Ein Pilgerweg im Salzkammergut

Auf den Spuren des Hl. Wolfgang

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Auf den Spuren des Hl. Wolfgang
 
Nur einen Axtwurf weit vom Abersee
Das letzte Teilstück der "Via Nova"
 

W
er Geschichten und Geheimnisse mag, kommt im Salzkammergut auf seine Rechnung, das wissen Leser der Reisebücher und der Käfer-Romane von Alfred Komarek schon lange. Die Region ist reich an abenteuerlichen Legenden und interessanten Figuren der Geschichte – eine davon ist Wolfgang von Pfullingen (924-994), geboren in der schwäbischen Gemeinde als Sohn eines Freien Bürgers. Eine nicht nur räumlich bewegte Biographie wird von diesem Mann überliefert, der in Pfullingen, Reichenau und Würzburg theologisch erzogen wurde, von 956-964 in Trier lehrte, bis 968 Mönch in Einsiedel war, die Priesterweihe erhielt und zum Missionieren nach ins Gebiet des keltischen Königreichs Noricum (Österreich-Ungarn) entsandt wurde. Doch schon 972 erhielt er auf Vorschlag des Bischofs Pilgrim von Passau einen Ruf nach Regensburg, um dort die Bischofswürde entgegenzunehmen.
 
St. Wolfgang - St. Gilgen und zurück

Die Wolfgangsee-Schiffahrt - Foto © Frank Becker

Patron von Regensburg ist er bis auf den Tag, doch was ihn mit dem heutigen St. Wolfgang am Abersee im Salzkammergut verbindet, ist eine geradezu abenteuerliche Geschichte, die dort oft und gerne erzählt wird. Man ist auf der sicheren Seite, wenn man sich da dem rührigen Tourismus-Chef Hans Wieser anvertraut oder Helmut Peter, St. Wolfganger Urgestein und einer der prominentesten Hoteliers der Gegend - ein kundiger Erzähler und Wanderführern vor Ort. Wohl keiner kann z.B. den herrlichen Pacher-Altar, seine Entstehung und Bedeutung in der Pfarrkirche von Sankt Wolfgang so plastisch erläutern wie er. Daß er auch eine Kapazität in Sachen des Hl. Wolfgang ist – nicht ohne ein Augenzwinkern, notabene – stellt Helmut Peter dem unter Beweis, der mit ihm das letzte Teilstück des 2004 eröffneten Pilgerwegs „Via Nova“ geht.
Es ist ein an der Gesamtlänge der Pilgerfahrt gemessen kurzes Stück von St. Gilgen über den Falkenstein und am See, der früher Abersee hieß und heute nach dem Schutzheiligen der Region Wolfgangsee heißt, doch es fordert den Wanderer, zeigt ihm magische Orte und eine wunderschöne Natur. Auf dem Weg, den man von St. Wolfgang oder Strobl aus mit einem der regelmäßig

"Nannerl" Mozart - Foto © Frank Becker
verkehrenden Linienschiffe der Wolfgangsee-Schiffahrt  nach St. Gilgen antritt und mit einem Abstecher zum Mozart-Haus unweit der Anlegestelle beginnt, gibt es eine Vielzahl bemerkenswerter Stationen. Daß W.A. Mozart selbst zwar nie in dem nach ihm benannten Haus war, soll uns nicht stören, denn immerhin wurde Mozarts Mutter 1720 in diesem Haus geboren und hat Wolfgangs begabte Schwester, das „Nannerl“ dort 17 Jahre lang gelebt, komponiert und auch die Werke ihres berühmten Bruders gespielt. Ein Besuch in dem mit einem kleinen Museum ausgestatteten, perfekt renovierten Haus mit Original-Ausstellungsstücken lohnt.


Bei den Benediktinern im Kloster Gut Aich

Nicht weit davon, im Winkl 2, findet der Wanderer in St. Gilgen das Benediktinerkloster Gut Aich, eine

Br. Mag. theol. Thomas Hessler - Foto © Frank Becker
Rast-Station besonderer Güte – für die Seele nämlich. Als Friedenszentrum entwickelt und mit dem Grenzen überwindenden Begriff „Europakloster“ belegt, ist Gut Aich eine Einkehr- und Bildungsstätte, Zuflucht für Ruhe- und Harmoniebedürftige, Meditationsort für Betende und Suchende. Wenn auch nicht auf erhabener Anhöhe von trutzigen Mauern umgeben, ist das Kloster doch ein Fels in der Brandung des Alltags, ein Hort der Ruhe und – das kann man sich entscheiden – ein Ort des Gesprächs, des Gesangs oder des Schweigens. Neun Benediktiner-Mönche bewirtschaften erfolgreich das mit u.a. Goldschmiede, Kunstatelier, Kellerei, Klosterhofladen und Kräutergarten ausgestatte Unternehmen, das auch Physio- und Psychotherapie, Seminare und Kunstberatung sowie Einkehrzeiten anbietet. Sehenswert auch die Fenster und der Schmuck der kleinen Kirche, die zum Kloster gehört und von Sprengel St. Gilgen genutzt werden kann. Br. Mag. theol. Thomas Hessler zeigt sich bei einer Führung als eloquenter Erzähler, Ordensbruder mit ausgesprochen einladender werbeträchtiger Außenwirkung, und er versichert, daß auch die Seelsorge bei den mannigfaltigen Aufgaben nicht zu kurz kommt.
 
Von magischen Felsen, Bußsteinen und einer Wunschglocke


Felskirche mit Wunschglocke u. Durchkriechstein - Foto © Frank Becker
Nach dem Kloster, das durchaus zu den „Glücksplätzen“ zählt, die an dem letzten Stück des Pilgerweges liegen, erreichen wir auf unserer Wanderung auch den Falkenstein, wohin der damals ja noch nicht heilige Benediktiner Wolfgang von Pfullingen, nachmaliger Bischof von Regensburg, sich in eine Einsiedelei zurückgezogen hatte. Nicht zu vergessen, dass man während dieses Teils der Pilgerfahrt als Buße einen gehörigen Stein in der Tasche mit sich tragen muß, um ihn später auf der Anhöhe abzulegen. Auf dem steilen Weg zum Falkenstein gibt es allerlei magische Plätze und Kraftpunkte, die durch rechte Würdigung und Behandlung Glück und Wohlgefühl, ja die Entlastung von Sorgen verheißen. So gibt es das Quellenhäuschen, über einer Heilquelle errichtet, in dem die Berührung eines Steins mit dem Kopf quälenden Kopfschmerz nehmen soll. Selbst aufgeklärte, sachliche Wanderer lassen diese Chance nicht aus, und sei es auch nur, für einen Moment die vom Anstieg heiße Stirn zu kühlen. Ein Stück weiter bergauf folgt eine kleine, in den Fels gebaute Kirche mit gleich zwei Wunder wirkenden Dingen: einer Wunschlocke und einem „Durchkriechstein“, in dem das Übel, was immer es auch sei,

Foto © Frank Becker
abgestreift werden kann. Bitter kalt ist es in dem Felsbau, man mag sich gar nicht vorstellen, dass dort Einsiedler, gar ein Bischof ohne jeden Komfort gehaust haben sollen. Es ist übrigens – wie bei vielen ähnlichen Plätzen – ursprünglich eine alte kultische Stätte gewesen, die von der Kirche überbaut und in der Zeit des Umbruchs klug genutzt wurde. Einige weitere wundersame Felsen und Steine mit angeblichen Berührungsspuren Wolfgangs liegen am Weg. Es folgt am Scheitelpunkt des Pfades, unterhalb der Falkensteinhöhe, eine winzige Kapelle. Hier wird der Stein abgelegt, bevor der Abstieg zum Wolfgangsee beginnt.
 
Glücksplatz Falkenstein-Gipfel

Wer es aber ganz richtig machen will, nimmt zuvor den Abzweig, der steil hinauf zum Gipfel des Falkensteins führt. Hierhin führt uns Helmut Peter, bitte um Stille, weist mit einer ausholenden Armbewegung auf den unter uns liegenden Wolfgangsee – und muß zu diesem Glücksplatz weiter nichts sagen. Sehr zufrieden steigt man nach kurzer Rast wieder ab und wandert nach dem Erreichen des Seeufers beinahe eben bis zurück nach St. Wolfgang, wo der Ausflug am Vormittag begonnen hat. Den schönen Tagesausflug schließt man passend mit einem Besuch der Pfarrkirche von St. Wolfgang und ihren Kunstschätzen, dem mächtigen, 1481 fertiggestellten Flügelaltar Michael Pachers, dem prachtvollen Barockaltar von Thomas Schwanthaler (1676) mit den Reliquien des Hl. Wolfgang, sowie den drei Altären und der Kanzel des Barockbildhauers Meinrad Guggenbichler (1706).


Blick vom Falkenstein - Foto © Frank Becker
 
Der Axtwurf

Unmittelbar über dem See und heutzutage neben dem legendären Hotel „Weißes Rössl“ hat es mit dieser Kirche natürlich auch etwas besonders legendäres auf sich: Wolfgang soll von der Stelle aus – sagt die Legende, an der jetzt die Kapelle am Scheitelpunkt des Weges liegt (Sie erinnern sich, wir haben unseren mitgeschleppten Buß-Stein dort abgelegt) nach Gottes Hilfe gegen den Teufel seine Axt zu Tal geschleudert haben, um zum Dank an der Stelle eine Kapelle zu bauen. Wundersame

Helmut Peter - Foto © Frank Becker
Winde trugen das Werkzeug kilometerweit bis zu einem Felsen, an dem jetzt die schöne Kirche steht. Die Axt und ein Kirchenmodell sind deshalb die Attribute des Hl. Wolfgang geworden. Muß man nicht alles glauben, ist aber eine schöne Geschichte. Wer den Weg von St. Gilgen nach St. Wolfgang mit dem Abstecher Falkenstein (mit oder ohne Glauben an Wunder) geschafft hat,
fühlt sich auf jeden Fall gut - dafür, daß man sich auch ohne ortskundigen Führer bestens zurechtfindet, sorgt akkurate Beschilderung. Wohl fühlt sich übrigens auch, wer auf seinem Weg, der ja vor allem dem Geistigen dienen soll, auch einen Schlenker zur Destillerie Primushäusl der Familie Rieger in Gschwendt macht. Dort ist er dem Geistigen sehr nah, werden doch in dieser Brennerei (laut mehrfachem Bekunden Eingeweihter) die besten Obstbrände weit und breit gemacht.
 
 

Morgenstimmung am Wolfgangsee - Foto © Frank Becker