Von Litfaß bis Billboard - Werbe-Plakate im Museum

Noch bis zum 11. April im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg: "Plakativ"

von Frank Becker

© Hatje Cantz
Graphik - Werbung - Strategien
von Litfaß bis Billboard
 
Noch bis zum 11. April im
Germanischen Nationalmuseum Nürnberg:
Eine Ausstellung zur Produktwerbung
im Plakat 1885-1965
 
Das Plakat ist nicht erst seit der genialen Idee der nach ihrem Erfinder, dem Drucker Ernst Litfaß (1816-1874) benannten Litfaß-Säule Träger von Reklame jedweder Art. 1854 erdacht und ab 1855 in Berlin versuchsweise aufgestellt, haben diese Anschlagsäulen neben den bekannten Plakatwänden, Schaufenstern und den neuen öffentlichen Werbeträgern wie Billboards, Screens und Displays bis auf den Tag ihre Funktion als Blickfänger mit dem Fokus auf Waren, Dienstleistungen, Produkte, Vereine, Parteien und vieles andere mehr. Das Plakat, vom handzettelgroßen Blatt bis zum größten DIN-Format und darüber hinaus, ist sicher der interessanteste Werbeträger überhaupt. Fernsehwerbung verschwindet nach Sekunden vom Bildschirm und aus dem Gedächtnis, Zeitschriften werden beiseite gelegt, Plakate aber bleiben bei Wind und Wetter großformatig an ihrem Platz, fesseln, sofern sie gut gemacht sind, den Blick Mal um Mal – und werden sogar gesammelt.
 
Zeitgeist und Werbebotschaft


Einer solchen Sammelleidenschaft verdankt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg nicht nur seine derzeitige Sonderausstellung „Plakativ - Produktwerbung im Plakat 1885-1965“, sondern einen enormen Bestand in Form einer Dauerleihgabe der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft e.V. (NAA) und der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V. (GfK), die ihre Sammlung von mehr als 10.000 internationalen Plakaten der Zeit zwischen 1880 und 1970 dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Die noch bis 11. April in Nürnberg gezeigte Ausstellung präsentiert Plakat-Träume aus 80 Jahren, Geschichtsstunde, Warenkunde, Filmgeschichte, Zeitgeist- und Kultur-Beleg und graphisches Kabinett in einem. Denn das Reklameplakat ist nicht nur Träger einer Werbebotschaft, es ist sehr häufig künstlerisch-graphisches Produkt von erstaunlich hohem Rang – was neben dem Interesse für Epochen die Leidenschaft des Sammelns erklärt.
 
Von der Suggestion der Werbung

Für Lebens- und vor allem Genussmittel wie Getränke und Süßigkeiten wird geworben, für
 
Haushaltsgeräte, Waschmittel und technisches Gerät. Körperpflege, Kosmetik und Düfte sind ein wichtiger Sektor, ebenso wie die modischen Entwicklungen und Trends. Rundfunk, Film, Fernsehen, Reisen und Fortbewegung – hier vor allem Werbung für Autos - haben eine beherrschende Position in der Werbung eingenommen, nachdem die Plakatwerbung für Suchtstoffe wie Heroin (ja, das gab es wirklich mal, von Bayer nämlich), Tabak und Alkohol im Sinne der Volksgesundheit eingeschränkt wurde. Die einst allgegenwärtige Bier-, Schnaps- und Zigarettenwerbung – noch heute sind die Kampagnen z.B. für Lucky Strike und Früh-Kölsch mit das Beste, was man auf Plakatwänden findet – mußte auf allzu aggressive, vor allem die Gefahren des Genusses verschweigende Reklame verzichten. Einiges zeigt der opulente Ausstellungs-Katalog, eher ein Standardwerk zur Plakatwerbung mit seinen 576 Seiten und 400 farbigen Abbildungen, in und mit dem ein Fenster zu den vergangenen Jahrzehnten geöffnet wird.
 
Ein Ausflug in unsere Vergangenheit

Ausstellung und Buch stellen in ihren fesselnden, mit kompakten Texten versehenen Kapiteln „Welt des Supermarkts“, „Haushalts-Welt“, Schönheits-Welt“, „Mode-Welt“, „Medien-Welt“, „Freizeit-Welt“ und „Versprechungen der Markenwelt“ das Universum des Alltags dar, in dem unsere Großeltern,
 
Eltern und wir groß geworden sind, stets umgeben von den Einflüssen und Einflüsterungen, der suggestiven Kraft der Plakatwerbung an beinahe jeder Straßenecke. Denken wir dabei nur an die Plakate, die mit dem bewußt falsch geschriebenen Slogan "...hilft dem Vater auf das Fahrad" für einen Schnaps warb oder die Kampagne für Sicherheitsgurte, auf der eine barbusige Schöne zeigte, wo und wie ein Gurt liegen muß. Blickfänger eben. Das Plakat wird sicher auch weiterhin unverzichtbarer Träger von Botschaften der Wirtschaft, Politik und Kultur bleiben.

Die Ausstellung ist daher – zumal in den jetzt begonnenen Osterferien – für Geschichts-Interessierte, Zeitzeugen und ganze Familien einen Besuch und einen Ausflug in die eigene Vergangenheit wert.
 
Öffnungszeiten:
Ausstellungen und Schausammlungen
Di-So 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr
 
Regelführungen: jeweils Mi 18 Uhr und So 14 Uhr
Familienführung: So 14.3.2010, 10.30 Uhr
Oma-Opa-Enkel-Tour: Sa 6.3.2010, 14.30 Uhr

Bildergalerie mit Plakaten der Ausstellung auf www.stern.de
 
Der Katalog zur Ausstellung:
„Plakativ - Produktwerbung im Plakat 1885-1965“ – © 2009 Verlag Hatje Cantz, 576 Seiten Paperback mit Schutzumschlag, 29 x 22 cm, 400 Abbildungen in Farbe, Kommentare, Register, Bibliographie
Preis im Museum 38,- €, Preis im Buchhandel 49,80 €
 
Weitere Informationen unter: www.hatjecantz.de  und  www.gnm.de