Schlösser, Pubs und Herrensitze (1)

Per Pneu unterwegs im Südosten Irlands

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Schlösser, Pubs und Herrensitze
 
Per Pneu im Südosten der grünen Insel
auf den Spuren irischer Lebensart

- Blessington • Kilkenny -
 
 
Reisender, kommst Du nach Irland und möchtest die reizvolle Grüne Insel per Automobil erkunden, bedenke: man fährt dort links! Das ist natürlich besonders wichtig für den, der es seit Jahrzehnten nicht ausprobiert hat und vor allem nicht auf den beängstigend schmalen, von hohen Hecken und steinernen Mauern gesäumten, sich in engen Windungen durch das Land schlängelnden, zudem nicht immer eindeutig beschilderten Straßen abseits der Motorways und außerhalb der großen Städte. Doch ich möchte Sie nicht verprellen, liebe Leser, denn was Irland für diese Beschwernis zurückgibt, ist mit (fast hätte ich gesagt: irischer Butter einer ganz bestimmten Marke) materiellen Gütern nicht aufzuwiegen: das liebenswerte Erlebnis Irland.


Der Südosten - Irlands mildes Paradies
 
Wir haben uns für dieses Mal den Südosten der an landschaftlichen und kulturellen Abwechslungen

Russborough House - Foto © Frank Becker
reichen Insel vorgenommen (die britische Königin war übrigens vor ein paar Tagen bi ihrem ersten Staatsbesuch ebenfalls genau dort – die Burgruine
Rock of Cashel im County Tipperary ist in der Tat einen Abstecher wert – aber der Reihe nach, dazu etwas später). In den an touristischen
Sehenswürdigkeiten und landschaftlichen Höhepunkten reichen Counties wollen wir auch nach historischen Wirtshäusern und gediegenen Herbergen in Herrensitzen Ausschau halten, die eine Empfehlung an unsere Leser wert sind. Es wird eine ergiebige Suche werden, soviel schon jetzt.
Vom Flughafen Dublin, der in den letzten Jahren gewachsen ist und dessen Organisation sich spürbar verbessert hat (zur ergänzenden Lektüre vielleicht das hier), machen wir uns mutig mit einem Leihwagen ohne das „L“ für „Learner“ auf den Weg nach Kilkenny, das als eine der schönsten historischen Städte Irlands gerühmt wird und als einstige Hauptstadt des mittelalterlichen Irland Zeugnis von der jahrhundertelangen anglo-normannischen Geschichte der Region ablegt. Die rund 63 Meilen, das sind ungefähr 100 Kilometer, führen nach Süden durch die

Russborough House, Bibliothek  - Foto © Frank Becker
wärmste Region Irlands, deren üppige Vegetation an den Vorbeifluß der Ausläufer des Golfstroms erinnert. Über die M 9 geht es natürlich schnell und reibungslos, ich aber empfehle, spätestens ab Kilcullen die N 78 oder die N 9 parallel zur Autobahn südwärts zu nehmen, bzw. die N 81, wenn Sie wie wir noch einen attraktiven Zwischenstop machen möchten.


Russborough House & Joan Griffith

 
Unsere erste Station auf dieser Autoreise durch ein zauberhaftes Land wird nämlich am Wege liegen und kann jedem Reisenden nur zur Besichtigung empfohlen werden: Russborough House im County Wicklow, zwei Meilen südlich von Blessington, eine Perle der palladianischen Architektur Irlands und als eines der edelsten Herrenhäuser Irlands gerühmt. Sie sehen, schon wieder ein Superlativ, kaum daß wir unsere Reise angetreten haben. Und es ist berechtigt. Der Herrensitz, im Jahr 1741 von dem Architekten Richard Castle für Joseph Leeson in einem großzügigen, gepflegten Park erreichtet, ist nicht nur in einem hervorragenden baulichen Zustand, er beherbergt neben verschiedenen originellen Sammlungen (Schallplatten, 3-D-Fotografie, Regionalgeschichte, Reisefotografie, Film) erlesene kostbare Möbel, internationale Antiquitäten wie Porzellan,

Joan Griffith, Russborough House - Foto © Frank Becker
Waterford-Kristall, Gobelins und Teppiche, sowie vor allem eine kostbare Bibliothek mit z.T. raren Erstausgaben und eine hervorragende Kollektion irischer, englischer, flämischer, holländischer und spanischer Malerei, einen Teil der berühmten „Beit Art Collection“, deren wichtigste Stücke  allerdings in der National Gallery in Dublin untergebracht sind. Zu oft ist in den zurückliegenden Jahrzehnten im Russborough House eingebrochen worden, wo bei viele Gemälde gestohlen wurden. Doch die meisten konnten später wieder aufgefunden und zurückgebracht werden. Eine Führung durch das Russborough House sollte unbedingt gebucht werden. Ein Rundgang nämlich mit Joan Griffith, einer der nobelsten und feinsinnigsten Fremdenführerinnen, die mir je begegnet sind, ist purer Kulturgenuß. Jedes Wort hat Substanz. Dafür an dieser Stelle ein großes Kompliment!
 
Abends in Kilkenny

Kilkenny ist gut 800 Jahre alt, die Straßen daher schmal. Das Städtchen mit seinen knapp 9.000 Einwohnern (mit dem Umland sind es 22.000) wird vom mächtigen, aufs späte 12. Jahrhundert


Kilkenny, Band in "The Field" - Foto © Frank Becker
 
zurückgehende Kilkenny Castle überragt, das wir am nächsten Tag besichtigen wollen. Heute Abend aber wird nach einem ersten informativen Rundgang mit Pat Tynan von „Tynan´s Walking Tours“ (Pat weiß alles über Kilkennys Geschichte) der erste im Linksverkehr am Volant bestandene Tag gefeiert, natürlich in einem der immerhin 80 Pubs der Stadt: „The Field“, mitten im Zentrum an der Kreuzung

"The Field" - Laura Gaffney (green top) & the girls - Foto © Frank Becker
High Street/ Patrick Street/ Rose Inn Street/ The Parade.

Irischer könnte es kaum zugehen als in diesem urigen Lokal im Zentrum, das von
John & Sally-Anne MacDonald geführt wird. Eine hervorragende traditionelle Band spielt auf, die Theke ist belagert, Smithwicks (die Brauerei dieses köstlichen Getränks ist in Kilkenny) und Guinness fließen, die Herren leeren genußvoll ihre Pints und feuern die Damen um Laura Gaffney an, die überwiegend, doch mit merkbarem Vergnügen auch ohne die Männer tanzen – und Pat treffen wir auch wieder. Der signifikante Unterschied zu einem Besuch einer deutschen Kneipe: hier in Irland stehen Jung und Alt beieinander, singen gemeinsam die Lieder, die alle kennen, tanzen und reden miteinander. Der Pub ist brechend voll und nicht eine(r) mault über das Rauchverbot.

Butler House

Gleich um die Ecke sind wir im „Butler House“ abgestiegen, einem sehr gediegenen Hotel alter Tradition, dessen Name 500 Jahre der lokalen Geschichte transportiert, denn so lange war die

The Butler House - Foto © Frank Becker
Geschichte Kilkennys von der erfolgreichen Herrschaft der anglo-normannischen Familie Butler bestimmt.
Ein wohlgemeinter Tip: bitten Sie um ein ruhiges Zimmer auf der Gartenseite mit Blick über den schön angelegten Garten, in den Obergeschossen zugleich mit Panorama-Blick über Kilkenny Castle. Die elegant ausgestatteten Räume atmen Gediegenheit und bieten jede Bequemlichkeit.  Zur Straße hin ist es etwas zu geräuschvoll.
Nach entspannter, ruhiger Nacht im bequemen Bett schlendern wir zum Breakfast durch den Garten ins Kilkenny Design Centre, das neben einem großzügigen Frühstück auch schönes Kunsthandwerk der Region zu bieten hat. Da sollte man an die Lieben zu Hause denken und nicht auf der Geldbörse sitzen.
 
Kilkenny Castle

Gleich gegenüber dem Design Centre wacht mit mächtigen Mauern und Türmen auf erhobenem Gelände das trutzige Kilkenny Castle über die pittoreske Stadt. Die Geschichte der Festung beginnt

Blick vom Butler House aufs Kilkenny Castle - Foto © Frank Becker
im Jahr 1172, die ältesten Gewölbe unter dem Westturm stammen aus dem 13. Jahrhundert, die Fundamente aus dem späten 16. Jahrhundert. Das mittelalterliche Bauwerk ist ein Publikumsmagnet, denn es gibt viel zu sehen, darunter die großartige Gemäldegalerie und
Ausstattungs- und Architekturbestandteile aus vielen Jahrhunderten wie ein Kamin aus Carrara-Marmor, Chinoiserien, orientalische Teppiche und alte Tapeten. Schon früh am Morgen laden Busse Touristenscharen ab, die das seit 1967 staatlich unterhaltene gewaltige Anwesen anschauen wollen. Und auch hier lohnt ein geführter Rundgang durch Säle, Türme und Kunstsammlung (Long Gallery und Butler Gallery of Contemporary Art), besonders wenn John Burke der Guide ist. Kundig und mit humorvollem Understatement vermittelt er die Geschichte der Butlers und ihrer Generationen – und insgeheim glaubt man zu ahnen, daß er ein verkappter Sproß dieses Adelsgeschlechts sein könnte. Und wenn er dann in der Ahnengalerie auch noch die Stimme in beachtlichem Bariton zu einem traditionellen irischen Lied erhebt, um die Akustik des Raumes zu demonstrieren, hat er die ganze Sympathie seiner Zuhörer. Wie schon am Vortag bei Joan Griffith möchte man kein Wort versäumen.

John Burke - Foto © Frank Becker

Wir verabschieden uns von John Burke und Kilkenny und machen uns weiter auf den Weg. Doch davon dann morgen.
 

Wichtige Web-Adressen dieses Reiseabschnitts:
Irland Information: info@entdeckeirland.de / www.entdeckeirland.de
Russborough House: www.russborough.ie
Butler House: www.butler.ie
„The Field“: www.findarestaurant.ie/
Kilkenny Castle: www.kilkennycastle.ie
Smithwicks Brewery:
www.smithwicks.ie/

Anreise mit eigenem Fahrzeug: Per Nachtfähre von Nordfrankreich direkt nach Irland (Cherbourg / Roscoff-Rosslare) oder zunächst Fähre nach Großbritannien, von dort mit Anschlußfähre weiter nach Irland  (Durchgangstarife über verschiedene Routen).
Irish Ferries - Tel: 0421 – 1760 218: www.irlandfaehre.de


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