"Hans Schwippert 1899–1973 - Moderation des Wiederaufbaus"

Gerda Breuer legt das erste Standardwerk über den "Architekten der Bundesrepublik" vor

von Frank Becker
Hans Schwippert -
Moderation des Wiederaufbaus


Erstes Standardwerk über den
"Architekten der Bundesrepublik"
 

Ein Leben für die Architektur

Eines der bekanntesten architektonischen Symbole der jungen Bundesrepublik Deutschland ist das 1948/49 in nur acht Monaten gebaute Bonner Bundeshaus geworden, bis 1999 Sitz des Deutschen Bundestages. Architekt dieses zeitlich punktgenau - deshalb die Eile - zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland (West) hochgezogenen Gebäudes war der Architekt Prof. Dr. Hans Schwippert (1899-1973). Ein soeben im Berliner Jovis-Verlag erschienenes Buch, erstes Standardwerk zu Leben und Werk Schwipperts, herausgegeben von der Wuppertaler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Gerda Breuer, zeichnet auf 679 opulent bebilderten Seiten Werdegang und Wirkung des auch durch seine wegweisenden Wohnbauten der 50er Jahre berühmten Architekten nach. Hans Schwippert stammte aus Remscheid im Bergischen Land, studierte 1920-1924 in Hannover, Darmstadt und Stuttgart, promovierte 1943 in Aachen, habilitierte sich 1944 dort auch. Nach dem Architekturstudium lehrte er in Aachen an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule, wurde Mitglied im Deutschen Werkbund und blieb zeitlebens dem „Werk“-Gedanken verbunden. Sein erstes Haus entwarf und baute er 1927 für seine Eltern in Duisburg, etwas später wirkte er an Bauten für soziale Dienste und Kirchen mit. Anfang der Dreißiger Jahre folgten weitere Wohnbauten, während des 2. Weltkriegs entwarf Schwippert im Kontext Behelfsheime für Bombengeschädigte und selbst zu bauende Notmöblierungen.
 
Steile Karriere nach 1945

Kurz vor Kriegsende trat er 1944 das Amt des Aachener Bürgermeisters und Bauamtsleiters an. Politisch als dennoch unbelastet geltend, konnte Schwippert 1945 sogleich ins Ministerium für Wiederaufbau in Düsseldorf wechseln. Auch seine guten politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen der Vergangenheit, die er einsetzen konnte, waren keine schlechten Voraussetzungen für eine Karriere als Architekt des Wiederaufbaus. Die Stadtplanung Aachens, der Bau des Bundeshauses, der Umbau von Palais Schaumburg, Kraftwerks-, Kirchen- und Verwaltungsbauten von 1946-1955 verschafften ihm Einfluß und Wohlstand. Zu den größten Projekten neben dem Bundeshaus gehören gewiß der von 1956-1963 die deutsch-deutsche Grenze und den 13. August 1961 überwindende Wiederaufbau der St. Hedwigs-Kathedrale in Ost-Berlin und die Teilnahme an der Interbau 1957 in West-Berlin. Hier trafen sich die Architektur-Größen der Welt  –  unter ihnen im Hansa-Viertel neben u.a. Le Corbusier, Aalto, Eiermann, Niemeyer und Gropius auch Hans Schwippert mit einem Wohn-Hochhaus.
 
Werkbund, BDA, Rat für Formgebung

1950 bereits hatte Schwippert den Werkbund wiedergegründet, war im selben Jahr Gründungsmitglied des BDA, 1953 Gründungsmitglied des auf Initiative des Bundestags ins Leben gerufenen Rats für Formgebung, dessen Präsidialmitglied er 1955 wurde. Internationale Bauausstellungen in Schweden und Italien, die Weltausstellung Brüssel 1958 und 1967 in Montreal standen unter Hans Schwipperts Stern. Von 1959 bis 1966 war er Rektor der Kunstakademie in Düsseldorf, an der er bereits 1946 tätig gewesen war. Der jetzige Leiter Anthony Cragg hat wie der Werkbund-Vorsitzende Dieter Koppe und Wuppertals Universitätsrektor Lambert T. Koch ein Grußwort beigesteuert.
 
Botschafter neuer Inhalte

Mit dem Bundestagsgebäude habe Hans Schwippert, so Herausgeberin Gerda Breuer, einen Symbolbau geschaffen, „der Transparenz und Bescheidenheit ausstrahlen sollte und eine deutliche Antithese zur monumentalen Machtdemonstration nationalsozialistischer Vergangenheit sein wollte“. Fragen der Gestaltung seien für Schwippert immer kultur- und gesellschaftspolitische Fragen gewesen. Gerda Breuer kommentiert auch die Brüsseler Weltausstellung 1958 unter Schwipperts Ägide. Inzwischen ja Vorsitzender des Werkbundes, dem „mächtigsten Netz der Architekten und Designer der Nachkriegszeit“, war Schwippert für den deutschen Beitrag dort verantwortlich. Er wählte moderne Gestaltung – Architektur und Produktform – als „Botschafterin neuer Inhalte“. Prof. Breuer: „In dem der Alltag ins Scheinwerferlicht rückte, verquickte sich in der Weltöffentlichkeit Menschliches wieder mit dem Bild Deutschlands. Seine Konzeption wollte das Schreckensbild revidieren helfen, das sich die Deutschen in aller Welt erworben hatten.“
 
Ein Standardwerk

Für den hier vorgestellten Band über Hans Schwippert haben Gerda Breuer und ihre Mitherausgeber

Prof. Dr. Gerda Breuer
Foto © Universität Wuppertal
aus verschiedenen Archiven und aus der von ihr zur Blüte gebrachten Designsammlung der Universität Wuppertal einen ungeheuren Fundus an Skizzen, Entwürfen und vor allem Hunderte von raren Fotografien zusammengetragen. Wo historische Fotos fehlten, hat Christof Becker die Lücken mit wunderbaren Aufnahmen gefüllt. Aufsätze einer hervorragenden Redaktion (s.u.) runden den Schatz an historisch und kunstgeschichtlich wertvollen Bildern zum Standardwerk, zu dessen wertvoller Ergänzung Gerda Breuers 2009 erschienenes Buch über Schwipperts Bonner Bundeshaus gehört.
 

Hans Schwippert 1899–1973
Moderation des Wiederaufbaus
Gerda Breuer // Pia Mingels // Christopher Oestereich (Hg.)

Autoren: Gerda Breuer/Leif Hallerbach/Jennifer von Massow/Pia Mingels/Adam C. Oellers/Christopher Oestereich/PauL Sigel/Sandra Wagner-Conzelmann
© 2010 Jovis Verleg, Berlin - 679 Seiten, Bezogener Hartpappband, mit ca. 550 Abbildungen, deutsch - Format: 24,2 x 30 cm, ISBN 978-3-86859-054-8
52,00 € / 86.50 sFr

Weitere Informationen unter: www.gerdabreuer.de und  www.jovis.de