Edvard Munch in Dänemark

Eine Ausstellung des Museums Ordrupgaard

von Friederike Hagemeyer
Edvard Munch in Dänemark

Eine Ausstellung des Museums

Ordrupgaard




Kopenhagen  -  Brücke nach Europa
 
Daß das Werk Edvard Munchs (1863 – 1944) ohne die Anregungen und den Einfluß deutscher und französischer Künstler kaum denkbar ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Die Beziehungen des

© Hatje Cantz - (Munch, Prof. Daniel Jacobsen)
bedeutendsten Wegbereiters des Expressionismus zu Frankreich und Deutschland gelten als gut erforscht und dokumentiert.
Die Bedeutung Dänemarks für die künstlerische Entwicklung des Norwegers aber ist bis heute kaum beachtet, geschweige denn gut dokumentiert.
Ordrupgaard, Museum für französischen Impressionismus am Rande Kopenhagens, hat es sich nun, hundert Jahre nach dem dortigen Klinikaufenthalt Munchs, mit der Ausstellung „Edvard Munch and Denmark“ zur Aufgabe gemacht, diese Lücke zu schließen.
 
Edvard Munch in Kopenhagen
 
Zwischen 1888 und 1909 hält sich Edvard Munch immer wieder für längere oder kürzere Zeit in Kopenhagen auf. Hier stellt er als Fünfundzwanzigjähriger erstmals außerhalb seiner Heimat aus, knüpft und pflegt Kontakte zu dänischen Künstlern, hier lernt er die französische Malerei seiner Zeit kennen und hier findet er endlich Ruhe und Heilung nach Jahren des Alkoholmißbrauchs und nachfolgender seelischer Erkrankung.
Durch die Begegnung mit Jens Ferdinand Willumsen (1863 – 1958) und über ihn mit Mette Gauguin, geb. Gad, (1850-1920), in deren Haus er erstmals die neuesten Bilder französischer Impressionisten und Paul Gauguins studieren kann, erhält er wesentliche Impulse zur Ausbildung seines eigenen Stils.
Im Winter 1908/09 kann sich Edvard Munch, inzwischen ein international berühmter und skandalumwitterter Maler, nach seinem physischen und psychischen Zusammenbruch in Kopenhagen in eine Nervenklinik zurückziehen. Die sieben Monate unter der Obhut des Nervenarztes Dr. Jacobsen erweisen sich als eine in künstlerischer Hinsicht sehr aktive Zeit und als der Beginn einer neuen Phase seines Schaffens. Munch malt seinen Arzt, Krankenschwestern und Mitpatienten, er experimentiert mit der Fotografie, zeichnet exotische Tiere bei ersten Ausflügen in den Zoo und nicht zuletzt findet Ende 1908 eine Ausstellung mit zweihundert seiner Werke in Kopenhagen statt. Im Frühjahr 1909 kehrt Munch in seine norwegische Heimat zurück; die Beziehungen zu Kopenhagen bleiben bestehen.
 
Informative Ausstellung
 
Es ist eine kleine, intime, wohldurchdachte Ausstellung im Neubau des Museums Ordrupgaard, die Edvard Munchs Verhältnis zu Kopenhagen und Dänemark beleuchtet. Das Augenmerk des Besuchers wird auf vier Abschnitte im künstlerischen Lebenslauf des Malers gelenkt: „Munch und der Impressionismus“, „Inspiration durch J.F.Willumsen und Paul Gauguin“, „Munch in Kopenhagen“ und „Dr. Jacobsens Klinik“. Für den Betrachter sehr informativ sind Gegenüberstellungen von Bildern, die Munch als Inspirationsquellen gedient haben mögen, mit seinen „Antworten“ darauf. Von Gauguin

Paul Guguin - Der kleine Träumer
scheint Munch die Anregung übernommen zu haben, die Darstellung von Realität und Traumsequenzen in einem Bild zu vereinigen. In Gauguins „Little Dreamer“ von 1891 (leider nicht im Katalog) erscheinen Traumwesen an der Wand im Hintergrund. Gegenübergestellt ist Munchs berühmtes Gemälde „Melancholy“ von 1892  (Katalog 16, S. 86), das auf einem entfernten Bootssteg Gestalten zeigt, die den Menschen im Vordergrund an fröhlichere Zeiten erinnern mögen (s. unten). Der dänische Künstler J.F. Willumsen veranlaßt Munch, sich mit der Technik des Holzschnitts zu beschäftigen, wie die Bilder „Towards the forest“ von 1897 (Katalog 25, 26, 27, s. 72 – 73) zeigen.
1905, die seelische Krise beginnt sich bereits abzuzeichnen, lebt der Künstler einige Zeit zurückgezogen im Dörfchen Taarbaek am Öresund, nördlich von Kopenhagen. Seine Bilder von den ihn umgebenden Gärten und „Taarbaek harbour“ (Katalog 42, S. 90) lassen noch nichts von dem nahenden Zusammenbruch ahnen.
Die schwarze Seite des Künstlers tritt deutlich während seines Klinikaufenthalts in Kopenhagen zu Tage. Hier entstehen 1908 die Zeichnungen zum Zyklus „Alpha and Omega“. Das Bild „Alphas despair“ (Katalog 85, s. 109) läßt unweigerlich an das berühmte Gemälde „Der Schrei“ (ursprünglicher Titel „Verzweiflung“, vier Versionen zwischen 1892 und 1910) denken.
 
Inhaltsreicher Katalog
 

Edvard Munch, Melancholie 1892 
Der deutsche Verlag Hatje Cantz hat zur Ausstellung, die noch bis 3. Januar 2010 in Ordrupgaard zu sehen ist, einen englischsprachigen Katalog herausgegeben. Es ist eine inhaltsreiche Publikation, die z.T. wenig bekannte Bilder, Grafiken und Zeichnungen enthält. Als Rarissimum dürften die Fotografien gelten, die Edvard Munch während seines Klinikaufenthaltes bei Dr. Jacobsen von Krankenschwestern, Mitpatienten und von sich selber aufnahm. Gerade auch für das deutsche Publikum hält der Katalog vermutlich manche Überraschung bereit, und er könnte manche Wissenslücke schließen.
 

© Friederike Hagemeyer 2009
 
Literatur:
Munch in Frankreich. Katalog zur Ausstellung in Paris, Oslo, Frankfurt, M. 1991 – 1992. - Stuttgart: Hatje Cantz 1992. 415 S.
Munch und Deutschland. Katalog zur Ausstellung in München, Hamburg, Berlin 1994 – 1995. - Stuttgart: Hatje Cantz 1994. 287 S.
 
Ausstellung:
„Edvard Munch and Denmark“
 
Ordrupgaard, DK-2920 Charlottenlund (Kopenhagen), Vilvordevej 110
4. September 2009 – 3. Januar 2010
 
Munch-Museum, Oslo, 21. Januar – 18. April 2010
 
Weitere Informationen unter: www.hatjecantz.de   und   www.ordrupgaard.dk
Sowie später: www.munch.museum.no

Redaktion: Frank Becker