Ohne Schwerkraft leben

Katharina Greve - "Ein Mann geht an die Decke"

von Andre Poloczek
Ich kann jetzt an der Decke gehen
 
André POLOczek über Katharina Greves Comic-Roman:
"Ein Mann geht an die Decke"
 
 
Erinnern Sie sich noch an das Seminar: „Ohne Schokolade leben“ ? Gut! Dann freuen sie sich auf das Seminar „Ohne Schwerkraft leben“. Ein vorläufiges Lernprogramm ist in diesem Comic zu finden. Und man muß gar kein Superheld sein, um an der Wand hinauf und an der Decke entlang zu laufen. Es reicht, im Berliner Fernsehturm durch einen kleinen Zufall die richtigen Leute zu treffen. Die zeigen einem, wie das geht: „Ohne Schwerkraft leben“. Und Katharina Greve zeigt uns diese Leute. Gerne folgen wir Franz Fink, dem Fahrstuhlführer im Fernsehturm, der, als er ausnahmsweise die Treppe benutzt, in eine Welt eintaucht, in der die Gravitation ihre Macht verloren hat. Was zunächst verwirrt, entwickelt in kürzester Zeit eine eigenwillige wunderbare Magie. Man neigt natürlich dazu, das Buch um 90 Grad zu drehen – aber wenn man das nicht macht, ist die Geschichte viel schöner und man kommt als Leser dem Ziel, ohne Schwerkraft zu leben, ein ganzes Stück näher. Gerne bin ich bereit, der Autorin zu folgen und das als Emanzipationsprozeß zu begreifen. Und schon bin ich auch gewillt, mein Leben nicht mehr durch die Schwerkraft bestimmen zu lassen. Mit ohne Schokolade hat es doch auch geklappt. Und mit Inge geht’s vielleicht auch: „Ohne Inge leben“. Es ist alles eine Frage des Willens. Oder richtiger: Des Seinlassens. Schwerkraft mal sein lassen. Dann relativieren sich die Begriffe „senkrecht“ und „waagerecht“; die Dimensionen werden fragwürdig und das beflügelt die Phantasie ganz ungeheuerlich.

© Katharina Greve/ Die Biblyothek
 
Nun ist dieser Comic aber nicht nur phantasieanregend, er kitzelt auch den Intellekt und er ist komisch. Und bei all dem verliert er nie seine Leichtigkeit - was nur durch die Überwindung der Schwerkraft zu erklären ist. Oder durch den Witz. Ach!
Es gibt für mich ein sehr zuverlässiges Anzeichen dafür, daß ein Comic gut ist: Wenn ich ihn nicht aus der Hand legen mag, obwohl ich ihn schon gelesen habe; wenn ich ihn immer wieder nehme und immer wieder aufschlage. Aber wenn ich ihn noch nicht einmal beim An-der-Decke-Gehen aus der Hand lege, dann ist er mehr als gut, dann ist er genial.
 
Katharina Greve, Ein Mann geht an die Decke, Comic-Roman, Die Biblyothek, edition moritate,
ISBN: 978-398104806-3, 48 Seiten, Hardcover, 19 x 26 cm, 1-farbig 1. Auflage: 10/2009, Geb. Buchpreis: 14,00 € [D], 14,40 € [A]
Unverb. Preisempf.: 24,90 SFr [CH]