Bregenz - Wien - Salzburg - Ein musikalischer Österreich-Reisebericht (2)

Zweite Station: Wien

von Peter Bilsing

Anna-Torte im Café Demel, das leckerste
Stück Kuchen der Welt Foto © Peter Bilsing
Bregenz - Wien - Salzburg
 
Ein musikalischer
Österreich-Reisebericht
von Peter Bilsing

Von Bregenz geht es nun quer und gemütlich durch die herrlichen Alpen nach Wien. Auf Einladung der allerbesten Opernfreunde dieser Welt, stößt nun auch der Rest der Familie dazu. Danke Renate und Toni! Der HRS wirft allerdings schon 3-Sterne-Unterbingungen in der Innenstadt ab 50 Euro pro Doppelzimmer – z.B. Austria Trend Hotel oder Hadrigan, aus.). Das sind nun Preise, die sie in meiner Heimatstadt Düsseldorf nirgends finden werden. Also auf nach Wien! Die Lufthansa bietet selbst in der Ferienzeit noch Flüge für 29 Euro + Flughafengebühren an.
 
50-jährige Soubretten und 70-jährige Liebhaber

Zwar haben natürlich die altehrwürdige Staatsoper und die Volksoper in den Sommerferien geschlossen – aber es gibt ein passables Angebot an Freiluftveranstaltungen mit guter Sängerbesetzung. Auch ist Mörbisch – jenes wahre Paradies für Operettenfreunde ja nicht weit. Leider hält man anscheinend im Gegensatz zu Bayreuth, Salzburg und Bregenz unseren OPERNFREUND dort wohl für so unbedeutend, daß man meine Pressekartenanfrage schlicht mehrmals ignorierte. Und 300 Euro Vollpreis für meine Sippe ist schon eine happige Investition um  beim Walzern zu beobachten, auch wenn die Musik vom begnadeten Lehar kommt… Gut, dann „verfressen“ wir das Geld lieber, gibt es doch die weltberühmten edlen Kaffeehäuser und Konditoreien in Wien, und die größten Wiener Schnitzel dieser Erde für unter 10 Euro im Wienerwald.
 
Demel vs. Sacher: Eindeutiger Sieg für Demel!

Mit einem geliehenen 125-er Honda-Motorroller für 30 Euro am Tag ist Wien perfekt erkundbar – mit dem eigenen Auto bitte nicht! Die zweite Alternative ist natürlich die U-Bahn; für alle Schüler bis 15 Jahre in den Ferien frei benutzbar, auch sonst gibt es sehr familienfreundliche Tickets für die Stadt! Mit der U-Bahn geht alles kinderleicht und schnell. Doch jetzt zu den einmaligen Kulinaria
: Mein Testessen der Original Sacher-Torte im Sacher-Kaffee (ins Hotel ließ man mich im legeren Motorradler-Dress verständlicherweise nicht ein, ich hätte ja die edlen älteren Damen verschrecken können) entsprach etwa dem Verzehr eines 50-Cent-Edel-Pralinés von Bittner auf der Düsseldorfer Kö, welches ich mir beim Gehen reinschiebe und im Mund zergehen lasse; größer war das Stückerl für 4,70 Euro eher nicht. Kleineren Personen empfehle ich den Teller einmal zu drehen, da man ggf. das Stückerlchen hinter dem Sahneberg sonst übersieht. Und husten Sie bitte ins Taschentuch, sonst fliegt es runter vom Teller!
So inhalieren läßt sich dann allerdings das absolut leckerste Stück Kuchen auf dieser Welt, nämlich

Marzipan-Torte im Café Demel - Foto © Peter Bilsing
die seit Jahrzehnten unverändert gute „Anna-Torte“ im Café Demel nicht. Ein wuchtiges Stück Praliné-Kuchen aus feinstem Nugat und edelster Schokolade. Allein der Anblick macht süchtig. (Siehe Foto oben links. Es ist jeden Cent wert und für mich das Feinste, was man auf dieser Erde essen kann – dazu die Flüssig-Schokolade und der Tag ist kulinarisch gelaufen. Ich könnte allein dafür nach Wien fliegen. Ein Traumgeschmack, der lange nachwirkt. Auch Demels Marzipan Torte gehört in diesen Patisserie-Olymp. Und während ich das schreibe, möchte ich am liebsten gleich zum Flughafen sprinten.
 
Himmelmanns Floddermaus

Die beständige Erinnerung an dieses kulinarische Ereignis ließ mich dann die abendliche „Floddermaus“ im Theater an der Wien psychisch schadlos überstehen. Es war mir auch nicht aufgefallen, daß ein Warner den Komponistennamen Strauss auf dem Außenplakat gestrichen hatte und mit Filzstift durch den Namen des Regisseurs Himmelmann ersetzt hatte. „aperta transire“
Seit 2006 ist das Theater an der Wien keine Musicalbühne mehr, sondern der Donaumetropole drittes Opernhaus. Ein schönes Haus. Leider hatte Regisseur Himmelmann so in etwa alles getan, um uns einen schönen Operettenabend gründlich zu versaubeuteln. Schon das Bühnenbild signalisierte: Leid, „oh jeh, oh jeh, wie rührt mich dies“ – man (in persona Johannes Leiacker) hatte einfach das Interieur des Opernhauses auf der Bühne gespiegelt. Szenische Lösung, die ich erst 147 Mal gesehen habe, aber meine Kinder fanden es immerhin witzig. Das einzig Witzige an diesem traurigen Abend. Immerhin braucht man dann nicht das Licht im Zuschauerraum anzuknipsen (was aber dennoch leider geschah) damit auch der letzte Depp merkt: Ihr da! Ja genau, Ihr da draußen im

Foto © Peter Bilsing
Zuschauerraum, ihr antiquierten trotteligen Operettenbesucher! Ihr Spießer! Genau Ihr seid gemeint! Euch wollen wir hier mal richtig vera…! Haha. Hoho! Habt acht.
 
Was soll man zum Musikalischen sagen, wenn die wunderbare Ouvertüre durch lärmendes Bühnenpersonal zerstört wird – man spielt sinnigerweise und ständig polternd, kreischend und lärmend „Reise nach Jerusalem“, gleich vorne an der Rampe. Und wer verliert natürlich jede Runde? Genau: hahahaha, Gabriel von Eisenstein! Am Ende des Vorspiels wird er per Pedes von seinen Mitspielern in den Orchestergraben befördert, muß sich eine Frosch-Gummimaske überziehen und alle Hauptdarsteller pinkeln auf ihn herab. Welch ein Spaß für Unbedarfte, wie man hören konnte. Natürlich fließt, wie z.B. im Münchner „Siegfried“, kein reales gelblich eingefärbtes Fanta-Wasser (Anmerkung für Outsider, die den Ring nicht kennen: Es diente den immerhin sinnvollem Zweck der Schwerthärtung!), was allerdings die Szene noch peinlicher macht. Stupende Ratlosigkeit über die Personalia allerdings nicht nur bei meiner Kleinen, der ich die Geschichte natürlich ausgiebig erklärt hatte, sondern auch bei nicht wenigen anderen Opernbesuchern, die sich bei ihren augenscheinlich fachkundigen Nachbarn geräuschvoll über das „Who is Who“ erkundigten. „Sorry my dear, who is that Eisenstein? What are they doing?“ – „Bullshit, Baby!“ - „Wieso ein Frosch, Mama, ich dachte der wär eine Fledermaus.“ – „Schinpai, omawasrisan nuschi konitschie wah eki Fledermausi?“ – „Grand merde!“ Verständliche internationale Reaktionen. Leider waren bis auf Florian Boesch auch die Hauptpartien ziemlich fehlbesetzt. Kein Genuß à la Demel. Hätte ich mal vorher die Besprechungen meiner Kritikerfreunde Wagner und Lacina gründlicher gelesen! Mehr der Worte ist Lebenszeit-Verschwendung. Man kann also auch in Wien ziemlich reinfallen.

Die schönste Stadt der Welt


Dennoch bleibe ich dabei: Wien ist die schönste Stadt der Welt. Und wenn Sie noch nie dort waren, dann kaufen Sie sich zur Vorbereitung keinen Tourismus-Führer, sondern die Kottan-Gesamtausgabe auf DVD. →→→ www.musenblaetter.de
Sind sie knauserig, dann reicht der Film „Komm süßer Tod“ (Amazon, 9 Euro). Besser kann man in diese Stadt und ihre Menschen kaum eingeführt werden, und es hat sich bis heute nichts verändert – es wird sich wohl nie etwas verändern; denn Wien bleibt Wien. Und am Ende eine Ratespiel: Suchen Sie mal das Grab des großen Dichters Thomas Bernhard auf dem Grinzinger Friedhof. Wenn Sie es ohne Hilfe finden - es ist garantiert vorhanden - dann spendier ich Ihnen eine Karte für die Wiener Staatsoper. Doch jetzt Goodbye mein heißgeliebtes Wien.


Wien, Schönbrunn - Foto © Peter Bilsing

In Salzburg sehen wir uns wieder!
Ihr
Peter Bilsing
 

© Peter Bilsing – (Dr. Peter Bilsing ist der Herausgeber von Deutschlands ältester
Privater Opernzeitschrift „Der Opernfreund“ www.deropernfreund.de )
Erstveröffentlichung in dieser  Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker