Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (2)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (2)



Liebe Freunde meiner dienstäglichen Plaudereien,

da sind wir wieder und immer noch ist Ludwig van unser Thema - wird es auch für ein paar Folgen noch bleiben.

Im „Dictionnaire historique des Musiciens“, das in Paris 1810 erschien und von den Herren Alexandre Choron und Francois Fayolle verfaßt war, taucht zum ersten Mal eine Behauptung auf, die in der Folge immer wieder kolportiert wurde. Die Behauptung nämlich, Beethoven sei der uneheliche Sohn des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II. gewesen. Woher dieses Gerücht seine Wurzeln nimmt und wie das denn gegangen sein soll, daß die ehrenwerte Maria Magdalena van Beethoven, verwitwete Leym, geborene Keverich aus Ehrenbreitstein bei Koblenz zwischen Trauer und Wiederverheiratung mal eben nach Berlin gedüst und da ausgerechnet dem König in die Arme gelaufen sei - oder war der Cellist und König in - sagen wir mal - Bad Breisig, um die Witwe auf dem Weg von Koblenz nach Bonn abzufangen? - das steht auf einem anderen Blatt. Tatsache ist, daß dieses Gerücht die Freunde Beethovens aufgeregt hat, vor allem diejenigen, denen die Mutter Beethovens noch im Gedächtnis war.
 
Der Bonner Freund Beethovens aus alten Tagen, Franz Gerhard Wegeler, will diesen Schmutz aus der Welt schaffen und schreibt am 28. Dezember 1825 aus Koblenz an Ludwig van Beethoven, indem er einen großen Bogen über die Jahrzehnte schlägt: „Wenn du binnen den 28 Jahren, daß ich Wien verließ, nicht alle zwei Monate einen langen Brief erhalten hast, so magst du dein Stillschweigen auf meine ersten als Ursache betrachten. Recht ist es keineswegs und jetzt um so weniger, da wir Alten doch so gern in der Vergangenheit leben, und uns an Bildern aus unserer Jugend am meisten ergötzen. Mir wenigstens ist die Bekanntschaft und die enge, durch deine gute Mutter gesegnete, Jugendfreundschaft mit dir ein sehr heller Punkt meines Lebens, auf den ich mit Vergnügen hinblicke...Gottlob, daß ich mit meiner Frau, und nun später mit meinen Kindern von dir sprechen darf; war doch das Haus meiner Schwiegermutter mehr dein Wohnhaus als das deinige, besonders nachdem du die edle Mutter verloren hattest...Warum hast du deiner Mutter Ehre nicht gerächt, als man dich im Conversations-Lexikon ((gemeint ist der Brockhaus)), und in Frankreich zu einem Kind der Liebe machte? ... Nur deine angebohrne Scheu etwas anderes als Musik von dir drucken zu lassen, ist wohl schuld an dieser sträflichen Indolenz. Willst du, so will ich die Welt hierüber des Richtigen belehren. Das ist doch wenigstens ein Punkt, auf den du antworten wirst“.
 
Fast ein Jahr später, am 10. Dezember 1826 antwortet Beethoven und entschuldigt sein Säumen: „Freylich hätte pfeilschnell eine Antwort ... erfolgen sollen; ich bin aber im Schreiben überhaupt etwas nachlässig, weil ich denke, daß die bessern Menschen mich ohnehin kennen. Im Kopf mache ich öfter die Antwort, doch wenn ich sie niederschreiben will, werfe ich meistens die Feder weg, weil ich nicht so zu Schreiben im Stande bin, wie ich fühle... Du schreibst, daß ich irgendwo als natürlicher Sohn des verstorbnen Königs von Preußen angeführt bin; man hat mir davon schon vor langer Zeit ebenfalls gesprochen. Ich habe mir aber zum Grundsatze gemacht, nie weder etwas über mich selbst zu schreiben, noch irgendetwas zu beantworten, was über mich geschrieben worden. Ich überlasse dir daher gerne, die Rechtschaffenheit meiner Altern, u. meiner Mutter insbesondere, der Welt bekannt zu machen.“ Was Freund Wegeler dann in seinen „Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven“ auch getan hat, mit Effekt. Denn: hatte Brockhaus in der 1830er Ausgabe noch dieses Gerücht kolportiert - in der 1833er Ausgabe war es bereits verschwunden.
 
Dennoch geistert dieses Gerücht immer wieder durch die Biographien - so wadenbeißerisch-hartnäckig ist offenbar nach wie vor das Interesse daran, die Großen auf das unerträgliche Niveau des privaten Luder-Fernsehens herabzuziehen.
 
Das lassen wir natürlich überhaupt nicht an uns! Aber ein paar kleine Klatsch- und Tratschgeschichten muß ich Ihnen nächste Woche doch unbedingt noch erzählen - natürlich nur für die Musikwissenschaft!
 
Bis dahin!
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010

Redaktion: Frank Becker