Das Ultental (1)

Ein sanftes Südtiroler Urlaubsparadies

von Elisa Kuppelwieser und Frank Becker

Foto © Frank Becker
Ultental (1)
 
Ein sanftes Südtiroler Urlaubsparadies
mit einem kleinen Geheimtip
(der wohl keiner mehr ist,
sobald wir ihn veröffentlicht haben)
 

W
anderer kommst Du nach Südtirol und führt Dich Dein Weg auch ins Ultental (was er unbedingt sollte), versäume nicht einen Besuch auf der Steinrast, einer kleinen, jedoch besonders herzlich und mit erstklassiger Küche geführten Jausenstation mit Geschichte(n). Gleich hinter St. Walburg, von Kuppelwies aus führt der Weg bergan ins Jauntal, vorbei am Weiberhimml bis auf 1723 Meter Seehöhe. Dort, unterhalb des mächtigen Arzker-Stausees, der seit 1965 auf 2249 Meter Höhe ein gigantisches Wasserreservoir zur Stromerzeugung aufstaut - und quasi mitten im idyllischen Ski- und Wandergebiet Schwemmalm - hat der Reisende sommers wie winters gut rasten.
Wir möchten Ihnen die Schönheit und die Gastlichkeit des Ultentals mit einigen Beispielen vorstellen, die Steinrast wird dabei einen besonderen Platz einnehmen, denn wir haben die Juniorchefin Elisa Kuppelwieser, die dort geboren und aufgewachsen ist und das Familienunternehmen jetzt mit ihrer Mutter Brunhilde Mairhofer bereits in 3. Generation betreibt, dafür gewinnen können, einige Aufzeichnungen zur wechselhaften Geschichte des mutigen Unternehmens und des Tals beizusteuern. Dafür schon an dieser Stelle unser Dank.
 
Das Ultental und seine Angebote

Das Ultental ist mit seinen erschlossenen 35 km Länge - 50 km sind es absolut - ein rechts kleines,
 
 Ultner Wanderwege - Foto © Frank Becker
doch wunderschönes Südalpental in der Nähe von Meran, das sich von Lana aus über die Dörfer St. Pankraz/San Pancrazio, St. Walburg/ Santa Walburga, St. Nikolaus/San Nicolo bis St. Gertraud/ Santa Geltrude erstreckt.
Die drei letztgenannten Dörfer haben sich zur Gemeinde Ulten und einem Tourismusverein zusammengeschlossen, der bei nur 3.000 Einwohnern immerhin bereits 1.300 Betten für Gäste anbietet – projektiert sind bis ca. 2018 aber bereits 2.200 Betten, womit das Gebiet denn auch an seine Grenzen stoßen dürfte. Ulten will nämlich eines auf jeden Fall vermeiden: eine Schicki-Micki-Hochburg mit Luxus-Tourismus und Ballermann-Effekt zu werden. Man setzt auf Ruhe, auf Qualität, auf sanften Tourismus und auf regionale Küche, kurz: auf ein solides, gediegenes Angebot für Familien und Ruhesuchende. Seit 1998 die Verbindungsstraße nach Proveis/Proves und Laurein/Lauregno ins benachbarte Nonstal/Deutschnonsberg gebaut wurde, haben sich die Regionen auch wirtschaftlich angenähert. Die deutsche Sprachinsel Deutschnonsberg mit den beiden weiteren Orten St. Felix/San Felice und Unsere liebe Frau im Walde/Senale war bis dahin weitgehend isoliert. Nicht vergessen: wir befinden uns in Italien, wenn auch im weitgehend autonomen Südtirol.
 
 
Sepp Matzoll - Foto © Frank Becker
Zum Konzept gehören ordentliche Unterkünfte aller Kategorien von Ferien auf dem Bauernhof bis zum 4-Sterne-Haus, Gasthäuser und Restaurants, die mit Besinnung auf die regionale Geschichte auf die heimische Küche weitgehend aus der Produktion der Region setzen. Freizeitangebote mit u.a. geführten Wanderungen und Bergtouren, Reiten und Pilzesammeln sowie das Abgebot, Ferien auf bewirtschafteten Bergbauernhöfen zu machen, sind im Sommer einige derAttraktionen. Sepp Matzoll kennt Weg und Steg – er stellt u.a. den „Ultner Höfeweg“ (17,8 km/5 Stunden) vor, auf dem man die ältesten Berghöfe des Ultentals passiert. Leicht ist der beinahe ebene mit 11,3 km/3 Stunden angelegte Seeweg um den Zoggler Stausee zwischen St. Walburg und Kuppelwies. Für geübte Wanderer ist der Alpenrosenweg oberhalb St. Pankratz mit seinen 20,5 km und knapp 13 Stunden Gehzeit schon echte eine Aufgbe. Insgesamt sind im Bereich Ultental/ Deutschnonsberg 760 km Wanderwege bis St. Felix/San Felice und Unsere liebe Frau im Walde/Senale markiert.  
 
Das Skigebiet Schwemmalm

Im Winter gehören natürlich Skiabfahrten, Rodelbahnen, Langlauf und Schneeschuhwanderungen
 
Auf der Schwemmalm - Foto © Frank Becker
(Sepp Matzoll und Elisa Kuppelwieser) sind hier die kundigen Führer zum Angebot. Insgesamt 26 km Langlauf-Loipen sind gespurt, auch Schneeschuh-Loipen werden regelmäßig gespurt, und im perfekt gestalteten, mit einem System aus Kabinenbahn, Sessel- und Schleppliften erschlossenen Skigebiet „Schwemmalm“ hat man 25 km Abfahrts-Pisten aller Schwierigkeitsgrade für Anfänger und Profis angelegt. Sollte es einmal trotz Winter und Kälte nicht schneien, hat man eine Beschneiungsanlage installiert, die sich aus dem oberhalb gelegenen Arzkarsee mit 400 Liter Wasser pro Sekunde speisen läßt. Der Naturschutz wurde bei den Planungen ebenso berücksichtigt wie der Komfort für die Gäste. Eine Liftkarte kostet übrigens 26,- € pro Tag, wer nur mit der Kabinenbahn hinauf auf die Schwemmalm möchte, um danach in eleganten Schwüngen und Schußfahrten wieder ins Tal hinunter zu sausen, muß für die einfache Fahrt 9,- € berappen, Kinder 5,- €. Das ist gerechtfertigt, denn die Kabinenbahn überwindet die rund 1000 m Höhenunterschied von der Talstation bis zur Schwemmalm in nur acht Minuten.

Die Gastronomie
 

Die Speckpralinen - Foto © Frank Becker 
Ich habe selbstverständlich nicht alle Restaurants im Ultental ausprobieren können (ich wäre  a. zu nichts anderem mehr gekommen und  b. hätte ich sicher noch mehr zugenommen als ohnehin bei der deftigen Südtiroler Kost), doch ein paar Empfehlungen möchte ich schon aussprechen. So kann ich das von Godio-Preisträger Daniel Schwienbacher im Hotel Arnstein/ St. Gertraud zubereitete Flanksteak von Jungrind sehr empfehlen, habe im Restaurant „Weiberhimml“/St. Walburg die beste Pizza nördlich von Neapel bekommen (aus Napoli stammt Loris, der geniale Pizzabäcker des Lokals) und im Hotel Ortler/St. Nikolaus ein Menu genossen, dessen Gänge ich hier sehnsüchtig noch einmal

Birgitt Zöschg - Foto © Frank Becker 
Revue passieren lassen möchte: Würzige Ultner Speckpralinen -Dreierlei Cremesüppchen von buntem Wintergemüse mit Sahnehäubchen - Zarte Lammspitzrose in Thymiansauce mit Selleriepürre - Kreation von Waldschwarzbeeren an Vanillesauce. Hmmm! Anzuklagen ist als Köchin Birgitt Zöschg, der ich wenigstens ein Kilo Hüftspeck zu verdanken habe.
Zu den deftigen Speisen der Steinrast kommen wir noch an anderer Stelle.
 
Ein wenig zur Geschichte
 
„Der Tourismus kam erst in den 70er Jahren ins Tal der durchweg nach Heiligen benannten Dörfer. Vorher war das Ultental eher für seine Heilquellen bekannt, z.B. Kaiserin Sissi von Österreich machte an der Mineralquelle im Mitterbad bei St. Pankraz so manche Kur. Auch Franz Kafka und Beda Weber kamen ins Mitterbad,  um Erholung und Heilung zu finden. Die Heilquellen gibt es zwar immer noch im Tal, allerdings werden sie nicht mehr genutzt – sehr schade“, kommentiert Elisa Kuppelwieser die Geschichte des Ultentals. Bereits etwa 1000 v.Chr. wurde das Ultental erstmals im Bereich Walburg besiedelt, bis in die ältere Eisenzeit (Hallsteinzeit) bildeten sich feste Siedlungspunkte im Tal, das in der jüngeren Eisenzeit bis 100 v.Chr. zum Kulturkreis der Räter und Kelten zu zählen war. Durch die Jahrhundert mal schwäbisch beherrscht, mal französisch, bayrisch und schließlich österreichisch, wurde das Ultental 1918 von Italien annektiert. Erst 1950 wurde die Straße durchs Tal bis nach St. Gertraud fertiggestellt.
 

Steinrast 2002
„In den 60er Jahren begann man mit dem Stauseebau im Ultental, was das Gesicht der Region entscheidend veränderte und den Tourismus bis in die 70er Jahre verhinderte. Das Ultental war und ist bis heute eines der wasserreichsten Täler Südtirols, was die italienische Stromgesellschaft ENEL (energia elettrica bedeutet elektrische Energie) zur Stromerzeugung nutzte. Im Tal wurden insgesamt sechs Seen aufgestaut und Kraftwerke gebaut. Am schlimmsten traf es in St. Walburg. Der heutige Zoggler Stausee hat viele Menschen ihre angestammte Heimat gekostet. Dort nämlich, wo heute der Zoggler Stausee ist, war vor 60 Jahren noch das Herzstück, die Kornkammer des Ultentals. Viele Bauern wurden unter staatlichem Druck zum Verkauf gezwungen oder enteignet. Sie mußten ohne gerechtes Entgelt dem See weichen, mußten zusehen, wie ihre Häuser,  Weiden und Felder langsam vom Wasser verschlungen wurden“, erzählt sie weiter.
 
Das Jauntal und die Steinrast

In dieser Zeit wurde in dem kleinen Seitental des Ultentals, dem Jauntal der Arzkerstausee gebaut. Dort entstand während der Bauzeit in der Abgeschiedenheit der Berge – zunächst als Café und Kantine für die Bauarbeiter – die „Steinrast“, von der wir Ihnen hier berichten möchten. Von der Abzweigung der Hauptstraße bei Kuppelwies sind es 7 km bis zur Steinrast, also 12 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto, was heuer möglich ist, anders als vor 60 Jahren. Wenn man von Kuppelwies über den Kreuzweg nach St. Moritz wandert, benötigt man ca. 2 1/2 Stunden.
Elisa Kuppelwieser, die in Meran zur Hotelkauffrau ausgebildete charmante Juniorchefin (5 Jahre Hotelfachschule „Kaiserhof“ in Meran, Matura 2008 mit drei Diplomen: Restaurantfachfrau diplomierte Köchin, Hotelkauffrau) steht Tag für Tag in der Küche und zaubert für die hungrigen Wanderer deftige Gerichte wie Speck- oder Leberknödelsuppe, hausgemachte Käse- und Spinatnocken, Gulasch vom Ultner Rind, Brennesseltagliatelle, Nocken vom Muskatkürbis, Wildgerichte der Saison, aber auch süße Sachen wie Kaiserschmarrn, Apfel- oder Topfenstrudel und Linzertorte. Die Brotzeitteller mit heimischem Speck, Wurst und Käse und das hausgemachte Schüttelbrot sind genau das richtige nach oder vor einer kräftezehrenden Wanderung.

Hubert Ungerer - Foto © Frank Becker
Sobald die Saison es erlaubt, sammeln Elisa und ihre Mutter Kräuter, um sie ihren Gästen als Säfte und Tees anbieten zu können. Der Tee aus Zitronenmelisse und Alpenrosenblüte z.B. ist ungemein belebend und erfrischend, bestätigt Co-Autor Frank Becker aus eigener Erfahrung.
„Die Hotelfachschule hat mir sehr viel Spaß gemacht“ erzählt Elisa Kuppelwieser und berichtet, daß sie eine Facharbeit über den „Sanften Tourismus im Ultental“ schrieb, der heute im Fokus der Arbeit von Hubert Ungerer steht, des rührigen Geschäftsführers des Ultener Tourismus-Vereins. Da schließt sich ein Kreis der Bestrebungen.


Lesen Sie morgen und übermorgen weiter, denn an den beiden folgenden Tagen erzählt Elisa Kuppelwieser Ihnen die spannende Geschichte der "Steinrast".

Informationen über das Ultental/Deutschnonsberg:
www.ultental-deutschnonsberg.info

Redaktion: Frank Becker