Ein Kriminalroman mit Anspruch

W.W. Domsky - "Ehre, wem Ehre..."

von Frank Becker
Schwärende Wunden

Dieser Kriminalroman, um dessen Erscheinen es im Vorfeld einen veritablen Skandal gegeben hat, weil ein Verlag ihn "nach Prüfung des Textes durch eine Expertin" aus purer Angst vor möglichen islamistischen Repressalien nicht mehr veröffentlichen mochte, hat jetzt doch noch einen Verlag gefunden. Der Leda Verlag hat sich von der grassierenden Hysterie nicht anstecken lassen und das Buch umgehend ungekürzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer diesen spannenden und griffig geschriebenen  Roman zur Hand nimmt, wird recht bald feststellen, daß der bedrückend aktuelle Stoff schon lange nach einer literarischen Aufarbeitung verlangte.

Ein Pistolenattentat
am hellen Tage auf eine türkische Metzgerei in einer Stadt im Ruhrgebiet kostet drei Menschen das Leben: eine Passantin, den Sohn des  Metzgers und eine junge Türkin, die sich mit einem Kind auf dem Arm im Laden aufhält. Was zunächst nach einem möglichen Bandenkrieg im Rotlichtmilieu aussieht, entpuppt sich für die Ermittlerin Thea Zink und ihren Assistenten Stettner bald als Beziehungstat im Umfeld einer türkischen Familie, deren (männliche) "Ehre" dadurch verletzt wurde, daß eine junge Frau sich gegen Repressalien und Prügel in der nicht von ihr gewollten Ehe befreien möchte und eine andere nichts weiter als ihr Recht auf Selbstbestimmung zu leben versucht. Die ohne jede bessere Einsicht ihr Bestimmungs"recht" über diese Frauen fordernden drei Söhne des Clans "bestrafen" in brutaler Selbstjustiz, die bis zum Mord geht, nicht nur ihre rechtlosen Frauen und Schwestern, sie töten auch einen jungen Deutschen, der es gewagt hat, sich in ihre Schwester zu verlieben. Sie stellen sich über die Justiz und die gültigen Rechtsnormen. Gleichzeitig fordern sie für sich jedes Recht ein, das der Staat bietet. Das klingt irgendwie fatal vertraut.

Das während des Anschlags verschwundene Kind, das angeblich niemand kennt, kann schließlich als Sohn der in ein Frauenhaus geflohenen Türkin Leyla Cetin identifiziert werden. Daß solche Fälle in Deutschland vorkommen, ist bekannt. Die alkoholkranke Kommissarin ermittelt kompromißlos, ohne sich von ihrem Chef
stoppen zu lassen, der die Sache gerne einem russischen Nachtclub-Besitzer anhängen möchte. Sie faßt die beteiligten Türken nicht mit Samthandschuhen an und verletzt deren Macho-Gefühle, aber auch jeden Anstand nicht minder als diese die Rechte derer, die ihnen im Wege stehen. Sie will die Wahrheit herausfinden und ist dabei nicht zimperlich. Daß sie die Worte des Korans dabei gegen die Täter einsetzt, sorgt für ebensoviel Ärger wie ihre Trunkenheit im Dienst. Sie zieht sich den Haß der türkischen Männer zu, wird suspendiert und muß ihrem Assistenten die Klärung des Falles überlassen, mischt aus dem Hintergrund aber weiter mit.

W.W. Domsky läßt weder die Polizei im Allgemeinen und die Kommissarin im Besonderen, noch die verbohrt ultraradikalen türkischen Männer in diesem Roman gut aussehen. Solche und solche Typen gibt es eben. Domsky legt dabei den Finger in Wunden, die nicht heilen können, solange abgeschottete Parallelgesellschaften welcher Couleur auch immer
sich in einem liberalen Staatsgefüge über das gültige Recht stellen. Das gut recherchierte Buch (und bitte nicht vergessen: es ist ein Roman!) ist fesselnd geschrieben, darf zur soliden Kriminalliteratur gezählt werden. Die Typen und Charaktere sind gut und wirklichkeitsnah gezeichnet, die Abläufe logisch aufgebaut.

In einem dramatischen Finale findet das Verbrechen schließlich seine Aufklärung - und der Plot
birgt ganz zum Schluß eine überraschende, erschreckende Pointe. Dieses Buch hat weder ausländer- noch islamfeindliche Tendenzen. Domsky schreibt über und gegen Übeheblichkeit und Verbrechen im Namen eines unerträglichen Machismo an, der sich hinter einer respektablen Religion versteckt. Dagegen kann niemand etwas haben. Denn: Ehre, wem Ehre gebührt...
Eine ohne Einschränkung empfehlenswerte Lektüre.

Beispielbild


W.W. Domsky
Ehre wem Ehre...

Kriminalroman

© 2009 Leda Verlag

252 Seiten, Broschur
9,90 €

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