Musikstunde

Eine Plauderei über Johann Strauß

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde

Eine Plauderei über Johann Strauß



Jetzt ist ja die Zeit der Neujahrskonzerte, mit denen sich reihum die Sinfonieorchester in Erinnerung bringen - und kaum ein Konzert ohne die Wiener Walzerseligkeit. Auch ich möchte mich bei Ihnen nach einer Pause, die ich den Musenblättern neidlos zubilligen mußte, artig zurückmelden. Und weil´s so gut paßt, mit einem Walzer.

„An der schönen blauen Donau“ ist der erste Walzer für Chor, den Johann Strauß (Sohn) als op. 314 komponiert hat. Nein, Sie haben sich nicht verlesen: für Chor! Der Walzer (da gab es noch keinen Titel) war für die Faschingsliedertafel des Wiener Männergesangsvereins 1867 konzipiert. Josef Weyl, Jugendfreund Johanns, Gelegenheitsdichter und im Hauptberuf Beamter der Polizeidirektion, hat einen Text zu vorhandenen Skizzen beigesteuert. Der Text ist rabenschlecht und sicherlich eines der Hauptmomente dafür, daß sich Johann Strauß sehr schnell für die Orchesterversion entschied. Kostprobe? Es geht um die – ironisch geschilderte – schlechte Stimmung in Wien und ist auf eines der berühmtesten Motive der Welt zu singen:
Bässe: „Wiener seid froh! -
Tenöre: Oho, wie so?
B: No so blickt nur um! –
T: I bitt‘ warum? –
B: Ein Schimmer des Lichts –
T: Wir seh’n noch nichts.
B: Ei Fasching ist da! –
T: Ach so, na ja.
B: Drum trotzet der Zeit –
T: O Gott, die Zeit!
B: Der Trübseligkeit. –
T: Ah, das wär g’scheidt!
    Was nützt das Bedauern,
    das Trauern,
    Drum froh und lustig seid!“
 
Ich denke, das langt! Strauß nahm für diesen Walzer, den er dem Männergesangsverein schon für das vorhergehende Jahr versprochen hatte, aus Überlastungs-Gründen aber nicht hingekriegt hatte, vorhandene Skizzen und lötete sie ziemlich flott zu Chor mit Klavierbegleitung zusammen. Strauß selbst entschuldigt sich auf der flüchtig dahingekritzelten Partitur mit den Worten: „Bitte ob der schlechten und unsauberen Schrift um Verzeihung – ich mußte binnen weniger Minuten damit fertig werden. Johann Strauß.“ Überhaupt ist da einiges rätselhaft. Da ist von „Stimmen“ die Rede, aber keiner weiß, ob da nur die Chorstimmen oder schon Orchesterstimmen gemeint sind, Wiederholungszeichen, die von der Orchesterversion abweichen und harmonische Änderungen, die vielleicht nur Flüchtigkeitsfehler sind und eine kurze Coda, wo doch die Orchesterversion die wunderschöne lange Coda aufweist. Und alles immer noch ohne Namen. Auf der Einladung des Männergesangsvereins steht schlicht: „Walzer für Chor und Orchester von Johann Strauß, k.k. Hofballmusikdirektor. Dem Wiener Männergesangsverein gewidmet (neu).“ Keiner weiß bis heute, wie der Walzer an seinen Titel kam und wie der gemeint ist. Üblicherweise haben alle Strauß-Walzer sehr präzise Titel. Kurz vor der Uraufführung war der Titel jedenfalls da. Und vielleicht war er weniger als Biographie eines Stroms sondern eher ironisch gemeint. Tatsache ist, daß die Orchesterversion sich durchgesetzt hat.

Walzern Sie also heiter ins Jahr 2010 (mein Gott, schon so weit?), bleiben Sie gesund und meine geschätzten Leser

Ihr
Konrad Beikircher
 


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker