Die Staufer und Italien

Spektakuläre Staufer-Schau in Mannheim eröffnet

von Rainer K. Wick

Thronender König - Foto © Rainer K. Wick
Spektakuläre Staufer-Schau in Mannheim
 
Die Staufer und Italien
 
Seit Jahren sorgen die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen mit spektakulären Blockbuster-Ausstellungen kunst- und kulturgeschichtlicher Thematik für öffentliches Aufsehen. So erst Ende 2009/Anfang 2010 mit der großartigen Ausstellung Alexander der Große und die Öffnung der Welt. Asiens Kulturen im Wandel“. Nach vierjähriger Vorbereitungszeit wurde nun am 18. September im Zeughaus in Mannheim die Ausstellung „Die Staufer und Italien“ eröffnet. Mehr als dreißig Jahre nach der großen Staufer-Ausstellung in Stuttgart im Jahr 1977 wird damit dieses bedeutende hochmittelalterliche Herrschergeschlecht erneut in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.

Mit der expliziten Bezugnahme auf Italien und dem programmatischen Untertitel „Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa“ werden in Mannheim klare Akzente gesetzt, geht es doch im Unterschied zur damaligen Stuttgarter Ausstellung nicht um ein umfassendes Panorama der Stauferzeit, sondern darum zu zeigen, daß es der Rhein-Neckar-Raum, Oberitalien und Süditalien, genauer: das Königreich Sizilien, waren, wo sich im Jahrhundert zwischen 1150 und 1250 enorme politische und kulturelle Wandlungen vollzogen – Wandlungen, man kann auch von Umbrüchen sprechen, die die damalige Welt veränderten und in gewisser Weise bereits die Neuzeit vorbereiteten. Ob es angemessen und sinnvoll ist, diese Vorgänge mit dem doch recht modischen Begriff „Innovation“ zu belegen, ist eine kritische Frage, der sich die Veranstalter, ein hochkarätiges Team von Wissenschaftlern (allen voran die Heidelberger Ordinarien für mittelalterliche Geschichte Stefan Weinfurter und Bernd Scheidmüller sowie der Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen Alfried Wieczorek) zu stellen hätten.
 
Innovationsimpulse
 
Wie dem auch sei: Festzuhalten ist, daß es sich um einen Zeitraum handelt, in dem sich historische

Krönungsmantel - Foto © Jean Christen
Veränderungen von großer Tragweite mit einem Tempo und einer Dynamik vollzogen, die es nahelegen, von einer ausgesprochenen Beschleunigungstendenz zu sprechen.
Dies gilt, um nur einige Beispiele zu nennen, für die Emanzipationsbestrebungen der lombardischen Städte, angeführt von Mailand, das von Friedrich I. Barbarossa zwar erobert und zerstört wurde, an dem Friedrich II. später aber scheiterte, für die Entwicklung der Geldwirtschaft, besonders des Bankenwesens, für die Etablierung eines effizienten Beamtenapparates, für die Reform der Rechtsprechung, für das Aufblühen einer neuen Wissenskultur mit einer dezidierten Hinwendung zu naturwissenschaftlichen Erkenntnisformen und für die ganz spezifische Affinität Kaiser Friedrichs II. zur Antike. Doch kamen nicht alle Innovationsimpulse von den Staufern. Kaum zeitgemäß, ja „rückständig“ erscheint dieses Herrschergeschlecht etwa bei den anhaltenden Versuchen, „Reichsitalien“, also die um Autonomie ringenden oberitalienischen Kommunen, unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen. Gingen also keineswegs alle Neuerungen der damaligen Epoche von den Staufern aus, so wird in der Ausstellung doch deutlich, daß sie in jeden Fall in diese verwickelt und verwoben waren. Und was die Ausstellung zudem zeigt, ist der Umstand, daß eine Betrachtung der Staufer im nationalen Kontext (wie in der älteren Historiographie) unzureichend ist, sondern daß dieses Herrschergeschlecht in überregionale Netzwerke eingebunden war, die weit über die Grenzen Deutschlands und Italiens hinausgingen und bis nach Byzanz, ins Heilige Land und in die islamischen Länder reichten. Daß die Staufer und an erster Stelle Friedrich Barbarossa immer auch politisch instrumentalisiert wurden, insbesondere im sog. Zweiten Kaiserreich 1871 bis 1918, danach von deutschnationalen und rechtskonservativen Kreisen in der Weimarer Republik und erst recht im „Dritten Reich“, als Hitler seinem verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion den reichlich abwegigen Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ verlieh, sei nur am Rande bemerkt.
 
Aus Deutschen werden Italiener
 
Umso nachdrücklicher ist hervorzuheben, daß sich die Staufer über Generationen hinweg gleichsam

Cappenberger Barbararossakopf © Münster,
Bischöfl. Generalvik., Foto: Kube Gräven
von Deutschen in Italiener verwandelt haben: Friedrich Barbarossa verbrachte ungefähr ein Drittel seiner Herrschaftszeit in Italien, sein Enkel Friedrich II. sogar etwa drei Viertel, und zwar zum größten Teil in Unteritalien. In Sizilien aufgewachsen, wo er multikulturellen Einflüssen ausgesetzt war und mit dem byzantinischen, normannischen und sarazenischen Erbe in Kontakt kam, hielt er sich vorzugweise in Palermo und in seinen apulischen Kastellen auf (erwähnt sei die vollendetste Stauferburg Süditaliens, nämlich das wie ein geschliffener Diamant sich präsentierende, achteckige Castel del Monte in der Nähe von Bari). So wird man Friedrich II. geradezu als „Sizilianer“ bezeichnen dürfen, und es ist sicherlich kein Zufall, daß er in Süditalien immer noch besonders verehrt wird, während die Staufer als Antagonisten der oberitalienischen Städte in der Lombardei bis heute nicht sonderlich gut gelitten sind.
 
Hochkarätige Exponate
 
Auf drei Etagen versammelt die Ausstellung im Mannheimer Zeughaus, einem repräsentativen Bau zwischen Spätbarock und Frühklassizismus, mehr als fünfhundert, oftmals hochkarätige Exponate aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die in Deutschland zum Teil nur selten, zum Teil überhaupt noch nie öffentlich zu sehen waren. Zahlreiche Objekte kommen aus italienischen Museen, zwei der Glanzstücke der Ausstellung aus Frankreich und aus den USA. So stammt der prächtige, als Seiden- und Goldstickerei gefertigte Krönungsmantel Kaiser Friedrichs II. (der fälschlicherweise auch als Mantel Karls des Großen bezeichnet wird) aus dem Tresor der Kathedrale Saint-Étienne in Metz, die majestätische Sitzfigur eines thronenden Königs (s.o.) aus dem Metropolitan Museum of Art in New York. Bei dieser eindrucksvollen, in Norditalien im Umkreis von Benedetto Antelami geschaffenen Skulptur aus der Zeit um 1230 handelt sich wohl nicht um ein Abbild des damals regierenden Friedrich II., sondern um eine allegorische Darstellung des gerechten Herrschers, also um das Idealbild des Königs als

Friedrich II. - Foto © Rainer K. Wick 1968
Repräsentant des „lebendigen Rechts“. Während man Friedrich I. in Mannheim in Gestalt des berühmten goldenen Cappenberger Barbarossakopfes begegnet, vermißt man doch die Büste aus dem Museo Civico in Barletta, die vermutlich Kaiser Friedrichs II. darstellt. Sie orientiert sich ebenso an antiken Cäsarenbildnissen, wie die in Mannheim gezeigten, unter Friedrich II. geprägten Goldmünzen (sog. Augustalen) ein bewußtes Anknüpfen des Stauferkaisers an das Imperium Romanum dokumentieren. Dies wird in der Ausstellung unter anderem auch durch ein Ensemble – zum Teil stark beschädigter – Skulpturen belegt, die vom längst zerstörten Brückentor in Capua stammen (Museo Campano di Capua) und ein beredtes Zeugnis des Bestrebens Friedrichs II. sind, die Bildhauerkunst im Sinne der römischen Antike zu erneuern. Abgesehen von der kopflosen Sitzfigur des Kaisers sind die Köpfe der beiden Porträtbüsten von Petrus de Vinea und Taddeus de Sessa, hohen Staatsdienern Friedrichs II., und der gut erhaltene Jupiter-Kopf hervorzuheben. Obwohl stilistisch unverkennbar mittelalterlich, sind hier doch der Geist und das Formgefühl der Antike spürbar, und mehr als hundertfünfzig Jahre, bevor sich in Florenz die Frührenaissance zu regen begann, scheinen die Bildhauer der sog. Kaiserlichen Schule von Capua die Tür zur Renaissance schon einen Spalt breit geöffnet zu haben.
 
Kein einheitlicher Stil
 
Daß es aber so etwas wie einen einheitlichen Staufer-Stil nie gegeben hat, machen die in Mannheim

Petrus de Vinea - Foto © Rainer K. Wick
versammelten Exponate in aller Deutlichkeit sichtbar. Zu verschieden waren die drei „Kraftregionen“, um einen Begriff des mittelalterlichen Chronisten Otto von Freising aufzunehmen, hinsichtlich ihrer kulturellen Prägung und ihres künstlerischen Erbes, ganz abgesehen davon, daß sich im Jahrhundert der Staufer der Übergang von der Romanik zur Gotik vollzog. Dies war eine Entwicklung, die vor allem nördlich der Alpen stattfand, während in Italien und vor allem in Süditalien unter der Herrschaft Friedrichs II. die Antike weiterhin als starker Filter wirksam blieb. In einer Zeit, in der sich die Bildhauerschule von Capua von römischen Vorbildern inspirieren ließ, entfaltete sich beispielsweise im Umkreis des sog. Naumburger Meisters ein Figurenstil, der nicht der Norm des Klassischen folgte, sondern auf Individualität und Lebensnähe zielte und physiologische Besonderheiten ebenso betonte wie mimische Differenzierungen. Ein Relieffragment vom Westlettner des Mainzer Doms mit der Darstellung der Seligen aus dem Weltgericht (um 1240), das in Mannheim neben anderen hervorragenden Beispielen gotischen Kunstschaffens gezeigt wird, bringt die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Haltungen im Reich Friedrichs II. in aller Deutlichkeit zum Bewußtsein.
Obwohl in der Mannheimer Ausstellung die Bildhauerarbeiten optisch dominieren, werden sie doch durch eine Fülle hochinteressanten Materials ergänzt – Ritualobjekte, Handschriften, auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, so daß ein überaus anschauliches und facettenreiches Panorama der Kunst und Kultur in den drei staufischen „Innovationsregionen“ entsteht. Die exzellent inszenierte Ausstellung wird von einem hervorragenden zweibändigen Katalog begleitet. Daß nach nur sieben Tagen bereits über 10.000 Besucher gezählt wurden, bedeutet zwangsläufig längere Schlangen an den Museumskassen. Die Ausstellung ist unbedingt sehenswert. Insofern ist Geduld eine Tugend, die auf jeden Fall belohnt wird.

Selige aus dem Wewltgericht - Foto © Rainer K. Wick
 

Die Ausstellung „Die Staufer und Italien“ im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, wird noch bis zum 20. Februar 2011 gezeigt und ist täglich von 11 – 18 Uhr geöffnet (außer am 24. und 31.12.2010).

Der  zweibändige Katalog
, hrsg. v. Alfried Wieczorek, Bernd Scheidmüller und Stefan Weinfurter ist im Konrad Thiess Verlag, Stuttgart, erschienen. Er umfaßt insgesamt 800 Seiten mit ca. 1000 meist farbigen Abbildungen. Die Museumsausgabe (Softcover) kostet 39,90 €, die Buchhandelsausgabe (Hardcover) 59,90 €.
 
Weitere Informationen unter: www.staufer2010.de
 
Redaktion: Frank Becker