Sandro Botticelli (1444-1510)

Ausstellung im Städel zu Frankfurt/Main

von Johannes Vesper
Sandro Botticelli (1444-1510)

Ausstellung im Städel zu Frankfurt/Main
vom 13.11.09 bis zum 28.02.10
 
 
Der junge Sandro war ein schwieriger Schüler, stets unzufrieden und unruhig. So verließ er die Schule, um zu einem Goldschmied in die Lehre zu gehen. Die Goldschmiede galten im 15. Jahrhundert in Italien als die Elite der Handwerker und Künstler. Lucia della Robbia, Donatello, Leonardo da Vinci, um nur einige der Großen zu nennen, hatten die Ausbildung zum Goldschmied absolviert. Sandro mochte aber sich aber auch hier nicht arrangieren und erklärte seinem Vater, daß ihn allein die Malerei fasziniere. Offensichtlich überzeugte er so, daß er zu dem berühmten Maler Fra Filippo del Carmine in die Lehre gehen durfte. Der Erfolg stellte sich bald ein und Sandro Botticelli bekam Aufträge nicht nur für Altar- und Kirchenbilder, sondern auch für Malereien in den Villen der reichen Florentiner. Wie er sich 1475 selbst sieht? Auf dem Bild „die Anbetung der Könige (Florenz Uffizien) steht er in einen gelbbraunen Mantel vorne rechts im Bild und schaut den Betrachter sehr selbstbewußt direkt an.
 
Maler der Macht

Der blonde Dreißigjährige pflegte enge Beziehungen zu den herrschenden Medici, so daß er nach
der Pazzi-Verschwörung 1478 beauftragt wurde, die Attentäter als Gehenkte - einen von ihnen am Fuß aufgehängt - auf die Frontwand der Zollbehörde zu malen. Die Medici hielten es nach diesem Attentat für nötig, ihre führende Stellung in Florenz durch Botticellis Schandgemälde propagandistisch zu stützen. Nach dem Attentat wurden innerhalb dreier Tage immerhin 70 unliebsame Personen liquidiert und an den Fensterkreuzen des Rathauses aufgehängt. Durch Krieg mit Volterra, durch Vermischung öffentlicher und privater Finanzen, durch geschäftliche Rückschläge war die Stellung der Medici bei wirtschaftlichem und gesellschaftlichen Erfolgen anderer Familien u.a. auch der Familie Pazzi durchaus nicht unangefochten. Auch mit dem Papst gab es Ärger. Einer der von Botticelli öffentlich auf die Fassade gemalten Erhängten war immerhin der Erzbischof von Pisa. Nach Intervention des Papstes  wurde dieses Bild 1480 übermalt. Sandros Bekanntheit hatte sich inzwischen in Italien herumgesprochen. Bald erhielt Botticelli zusammen mit Pietro Perugino und Domenico Chirlandajo von Sixtus VI. den Auftrag, die neu gebaute Sixtinische Kappelle in Rom auszumalen. Wahrscheinlich hat Lorenzo il Magnifico als Wiedergutmachung seine berühmten florentinischen Maler nach Rom geschickt und Sixtus VI hat das wohl auch so verstanden, denn bezahlt hat er nicht. Sandro Botticelli mußte wegen des Honorars gegen den Papst klagen. Jedenfalls sind drei großformatige Werke von Botticelli in der Sixtina zu sehen. Mit großen Menschengruppen, Einzelfiguren und Architektur demonstriert er seine malerische Virtuosität und sein Können. Dies ist der einzige Auftrag, den Botticelli außerhalb von Florenz ausgeführt hat.  
 
Geburt der Renaissance

Um 1485 entstand dann für die Medici Botticellis wohl berühmtestes Gemälde, die Geburt der Venus. Hier wird antike Mythologie dargestellt, keine keusche Maria, kein toter Jesus, sondern die nackte, auf einer Muschel stehende Venus, wie sie von den Rosenwinden an das Ufer gepustet wird. So wird die Antike wiedergeboren, das also ist die Renaissance. Mit diesem Bild tritt Botticelli in Konkurrenz

Botticelli - Idealbildnis - Frankfurt, Städel
zu Appeles, jenem wohl berühmtesten Maler der Antike, dessen schaumgeborene Venus Botticelli mit seinem  Werk übertreffen wollte. In den 80er Jahren des Quattrocento war Botticelli sehr berühmt: „Apelles möge nicht ungehalten sein, daß Sandro ihm gleichgesetzt wird: Sein Name ist jetzt überall bekannt“ hieß es in Florenz 1488. Der Typus der nackten Venus von Botticelli, also der weibliche stehende Akt, wurde später auch in Deutschland von Lucas Cranach d.Ä. gemalt (siehe seine nur Halsketten und den hauchdünnen Schleier tragende Venus im Städel). Die Frauenbilder Botticellis sind stark beeinflußt von der jungen, schönen Simonetta Vespucci, die als Herzensdame Guilianos de Medici im rituellen, ritterlichen Minnedienst beim Turnier die Phantasie der Florentiner bewegt hat. Sie war ein Mythos der frühen Florentiner Renaissance. Ihr Körper sei der einzige, den der Künstler Botticelli nackt studiert habe, mutmaßen die Kunsthistoriker. Simone Vespucci starb 1476 mit 23 Jahren an Tuberkulose. Wahrscheinlich ist das „weibliche Idealbildnis“ ein Porträt der Simonetta Vespucci als Nymphe.
 
Die phantasievolle Haartracht mit zwei Zöpfen hinten, geschmückt mit Flechten und Perlenketten, wird ergänzt durch reichen Schmuck: Etliche schmale Goldreifen um den weißen Hals mit einer schwarzen Relief-Gemme als Anhänger  kontrastieren reizvoll zu der makellosen Haut. Der frühe Tod der Schönen hat sicher zu ihrem Ruhm in Florenz beigetragen. Mit den jungen und schönen Frauen der Zeit ist aber nicht zu spaßen. Elegant gewandet und melancholisch schauend hält Botticellis Judith, als sie das Zelt verläßt, in der rechten Hand das Schwert und in der Linken auf Augenhöhe den abgeschlagenen Kopf des Holofernes. Auch der Kentaur, dem die schöne Minerva mit der Hand durch das Haar fährt, schaut ob seiner Zähmung durch die Schöne mit hängendem Kopf durchaus mißmutig drein. Zwar ist der Kopf noch nicht ab, aber das Schicksal des Holofernes wird offensichtlich gefürchtet.

Portraitmaler der Medici
 

Botticelli - Minerva und Kentaur
Uffizien, Florenz 
Botticelli war auch als Porträtmaler von den in Florenz Herrschenden außerordentlich geschätzt. Ca. 20  Bildnisse von seiner Hand sind überliefert. Offensichtlich  kannte er die in Flandern „erfundene“ Malweise. Sein  Bildnis eines Mannes mit der Medaille Cosimo de Medicis ist von der Anlage her sehr ähnlich dem Antwerpener Porträt eines Mannes mit Nero-Münze von Hans Memling. Als  Porträtmaler diente Botticelli den Medici und prägte ihr Bild in der Öffentlichkeit.   Der Glanz der Medici in Florenz verblaßt, als Savonarola, seit 1485 in Florenz, zunehmenden Einfluß gewinnt. Er sagte den Italienern den Weltuntergang voraus als Folge ihres verderbten, sündigen Lebenswandels. Nur durch Reue und Buße fänden die eigenen Verfehlungen am Jüngsten Tage Gnade vor Gott, predigte er mit zunehmendem Pathos. 1497 zogen seine Anhänger durch Florenz, ließen sich Luxusgegenstände, Kleidung, Möbel, Musikinstrumente auch Bilder aushändigen und verbrannten diese auf der Piazza della Signoria. Legende ist, daß Botticelli auch eigene Bilder auf das Feuer geworfen habe. Botticelli habe sich von dieser Lehre beeindrucken und anstecken lassen. Er habe infolge der Lehren des Savanarola seine Malerei vernachlässigt. Das schreibt jedenfalls Vasari. Wie dem auch sei. In seinen letzten Lebensjahren malt er nicht mehr, ist er verarmt und die Angehörigen schlagen das Erbe aus.

Botticelli - Giuliano di Medici
National Gallery Washington
Eine Krankheit wird ursächlich verantwortlich sein, vermutet man. Tatsächlich ändert sich aber auch sein Malstil in den letzten Jahren. Die Mystische Geburt von 1501, das einzige signierte Werke unseres Künstlers, atmet mit den durchbohrten Teufelchen im Vordergrund, den im Kreis fliegenden Engeln über dem Christuskind mit Maria, der Unordnung vor dem Stall und der rätselhaften Überschrift eine andere Stimmung als die hocherotischen Frauen des Frühlingsbildes („Primavera“) von früher.      
 
Vasaris subjektive Sicht auf Botticelli

Was wir über Botticelli wissen, wissen wir im wesentlichen von Giorgio Vasari (1511-74), der mit den Lebensbeschreibungen italienischer Künstler (erschienen erstmals 1550) sozusagen als Begründer der Kunstgeschichte angesehen werden kann. Er schrieb aber nicht nur die Künstlerbiographien, sondern bewertete durchaus die Künstler und ihre Werke. Michelangelo schrieb ihm: „Ihr seid der Wiedererwecker der toten Menschen, da ihr den Lebenden das Leben verlängert; die Miserablen übereignet ihr voller Zorn für ewige Zeiten dem Tod“. Warum Botticelli von Vasari überaus kritisch dargestellt worden ist, darüber kann die Kunstwissenschaft spekulieren und mutmaßen. Daß Bottecilli noch heute als schwieriger Charakter, als verschwenderisch, als stets unzufriedener Mensch ohne Bildung dargestellt wird, verdankt er jedenfalls Vasari und dessen posthumem Rufmord. Warum Vasari zwei Hauptwerke Botticellis, nämlich das progagandistische Schandgemälde der erhängten Attentäter von 1478 und den großen Bilderzyklus zur Dantes Göttlicher Komödie, der in Frankfurt nicht gezeigt wird, nicht erwähnt, bleibt ebenfalls unklar.
 
Zur Ausstellung in Frankfurt erschien bei Hatje Cantz ein umfangreicher Katalog  mit lesenswerten Essays über das Werk, über den Mythos Simonetta Vespucci, über Vasari und Botticelli, über das Goldene Zeitalter bzw. die Tyrannis unter den Medici, kurz über viele Fragen, den Maler und seine Zeit betreffend. Wie stets sind die Abbildungen hervorragend gedruckt.    
 
Botticelli  -  Bildnis • Mythos • Andacht
Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main
13.11.09 bis 28.02.10
 
Katalog - Herausgegeben von Andreas Schumacher.
Mit Beiträgen von Christina Acidini, Gabriel Dette, Bastian Eclercy, Hans Körner, Lorenzo Melli, Ulrich Rehm, Volker Reinhardt, Anna Rühle und Andreas Schumacher.
© 2009 Hatje Cantz, 372 S. mit 294 Abbildungen, gebunden, 49.80 €
 
Weitere Informationen unter: www.hatjecantz.de  und  www.staedelmuseum.de