TATSCHPEUNT

Eine Bahn-Glosse

von Michael Zeller

Foto © Frank Becker

TATSCHPEUNT
 

Seit einiger Zeit sieht man in deutschen Bahnhöfen, dem Herrschaftsgebiet der Deutschen Bahn AG, kleine blaue Tafeln, auf den Bahnsteigen, an ihren Aufgängen und Rolltreppen. Einen roten Punkt nimmt der dahineilende Reisende gerade noch mit. Um die Beschriftung zu entziffern, muß er stehenbleiben und nähertreten. „Touchpoint“ wird er lesen.
 
Wieder eine dieser Wortschöpfungen in jenem schmerzhaft ungelenken Englisch, das der Deutschen Bahn AG so gut gefällt. An diesen Laborprodukten erkennen die Amerikaner übrigens als erstes, daß sie in Deutschland sind, und sie amüsieren sich darüber, was man hierzulande für Englisch hält.
 
Das ist die Realität heute in diesem Land. Darüber sich aufzuregen, hieße Kräfte vergeuden. Für nichts.
 
Warum man aber den roten Punkt antatschen soll, weiß ich immer noch nicht. Einen Schritt näher also, die Schrift wird kleiner.
 
„Kontaktpunkt für Tickets per Handy“ steht da geschrieben, Weiß auf Blau. Nun bin ich vollends verwirrt, habe jede Orientierung verloren. Warum nur weichen die Sprachschöpfer auf einmal ins abgestanden altmodische Deutsch aus?
 
Meinen sie fürchten zu müssen, es gäbe noch Menschen im Land, die ihr Deutsches Bahn AG-Englisch nicht verstünden? Die Sorge, meine ich, ist unnötig. Die Mehrheit, die weder korrekt Deutsch noch Englisch beherrscht, ist erdrückend geworden, und so wurstelt sie sich durch eine Kunstsprache durch, die von beidem ein bißchen ist, aber nichts richtig.
 
Warum dann jetzt auf einmal „Kontaktpunkt“? Die Dämpfe des Reagenzglases aus dem Wortlabor wehen einem noch um die Nase bei diesem Begriff, aber er scheint doch ohne Zweifel Deutsch sein zu sollen. Was tun? Ich übersetze das deutsche Reagenzglaswort flugs zurück in seine englische Entsprechung – und siehe: Jetzt macht’s Sinn (um auch diese Irrsinnswendung endlich – wird aber höchste Zeit! – zum Erklingen zu bringen.) Also:
 
Tatschpeunt für Tickets per Handy.
 
Ein wirklich wunderschönes deutsches Sprachgebilde. Wenn man „per“ englisch ausspricht, also „pör“, wie es die Sprachzauberer der Deutschen Bahn AG zweifellos wünschen – was bleibt dann noch an Deutsch übrig?
 
Das Wörtchen (die Präposition) „für“. Nichts leichter, als auch noch diesen Fitzel von drei Buchstaben zu angli- und damit zu nobilitieren:
 
Tatschpeunt for tickets per handy –
 
Ein Buchstabe, ein einziger Buchstabe trennt uns vom Himmelreich des globalen Kuddelmuddels, des regellosen Dahinlallens in selbstgemachten fremden Zungen. Das „ü“ (in „für“), das schlichte „ü“ gibt den Spielverderber. Ein Laut, ausgerechnet, der den Amerikanern bei der Aussprache solche Schwierigkeiten macht. (Ob diese Gemeinheit Absicht ist?)
 
Stehen wir hier nicht vor einen kleinen Wunder? Just in dieses weithin unterschätzte  „ü“ habe sich die Sprache Goethes vor den Sprachzüchtern der Deutschen Bahn AG gerettet?
 
Ein bißchen wenig, vielleicht, meinen Sie? Aber allemal genug, um Archäologen in hundert Jahren oder mehr, wenn sie in unseren Spuren suchen, einen Fingerzeig zu geben, daß die German RailBahn Company im frühen 21.Jahrhundert offenbar in Deutschland ihr Geld verdient haben muß.


© Michael Zeller - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009