieren - -
Das geht empfindlich an die Nieren.
 
Das gilt auch für die mit viel Schalk skizzierten und mit spitzer Zeichenfeder aufs Papier gebrachten Illustrationen des Wahl-Hildeners Hans-Joachim Uthke (*1941 in Westpreußen), dessen Œuvre von Impressionen, Gedankensplittern, gezeichneten wie geschriebenen Aphorismen, literarischen Einflüssen und unentwegt sprudelnden Ideen nur so überquillt. Sie sehen es in dieser Ausstellung und in diesem Katalog. In der Königsdisziplin der graphischen Kunst, der Radierung und in der ausdrucksverwandten Bleistift- und Federzeichnung hat er Meisterschaft entwickelt. Was Uthke liest und was er hört, läßt er mit elegantem Strich und treffsicherer Feder zu einem Bild gerinnen. Ein Arbeitszyklus zum Robert-Schumann-Gedenkjahr feierte den Komponisten, und die Lektüre von Werken Senecas, Shakespeares, Lichtenbergs, Kierkegaards, Saint-Exupérys und der Bibel führt immer wieder zu geistreichen Umsetzungen in Bild und Karikatur.
 
Hans-Joachim Uthke ist ein Macher, ein Denker, ein Lächler. Wenn auch im Vorderhaus ein
Bettengeschäft seine Geschäftsräume hat, ist das Wirken in seinem Atelier nicht im geringsten verschnarcht. Im Gegenteil: so hellwach, wie sich Hans-Joachim Uthke zeigt, findet man nur wenige Zeitgenossen. Das spiegelt die permanente Atelierausstellung des verschmitzten Graphikers, prämierten Aphoristikers und Waagensammlers Wer Uthke in Haan besucht, läuft Gefahr, sich so schnell nicht wieder lösen zu können. Die Fülle von Arbeiten, die zu sehen sind, die zeichnerischen Aperçus, die aus allen Winkeln zwinkern und die großen Themen-Serien, die er dort zeigt, wollen ausgiebig und genußvoll betrachtet werden.
 
Auf Eugen Roth, den er als Geistesverwandten favorisiert, hat Hans-Joachim Uthke lange warten müssen. Nun endlich ist es soweit. „Lauter Doktoren“ hat Eugen Roth in Versen skizziert, den schwachen Magen und die Homöopathie, vom Zahnarzt erzählt er und auch schon von der Schönheits-Chirurgie, vom Kassenhaß, von Gemütsleiden und Herzenswunden (die fast am schwersten zu therapieren sind). Hans-Joachim Uthke ist mit Bleistift und Feder, Aquarellpinsel und Klebstoff, der Radiernadel und Farbstiften dem Spuren Roths gefolgt. Vom Menschen als Mängelexemplar über den Rezepte-Wolf und die Medizin-Tankstelle bis zum Memento mori des blanken Schädels hat er kongenial ins Bild gesetzt, was Eugen Roth bedichtet hat.
 
Punktion
 
Was man auch redet, schreibt und funkt:
Unheilbar bleibt der wunde Punkt.
 
Es ist in dieser Ausstellung, als hätten sich im Kosmos des Humors die Wege zweier Fixsterne gekreuzt - um uns ein gutes Stück des beschwerlichen Erden-Weges gemeinsam und hilfreich zu begleiten. Eugen Roths weise Verse und Hans-Joachim Uthkes nicht zimperliche Zeichnungen – das paßt wie Robert Schumanns Musik zu den Gedichten Friedrich Rückerts. Und weil Eugen Roths Sohn das auch findet, hat er dem Projekt gerne zugestimmt.
 
Freunde der spitzfindigen Karikatur finden Hans-Joachim Uthkes Arbeiten regelmäßig in Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen im Bergischen und im Rheinland und immer wieder mal in Sonderausstellungen („Sezierte Medizin“, „Neues aus der Röntgenologie“) des Hildener Wilhelm Fabry-Museums, das ihn schätzt und nun auch diese Ausstellung mit seinen Karikaturen in unterschiedlichen Techniken zu den „Wunderdoktor“-Gedichten Eugen Roths, deren Katalog Sie in der Hand halten, ausgerichtet hat.
 
Letzte Ehre
 
Die erste Ehre ist es meist,
Die man als letzte uns erweist:
Wer klug ist, freut sich drum beizeiten
An künftigen Fried-höflichkeiten.
 
Auch auf unserem Beipackzettel darf der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis nicht fehlen: „Für weitere Informationen fragen Sie Ihren Arzt, Apotheker oder noch besser den nächstgelegenen Buchhandel.“


© Hans-Joachim Uthke
 
Die Ausstellung ist dienstags, mittwochs und freitags von 15 bis 17 Uhr, donnerstags von 15 bis 20 Uhr, samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 13 sowie von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der für 10,- € im Museum zu bekommen ist.
Weitere Informationen unter: www.fabry-museum.de
 

© 2010 Frank Becker - © der Gedichte Thomas Roth - Veröffentlichung mit seiner freundlichen Erlaubnis