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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko

Hombroich - Foto © Frank Becker
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Die Kolumne am Mittwoch
von Friederike Zelesko


Es gibt Musik, die uns durchs ganze Leben begleitet. Sie holt uns immer wieder ein und begegnet uns an den ungewöhnlichsten Orten. So geht es mir mit Summertime, dem wunderbaren Wiegenlied aus der Oper Porgy and Bess von George Gershwin.
            Bei einem Besuch der Museumsinsel Hombroich im letzten Frühjahr betrat ich gleich am  Beginn des Rundganges den Klangturm des Architekten Erwin Heerich und fing an Summertime zu singen.. Überrascht von meiner Stimme und daß ich mich vor der hohen Sopranlage nicht scheute, die sich im Raum doppelt so stark ausbreitete und in der Tiefe des Turmes in vielen Echos wie von einem ganzen Chor begleitet, wohltönend zurückkam, fühlte ich mich frei wie nie zuvor. Zu diesem Ort gehörte die bestimmte Atmosphäre der Architektur, eine bestimmte Stimmung in der sich etwas entfaltete. Es war die Offenheit des Raumes, die mich beschwingte, beglückte und bewegte. Er war in diesem Augenblick ein Ort der Freundschaft.
Summertime and the leaving is easy, fish are jumping and the cotton is high ...
            Die Besucher wurden vom Gesang aus dem Turm angezogen, und sicherlich auch aus Neugierde hörten sie mir von draußen versteckt zu. Nur eine Frau, die in den Raum hineinging und mit mir eine Oktave tiefer in den Song einstimmte, fragte mich nachher, ob ich Sängerin wäre, was ich natürlich verneinte. Sie wurde genauso überrascht von ihrer eigenen Spontanität wie ich zuvor und obwohl ich sie nicht kannte, fühlte ich mich ihr ganz nah.
One of these mornings you're going to rise up singing, then you'll spread your wings and you'll take to the sky…
            Gestern bestellte ich mittags eine Pizza bei Rinaldo. Sie war noch nicht fertig, als ich sie abholen wollte, und so machte ich einen Spaziergang zum nahen kleinen Park auf der
Kluser Höhe. Ich hörte die Klänge eines Saxophons. Neugierig geworden, folgte ich diesen.
Auf dem Spielplatz, mitten im Grün, von hohen Bäumen umgeben, stand ein Mann in typischer Saxophonhaltung, verbarg sein Gesicht hinter einer großen Sonnenbrille und spielte Summertime.
Your daddy's rich, and your mamma's good looking, hush little baby, please don't cry …
            Die Bäume, die Sträucher, das Gras, ja sogar die beiden Schaukeln auf dem Spielplatz wiegten sich im Rhythmus der Melodie, dem sich dieses Mal die Architektur des Himmels öffnete. Das Moos auf dem Weg dämpfte aufmerksam meinen Schritt, zwang mich zum Stillstehen. Auch der Lärm von der Schwebebahn und den Zügen im Tal, den man immer hier oben hören konnte, verstummte. Nur die Musik weinte. 
But till that morning, there's a'nothing can harm you, with daddy and mamma standing by ...
            Ich war wieder das Kind, das im Schoß der Mutter lag und getröstet wurde.




© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010