Vielen Dank, Sarotti-Mohr!

Joachim Zeller - "Weiße Blicke - Schwarze Körper"

von Frank Becker
Vielen Dank, Sarotti-Mohr!

oder: Mutti, Mutti,
darf ich dem Neger da winken?
 
Ein bebilderter Exkurs über die europäische Wahrnehmung der Menschen Afrikas
 

Es ist nur auf den ersten und vielleicht noch den zweiten Blick amüsant, in diesem opulent bebilderten Band die Sicht nachzuvollziehen, die Europa vor allem um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Völker des „entdeckten“ und eroberten Afrika richtete. Denn was zunächst drollig wirkt, ja so wirken sollte, ist die Arroganz der europäischen Eroberer und Reisenden im „Kolonialismus der Bilder“ (Joachim Zeller), die mit den rechtlosen Ureinwohnern der mit Handels- und Waffengewalt überrollten Länder und Völker Spott trieb. Bis zur Entwürdigung wurden Schwarze der Lächerlichkeit preisgegeben. Ihr Menschsein wurde ihnen schlicht abgesprochen. Die Behandlung, welche diese Menschen anderer Hautfarbe und anderer Kulturen zu Objekten und Arbeitstieren degradierte, kannte wirklich keine Grenzen.

Grundlegende Dokumentation
 
Im Sutton Verlag ist jetzt von Joachim Zeller mit „Weiße Blicke – Schwarze Körper“ eine grundlegende Dokumentation vorgelegt worden, die sich in 18 sorgsam zusammengestellten Kapiteln mit der Aufarbeitung des Themenkomplexes beschäftigt. Der Sammler Peter Weiss hat für das

Foto © Frank Becker
Projekt seine Schränke geöffnet und dem Autor rare Fotoaufnahmen, Zeichnungen, Postkarten, Werbeartikel, Karikaturen etc. zur Verfügung gestellt. Wir bekommen beim Betrachten dieser Dokumente, die überwiegend aus deutschen, französischen, englischen und belgischen Quellen stammen, einen recht genauen Eindruck von der geringen Wertschätzung, die der „Schwarze“ von seinen Kolonial-„Herren“ erfuhr, von den deutlichen Grenzen, die im Alltag gezogen wurden, vom Haß gegen die „Untermenschen“, die Verteufelung ihrer Kulturen und Bräuche, aber auch von dem lüsternen Blick, die der „Weiße“ vor allem auf die Nacktheit der schwarzen Frau warf.

Neger und Mohren
 
Neger (darf man das eigentlich heute noch sagen?) balancierten in der europäischen Darstellung auf dem schmalen Grat zwischen Lust-/Ulk-/Humor-Objekt und undurchschaubarem Wilden. Hie als Werbeträger für Kaffee, Schokolade und

Foto © Frank Becker
Kakao, Zahnpasta, Schuhcreme und Bier, Autos, Glühbirnen und (natürlich) Bananen, als  Motiv kurioser Grußkarten oder als possierlicher kleiner Mohr - dort als Vermittler politischer Botschaften gegen die konkurrierenden Mächte im 1. Weltkrieg oder als blutsaufender brandgefährlicher Kaffer. Ein besonders dunkles Kapitel sind die sogenannten „Völkerschauen“, die in großer Zahl u.a. im Hamburger Zoo (!) von Carl Hagenbeck, im Zirkus Sarrasani oder z.B. bei den Weltausstellungen 1894 in Antwerpen und 1897 in Brüssel veranstaltet worden sind. Hier wurden die Menschen als Schauobjekte hinter Zäunen vorgeführt, kaum mehr wert als die exotischen Tiere, die von Zoologischen Gärten ausgestellt wurde. Und doch hat es einige der „importierten“ Menschen gereizt, in den Ländern ihrer Entwürdigung zu bleiben.

Literaturgeschichtliches Streiflicht

Bantu maiden in banana Plantation
Postkarte Südafrika, um 1965

Ein literaturhistorisch überliefertes Streiflicht: Der Wiener Dichter und Bohèmien Peter Altenberg verliebte sich 1897 bei einer Völkerschau im Prater bei der auch ein Dorf eine Ashanti-Stammes ausgestellt war. Sein Buch „Ashantee“, das später in die Sammlung „Wie ich es sehe“ aufgenommen wurde, widmete er „Meinen schwarzen Freundinnen, den unvergeßlichen Paradieses-Menschen Akolé, Akóshia, Tíoko, Djôjô, Nah-Badûh“. Er lehnt die öffentliche Zurschaustellung (nicht für sich) ab, verliebt sich unsterblich in mehrere, bewundert die Körper der jungen Mädchen: „Diese Reinlichkeit, diese wunderbare glatte kühle Haut, die Elfenbein-Zähne, die zarten Hände und Füße, diese Aristokratie der Gelenke (...) die wunderbaren hellbraunen Brüste welche sonst in Freiheit und in Schönheit lebten, wie Gott sie geschaffen, dem edlen Männer-Auge ein Bild der Weltvollkommenheiten gebend.“ Peter Altenberg, stets ein Verehrer junger, ganz junger Mädchen, hält nicht mit seiner „unermeßliche Liebe“ für die nackten schwarzen Schönheiten zurück: Ich trete in die Hütte. Auf dem Boden liegen Monambô, Akolé, die Wunderbare und Akóschia. Kein Polster, keine Decke. Die idealen Oberkörper sind nackt. Es duftet nach edlen reinen jungen Leibern. Ich berühre leise die wunderbare Akolé. - Neger sind Kinder. Wer versteht diese?! Wie die süße stumme Natur sind Neger.“ Der Einladung des Stammes, mit ihnen zurück nach Afrika zu reisen, folgt er unter Ausflüchten nicht.

Verbotene und erlaubte Lust
 

Femme Malinké - Postkarte
Frankreich um 1910
N
och in
den 1950/60ere Jahren gehörten plastische Darstellungen nackter Negerinnen auf und in Vitrinen zum höchst beliebten Wohnzimmerschmuck deutscher Haushalte. Wo Nuditäten sonst verboten waren, versteckte sich, wie schon zu Kaisers Zeiten die verbotene Lust hinter der Maske der Exotik. Mag sich auch derweil – vor allem nach Aufhebung der Apartheid in den USA und in Südafrika und der Freigabe der letzten belgischen und französischen Kolonien in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts - die Akzeptanz Schwarzer in der weißen Welt verbessert haben, woran nicht zuletzt die kulturellen, literarischen und politischen Verdienste schwarzer Philosophen, Dichter, Autoren, Musiker und Staatsmänner (und Frauen), sowie die Leistungen schwarzer Sportler ihren Verdienst haben – der geringschätzige Blick von oben (weiß) nach unten (schwarz) ist noch nicht aus der Welt. Joachim Zellers hervorragend kommentiertes, Polemik-freies Buch kann mit Vorurteilen aufräumen.
 
 
Sarotti-Mohr - Foto © Frank Becker
 

Zeller, Joachim – „Weiße Blicke - Schwarze Körper“
Afrika(ner) im Spiegel westlicher Alltagskultur
Bilder aus der Sammlung Peter Weiss
 
© 2010 Sutton Verlag - Edition Tempus
250 Seiten, 400 Bilder, Hardcover
1000 g, 24,5 x 22,5 cm,  - ISBN : 978-3-86680-412-8
34,90 €
 
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