Das Ultental (3)

Ein Zeitzeuge erzählt

von Elisa Kuppelwieser und Frank Becker

Johann Mairhofer -
Foto © Elisa Kuppelwieser

Ultental (3)
 
Johann Mairhofer erzählt als Zeitzeuge
von den Anfängen des Fremdenverkehrs
und der Geschichte der Steinrast

Damit auch ein Zeitzeuge zu Wort kommt, hat Elisa Kuppelwieser ihren Großvater Johann Mairhofer gebeten, ein wenig in seinen Erinnerungen zu kramen, um ein authentisches Bild der Zeit zu skizzieren. Lesen Sie dieses liebenswerte kleine Interview im Wortlaut:
 
»Opa, wie lange  hat der Aufbau der Baracke Steinrast 1965 gedauert und wie wurden die Baumaterialien geliefert?
 
1963 wurde die Straße von Kuppelwies bis zur Steinrast gebaut. Die Baracke war eine Fertigbaracke aus Belluno bei Verona. Mein Freund, der "Schmied- Toni" hat damals bei einer italienischen LKW- Firma "Icus" als Frächter gearbeitet. Er hat mir die Fertigteile mit dem LKW bis auf die Steinrast transportiert.

Die Arbeiterbaracken im Jahr 1965 - Foto © Steinrast/Mairhofer
2 Monate dauerte dann der Aufbau des Lokals. Insgesamt hat die Baracke nur 1Million und 800.000 Lire gekostet, das wären umgerechnet für die heutige Zeit 929,80 Euro. 
 
Die Arbeiter der Firmen Puglio und Italstrada, welche für den Bau des Arzker- Stausees verantwortlich waren lebten ebenfalls in Baracken auf der heute so wunderschönen Bergwiese gegenüber von der Steinrast. Wie viele Arbeiter waren es ungefähr?
 
Es waren viele Arbeiter. Um die 800 Leute lebten auf der Wiese, wobei beim Stausee oben auch eine große Baracke mit Unterkünften war. Ich glaube, dort waren aber lediglich nur 200 Schlafplätze.
Sogar ein eingener Frisör "Herr Pettinato" zirkulierte und lebte Jahre lang hier gegenüber. Prostituierte, darunter zum Teil auch Frauen aus dem Ultental hatten einen tollen Nebenjob.
 
Welches Speisen- bzw. Getränkeangebot gab es 1965? 
 
Wir verkauften das Gösser- Bier. Den Wein bezogen wir schon damals von der Ersten & Neuen Kellerei Kaltern- bis heute noch. Der Wein war das meistverkaufte Getränk, deshalb kauften wir immer Fässer mit 50 l oder sogar 100 l Inhalt.
In einer Woche verkauften wir damals ca. 30 l Grappa, den sogenannten "Treber", die Italiener waren ganz verrückt danach. Ansonsten liebten sie auch den Anice (Anisschnaps), Sambuca (Anislikör) und Jägermeister.
Auf der Speisekarte standen immer Knödel. Speckknödel, Leberknödel aber auch Käseknödel. Nudelsuppe mit Wurst, Ultner Gerstensuppe mit Rauchfleisch, Spiegeleier mit Speck, Kaiserschmarrn - Rindsgulasch gab es nur selten. Aber sogar Apfelstrudel zum Dessert. Speck und Käse gab es immer. Später dann haben wir einen Grill gekauft und auch Rippchen oder Spanferkel gemacht.
 
Die Nahversorgung war damals ja noch nicht so gut wie heute. Heute können auch wir fast alles in einem Lebensmittelgeschäft erhalten. Wie seit ihr 1965 eigentlich ins Tal gekommen zum Einkaufen.

1970 - mit "Prinz"
 
1970 erst habe ich mein erstes Auto, einen NSU Prinz gekauft.
Bis dahin hatte ich einen großen starken Roller, der Marke "Vespa" mit einem 50er Motor. Die Vespa war so groß, daß wir alle vier darauf Platz fanden. Sie diente uns zum Einkaufen und am Sonntag sind wir immer damit zur Frühmesse um halb 7 nach Kuppelwies gefahren. Es gab auch den einen oder anderen kleinen Unfall samt Einkauftasche....
 
Anfangs hattet ihr keinen Strom, erst durch die italienischen Firmen ist die Steinrast an Strom gelangt. Wie war das Leben ohne Strom? Wie wurden die Lebensmittel gelagert?
 
Im Wald gab es eine Stelle, wo den ganzen Sommer über ein wenig Schnee lag, in dem Loch war es sehr kalt. Deshalb nutzten wir diese Bedingungen, um dort Lebensmittel zu lagern. Ich mußte diesen natürlichen Kühlschrank gut zumachen, denn sonst hätten Fuchs und Murmeltier die Speisen verzehrt.
Die Milch haben wir immer im Bachbett des Jaunbachs kühlgestellt, ca. 30m von der Steinrast.
Ja, das erste Jahr hatten wir keinen Strom. Wir mußten eine Leitung legen, welche an die italienischen Baracken angeschlossen wurde. Wir hatten aber trotzdem warm, da alles mit einem Holzherd beheizt wurde.

Sommer 1971 - v.l.: Elisabeth Schwienbacher, Gast,
Walli Mairhofer, Brunhilde Mairhofer
Die Kaffeemaschine funktionierte mit Gas, und Licht hatten wir auch mit Gaslampen, also man hätte sich auch daran gewöhnt.
 
Auf guten Kaffee hast du immer schon Wert gelegt Opa. Welches Fabrikat war die erste Kaffeemaschine auf der Steinrast und kannst du dich noch erinnern, wie viel die echte Bohnenmaschine damals gekostet hat?
 
Die Kaffeemaschine funktionierte mit Henkel, sobald man das Kaffeepulver eingespannt hatte, mußte man die Henkel von oben nach unten drücken, sie gingen dann von alleine hoch und der Kaffee war fertig. Brunhilde, Deine Mama, mußte als kleines Mädchen immer aufspringen um die Hebel zu betätigen, aber sie konnte schon früh Kaffee machen.
Die Maschine war von der Firma "Faema" - auch heute noch haben wir diese Kaffeemaschinenfirma. Ja ich kann mich noch genau erinnern, sie kostete damals 1966 zwei Millionen Lire, das sind heute umgerechnete 1.033,00 Euro. Die Maschine war teurer als die Baracke selbst!!
 
Woher kam die Jukebox? Welche Lieder wurden damals oft gespielt?
 
Die Jukebox war ebenfalls ein italienisches Fabrikat, ich kann mich aber an die Marke nicht mehr

© Columbia/Electrola - Archiv Musenblätter
erinnern.
Wenn man 50 Lire = ca. 24 Cent einwarf, wurden drei Lieder gespielt. Die Lieder konnte man auf einer Drehscheibe auswählen. Ich kann mich noch gut erinnern, daß Lieder wie: Marina, Marina, Marina (Rocco Granata) oder welche von Heintje gespielt wurden: " Ich bau dir ein Schloß" und "Mamatschi". Griechischer Wein (Udo Jürgens) stand auch an der Tagesordnung, von Heino "Blau, blau, blau blüht der Enzian", oder "My baby baby balla balla" (Rainbows).... Diese Lieder waren damals groß im Rennen.
 
Zum Beginn der 70er Jahre hielt der Tourismus Einzug im Tal. War dies ausschlaggebend für den Fortbestand der Steinrast?
 
Ja, als der Tourismus langsam ins Tal kam, war uns klar, daß wir die Steinrast weiterführen wollten. Wir hatten nämlich nur eine "Lizenz auf Dauer der Arbeiten am Stausee". Aber durch einen entsprechenden Antrag an die Gemeinde wurde uns die Lizenz sofort verlängert. Wir hatten damals auch schon oft 30 Mittagessen am Wochenende. Es kamen auch viele Einheimische/Ultner zu uns hoch.
 
Mama erzählt immer, wie schön es war mit dem Militär auf der Steinrast. Was war damit?
 
Ja das italienische Militär, darunter waren natürlich auch Südtiroler, hat mit der Alpini- Truppe (die Sportgruppe während des Militärdienstes) immer bei uns "Campo"- d.h. Rast gemacht. Sie kamen über das Tarscher Joch vom Vinschgau her und haben ihre Zelte aufgebaut und einen Tag auf der Steinrast gesiedelt.
Allerdings hatte das Militär seine eigene Mensa/Küche dabei. Sie kamen dann am Abend zu uns in die Bar, um zu feiern.... und die jungen Burschen haben unseren Mädchen Brunhilde und Waltraud natürlich sehr gut gefallen!!!
 
Die abschließende Frage Opa: Warst du gerne Wirt?

Elisa Kuppelwieser - Foto © Frank Becker
 
Ja ich war und bin nach wie vor gerne bei Leuten und bin gerne auf der Steinrast.
(Heute wohnt mein Opa in einem Haus auf dem Obermarsonhof, seinem Geburtshaus.) Aber ich bin froh, daß ich im Sommer nur mehr für die Grillhähnchen verantwortlich bin und daß ich heute nur mehr Holz machen muß. Mit den neuen Mischgetränken heutzutage wäre ich überfordert!
 
Danke Opi für das schöne Interview
Elisa
 
Kontakt zur „Steinrast“
:

Brunhilde Mairhofer - Steinrast 573 - I-39016 St. Walburg
Telefon: +333 6502171 - Mobil: +328 9039885
 
Weitere Informationen: www.schwemmalm.com/de/gastronomie/bar-imbiss-steinrast.html  und  www.ultental-valdultimo.com

sowie über das Ultental/Deutschnonsberg: www.ultental-deutschnonsberg.info

Redaktion: Frank Becker